Entscheidungsstichwort (Thema)
Untersagung von Arbeit an Wochenenden und Feiertagen ohne Mitbestimmung durch den Betriebsrat im Wege einstweiliger Verfügung
Leitsatz (redaktionell)
Dem Betriebsrat steht im Falle der Verletzung seiner in § 87 BetrVG verankerten Mitbestimmungsrechte gegenüber dem Arbeitgeber ein allgemeiner Unterlassungsanspruch zu. Dieser ist, wenn der Arbeitgeber sich darüber hinwegsetzt und Arbeit an Wochenenden und Feiertagen leisten lässt, auch durch einstweilige Verfügung durchsetzbar, da die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats anderenfalls leerlaufen würden.
Normenkette
BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 3; ZPO §§ 935, 940; BetrVG § 87
Verfahrensgang
ArbG Iserlohn (Entscheidung vom 12.07.2016; Aktenzeichen 2 BVGa 9/16) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Betriebsrats - unter Zurückweisung der Beschwerde der Arbeitgeberin - wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Iserlohn vom 12.07.2016 - 2 BVGa 9/16 - teilweise abgeändert und der Tenor insgesamt wie folgt neu gefasst:
Der Arbeitgeberin wird unter Androhung eines Ordnungsgeldes von bis zu 10.000,-- € wegen einer jeden Zuwiderhandlung aufgegeben, es bis zu einer erstinstanzlichen Entscheidung im Hauptsacheverfahren 2 BV 28/16 (Arbeitsgericht Iserlohn) zu unterlassen, im Betrieb in Q Arbeit an Samstagen, Sonntagen oder gesetzlichen Feiertagen anzuordnen und/oder deren Durchführung zu dulden, solange nicht die Zustimmung des Betriebsrats oder eine die Zustimmung ersetzende Entscheidung der Einigungsstelle vorliegt, es sei denn, es ist ein Notfall gegeben.
Gründe
A.
Die Beteiligten streiten im Eilverfahren um die Untersagung von Arbeit an Wochenenden und Feiertagen.
Die Arbeitgeberin betreibt in Q einen Betrieb der Automobilzulieferindustrie mit etwa 880 Arbeitnehmern. Es besteht ein Betriebsrat, der das vorliegende Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung eingeleitet hat.
Für den Betrieb besteht eine vom 04.05.2016 datierende "Betriebsvereinbarung zur flexiblen Arbeitszeitgestaltung", deren Ziffer 4 auszugsweise wie folgt lautet:
Definition Mehrarbeit/Mehrarbeitszuschläge
Mehrarbeit liegt vor, wenn der Arbeitgeber Arbeit anordnet oder duldet und diese eine Arbeitsleistung betrifft, die über die festgelegte individuelle wöchentliche Arbeitszeit hinausgeht. Zur Mehrarbeit zählen auch die an Samstagen, Sonntagen und Feiertagen geleisteten Arbeitsstunden. ...
Für den Zeitraum bis 06.07.2016 gab es zwischen den Betriebspartnern eine Vereinbarung über die Ableistung von Mehrarbeit namentlich auch an den Wochenenden.
Nachdem der Betriebsrat mit E-Mail-Schreiben vom 01. und 06.07.2016 vergeblich von der Arbeitgeberin die Zusicherung verlangt hatte, dass künftig ohne vorherige Zustimmung Mehrarbeit weder angeordnet noch entgegengenommen werde, beschloss er am 07.07.2016 die Einleitung des vorliegenden Eilverfahrens, was dann noch am selben Tag geschah. Das Hauptsacheverfahren wird beim Arbeitsgericht unter dem Aktenzeichen 2 BV 28/16 geführt.
Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, er habe einen Anspruch auf Unterlassung von Mehrarbeit in dem begehrten Umfang, solange keine Zustimmung erteilt worden sei.
Ein Verfügungsgrund ergebe sich daraus, dass bei einer Durchsetzung im ordentlichen Verfahren sein Mitbestimmungsrecht zeitweise unwiederbringlich verloren gehe. So sei es zwischenzeitlich am Wochenende 09./10.07.2016 ohne Zustimmung zur Ableistung von Mehrarbeit durch mindestens 10 Arbeitnehmer gekommen.
Der Betriebsrat hat beantragt,
- der Beteiligten zu 2.) aufzugeben, es bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache zu unterlassen, in dem Betrieb in Q Arbeit an Samstagen, Sonntagen oder Feiertagen anzuordnen oder entgegenzunehmen, ohne dass hierüber eine Einigung mit dem Beteiligten zu 1.) herbeigeführt worden wäre oder die fehlende Einigung mit dem Beteiligten zu 1.) durch eine Entscheidung der Einigungsstelle ersetzt worden wäre und ohne dass ein Notfall im Sinne der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts vorliegt,
- der Beteiligten zu 2.) für jeden Fall der Zuwiderhandlung bezogen auf jeden Arbeitnehmer und Tag ein Ordnungsgeld anzudrohen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, 500,00 € aber nicht unterschreiten sollte.
Die Arbeitgeberin hat beantragt,
die Anträge abzuweisen.
Sie hat ausgeführt, dass sie, die sich an der Grenze zur Insolvenz bewege, dringend auf die weitere Ableistung von Wochenendarbeit angewiesen sei, weil ansonsten aufgrund der ungewöhnlich hohen Krankenstände Lieferverpflichtungen gegenüber wichtigen Kunden nicht erfüllt werden könnten. Seine Zustimmung zur Wochenendarbeit mache der Betriebsrat von sachfremden Erwägungen abhängig. Im Rahmen laufender Sozialplanverhandlungen würden nämlich der Verzicht auf die Einrichtung einer Einigungsstelle sowie eine Patronatserklärung eines anderen Konzernunternehmens verlangt als Bedingung für die weitere Zustimmung zur Ableistung von Wochenendarbeit. Hierin liege ein rechtsmissbräuchliches Verhalten.
Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 12.07.2016 dem Antrag stattgegeben. Hinsichtlich ...