Verfahrensgang

ArbG Hamm (Beschluss vom 06.10.1992; Aktenzeichen 3 Ca 1023/91)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluß des Arbeitsgerichts Hamm vom 06. Oktober 1992 abgeändert:

Die vom Antragsgegner an den Antragsteller zu zahlende Vergütung wird auf 1.518,26 DM nebst 4 % Zinsen s. d. 21. August 1992 festgesetzt.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens treffen den Antragsgegner.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 470,25 DM festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

Der Beschwerdeführer hat den Antragsgegner in einem Kündigungsschutzprozeß vertreten, der im Gütetermin vom 27. September 1991 vor dem Arbeitsgericht Hamm nach Erörterung der Sach- und Rechtslage durch einen Vergleich beendet worden ist.

Der Antragsteller hat mit seinem am 21. August 1992 beim Arbeitsgericht eingegangenen Antrag darum gebeten, folgende Gebühren und Auslagen gemäß § 19 BRAGO gegen den Antragsgegner festzusetzen:

Streitwert: 7.440,– DM

Prozeßgebühr, §§ 11, 31 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO

409,– DM

Erörterungsgebühr, §§ 11, 31 Abs. 1 Nr. 4 BRAGO

409,– DM

Vergleichsgebühr, §§ 11, 23 BRAGO

409,– DM

Postgebührenpauschale, § 26 BRAGO

40,– DM

Schreibauslagen, § 27 BRAGO

5,– DM

Fahrtkosten im Zusammenhang mit der Wahrnehmung des Gütetermins: 52 km × 0,45 DM =

23,40 DM

Tage- u. Abwesenheitsgeld, § 28 Abs. 2 BRAGO

25,– DM

1.320,40 DM

+ Mehrwertsteuer

184,86 DM

Zustellungsauslagen

9,– DM

Gebühr des Einwohnermeideamtes

4,– DM

1.518,26 DM

Das Arbeitsgericht hat die geltend gemachte Erörterungsgebühr mit Rücksicht auf die seit dem Jahre 1976 feststehende Rechtsprechung der Beschwerdekammer abgesetzt und die anwaltliche Vergütung durch Beschluß vom 06. Oktober 1992 auf 1.051,99 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 21. August 1992 festgesetzt.

Gegen den am 08. Oktober 1992 zugestellten und wegen der sonstigen Einzelheiten hiermit in Bezug genommene Beschluß hat der Antragsteller am 15. Oktober 1992 Erinnerung eingelegt. Er hat geltend gemacht, daß die Erörterung der Sache im arbeitsgerichtlichen Gütetermin nach absolut herrschender Auffassung die Erörterungsgebühr auslöse. Der hiervon abweichenden Ansicht der Beschwerdekammer könne nicht gefolgt werden.

Das Arbeitsgericht hat die Erinnerung für unbegründet erachtet und die Akten dem Beschwerdegericht vorgelegt. Der Beschwerdeführer hat gebeten, die Entscheidung mit Rücksicht auf eine unmittelbar bevorstehende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über eine Verfassungsbeschwerde, mit der die Versagung der Erörterungsgebühr in einem vergleichbaren Verfahren der beschließenden Kammer als verfassungswidrig gerügt worden war, zurückzustellen.

Das Bundesverfassungsgericht hat die Verfassungsbeschwerde durch Beschluß vom 03. November 1992 EzA § 31 BRAGO Nr. 9 zurückgewiesen. Die in ständiger Rechtsprechung vertretene Annahme der beschließenden Kammer, daß im arbeitsgerichtlichen Gütetermin im allgemeinen keine Erörterungsgebühr anfallen könne, sei zwar gewichtigen Einwänden ausgesetzt. Die an der Kostenrechtsprechung der beschließenden Kammer in der Fachliteratur geäußerte Kritik leuchte durchaus ein. Manches deute darauf hin, daß die Spruchpraxis der Kammer von eigenen rechtspolitischen Überzeugungen beeinflußt sei. Diese Gesichtspunkte reichten jedoch für die Feststellung, daß die Kammer sich über ihre Bindung an Recht und Gesetz hinweggesetzt hätte, nicht aus. Da der Richter unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen sei, brauche er bei der Auslegung und Anwendung von Normen einer vorherrschenden Meinung nicht zu folgen.

Daß die angegriffene Rechtsprechung gegen die Bindung des Richters an Recht und Gesetz (Art. 20 Abs. 1 GG) verstoße, lasse sich nicht feststellen. Es handele sich vielmehr um eine Spruchpraxis, die erkennbar um eine zutreffende Auslegung des § 31 Abs. 1 Nr. 4 BRAGO bemüht bleibe.

Der Beschwerdeführer hat gebeten, die deutlichen Hinweise des Bundesverfassungsgerichts auf die zwar nicht verfassungsrechtlich qualifizierten, aber doch nach einfachem Recht bedeutungsvollen Bedenken gegen die ständige Spruchpraxis der Kammer zum Anlaß einer Überprüfung der langjährigen Rechtsprechung zu nehmen.

Der Antragsgegner hat Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die aus der zulässigen Durchgriffserinnerung herausgewachsene Beschwerde (§ 11 Abs. 2 RPflG) hatte Erfolg. Die Kammer entnimmt der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 03. November 1992 EzA § 31 BRAGO Nr. 9, daß ihre ständige Spruchpraxis, nach der die Erörterungsgebühr des § 31 Abs. 1 Nr. 4 BRAGO im allgemeinen im arbeitsgerichtlichen Gütetermin nicht anfallen kann, zwar einer verfassungsrechtlichen Überprüfung standhält, daß sie jedoch einfachrechtlich gewichtigen Bedenken ausgesetzt ist. Diesen Bedenken kommt angesichts der Autorität des Bundesverfassunsgerichts besonderes Gewicht zu. Eine Auseinandersetzung mit diesen Bedenken entzieht der Rechtsprechung der Kammer die bisher für ausreichend tragfähig gehaltene Grundlage. Die Kammer gibt ihre Rechtsprechung aus diesem Grunde auf.

Der Rechtsanwalt erhält die Erörterungs...

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