Entscheidungsstichwort (Thema)
Ansprüche des Betriebsrats im Zusammenhang mit Betriebsänderungen i.S.v. § 111 BetrVG
Leitsatz (amtlich)
1. Dem Betriebsrat steht im Zusammenhang mit Betriebsänderungen i.S.d. § 111 BetrVG grundsätzlich ein Unterlassungsanspruch zu.
2. Dieser Anspruch dient allein der Sicherung des Verhandlungsanspruchs (Anschluss an LAG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 19.06.2014, 7 TaBVGa 1219/14 [...]).
3. Ein Unterlassungsanspruch ist ausgeschlossen, wenn die Betriebsänderung bereits durchgeführt worden ist (Anschluss an LAG Hamm, Beschluss v. 20.04.2012, 10 TaBVGa 3/12 [...]).
Normenkette
BetrVG § 111
Verfahrensgang
ArbG Bocholt (Entscheidung vom 05.02.2015; Aktenzeichen 4 BVGa 1/15) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Arbeitgeberin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Bocholt vom 05.02.2015 - 4 BVGa 1/15 - abgeändert und der Antrag des Betriebsrates abgewiesen.
Gründe
A.
Die Beteiligten streiten um einen Unterlassungsanspruch des Betriebsrates wegen der Ausgliederung einer Abteilung.
Antragsteller ist der im Jahre 2014 erstmals gewählte siebenköpfige Betriebsrat der Antragsgegnerin (im Folgenden: Arbeitgeberin). Diese betreibt in W mit etwa 100 Beschäftigten ein Unternehmen, welches Absaug- und Filteranlagen produziert.
Die Arbeitgeberin verfügt über eine sogenannte Musterfertigung, in welcher Muster von einzelnen Komponenten oder ganzen Anlagen gefertigt werden, bevor diese in die Serienproduktion gehen. In dieser Abteilung werden insgesamt vier Mitarbeiter beschäftigt: ein Meister, der die Abteilung zugleich leitet, ein weiterer Mitarbeiter sowie zwei Auszubildende. Die Musterfertigung verfügt über einen Maschinenpark, der unter anderem aus Schweißgeräten, Hubwagen, Werkbank, Abkantpressen, Stanzen und anderen Gerätschaften besteht.
Mit Schreiben vom 09.01.2015 unterrichtete die Arbeitgeberin den Betriebsrat darüber, dass sie die Schließung der Musterfertigung beabsichtige. Darüber hinaus teilte sie mit, dass beabsichtigt sei, die dortigen Betriebsmittel auf die Firma L GmbH in T zu übertragen. Gesellschafter der L sind die Geschäftsführer der Arbeitgeberin; der Geschäftsführer dort ist der Meister und Abteilungsleiter der Musterfertigung. Die Firma L verfügt über ein - so haben die Vertreter der Arbeitgeberin im Termin zur Verhandlung vor der Beschwerdekammer erklärt - angemietetes Betriebsgrundstück im ca. 17 Kilometer entfernten T in der Größe von 700 Quadratmetern, auf das der gesamte Maschinenpark der Musterfertigung verbracht werden soll. Im genannten Schreiben forderte die Arbeitgeberin den Betriebsrat zu Verhandlung über einen Interessenausgleich und Sozialplan wegen der Ausgliederung der Musterfertigung auf. Ein Verhandlungstermin fand sodann am 26.01.2015 zwischen den Beteiligten statt; zuvor hatte die Arbeitgeberin den Entwurf eines Interessenausgleichs übermittelt. Im Rahmen dieser Verhandlung wurde über die Aufnahme einer Inventar- und Personalliste in den Interessenausgleich gesprochen, wogegen die Arbeitgeberin keine Bedenken äußerte. Zu einer Einigung über den Inhalt eines Interessenausgleichs kam es am 26.01.2015 aufgrund anderweitiger Differenzen nicht.
Mit Vertrag vom 27.01.2015 verkaufte die Arbeitgeberin der Firma L die in der Musterfertigung befindlichen Maschinen und Geräte und übereignete sie. Den Kaufvertrag vom 27.01.2015 übersandte die Arbeitgeberin an den Betriebsrat mit Anschreiben vom 28.01.2015. In diesem Kaufvertrag ist unter anderem geregelt, dass die Arbeitgeberin sich verpflichtet, die Betriebsmittel bis zur Herausgabe an den Käufer kostenlos zu verwahren. Zugleich ist ihr ein vorläufiges Nutzungsrecht eingeräumt, wohingegen L das Recht hat, von der Arbeitgeberin jederzeit die Herausgabe der Betriebsmittel zu verlangen. Den Kaufvertrag übersandte die Arbeitgeberin mit Schreiben vom 28.01.2015 an den Betriebsrat und teilte darüber hinaus mit, dass die Arbeitgeberin vom Scheitern der Verhandlungen über den Abschluss eines Interessenausgleichs "zur Abspaltung unseres Betriebsteils "Musterfertigung" ausgehe(n)".
Wegen der Einzelheiten des Anschreibens wie auch des Kaufvertrages wird auf die Anlage AST3 zur Beschwerdebegründung Bezug genommen.
Mit Antragschrift vom 29.01.2015 beantragte der Betriebsrat beim Arbeitsgericht Bocholt den Erlass einer einstweiligen Verfügung, gerichtet auf Unterlassung der Übertragung der betrieblichen Leistungsmacht der "Musterabteilung" auf die L GmbH.
Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, dass ein Unterlassungsanspruch bei einer geplanten Betriebsänderung gegeben sei, da nur auf dieser Art und Weise die Regelungen der §§ 111 BetrVG kollektivrechtlich gesichert werden könnten.
Da es sich bei der geplanten Ausgliederung der Musterfertigung um eine Betriebsänderung handele und die Arbeitgeberin jedenfalls nicht im Rahmen eines Einigungsstellenverfahrens den (weiteren) Versuch eines Interessenausgleichs unternommen habe, stünde dem Betriebsrat ein Unterlassungsanspruch zu. Die Eilbedürftigkeit ergebe sich daraus, dass die Arbeitgeberin die ...