Entscheidungsstichwort (Thema)
Hinweispflicht des Gerichts bei Mängeln in der Darlegung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse einer PKH-Partei
Leitsatz (amtlich)
1. Bei Mängeln in der Darlegung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse einer PKH-Partei besteht eine gerichtliche Hinweispflicht (vgl. LAG Hamm, 8. November 2001, 4 Ta 708/01, LAGReport 2002, 89; 8. Oktober 2007, 18 Ta 509/07, [...]; 30. Dezember 2008, 14 Ta 118/08, [...]; 21. Juni 2011, 5 Ta 334/11, LAGE ZPO 2002 § 114 Nr. 16).
2. Wenn neues Vorbringen im Rahmen einer sofortigen Beschwerde nach Ablauf einer Frist gemäß § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO oder nach Instanzbeendigung ausgeschlossen sein soll, wird der Hinweispflicht nur durch eine Auflage genügt, die genau bezeichnet, welche konkreten Mängel bei den dem Gericht bislang mitgeteilten Angaben der Partei und ihrer Glaubhaftmachung einer Berücksichtigung in dem geltend gemachten Umfang entgegenstehen.
3. Voraussetzung für die Verpflichtung zur Aufklärung von Mängeln im Prozesskostenhilfegesuch ist, dass lückenhafte, widersprüchliche oder sonstige rudimentäre Erklärungen zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen in den Rubriken des amtlichen Vordrucks oder in beigefügten Erläuterungen vorliegen.
4. Eine allgemeine Hinweispflicht, nicht angegebene Belastungen wegen ihrer hypothetischen Möglichkeit abzufragen, besteht dagegen nicht. Bei fehlenden Anhaltspunkten, sei es im Formular, sei es in den Erläuterungen, für die Annahme, dass eine mangelhafte Ausfüllung des amtlichen Vordrucks vorliegt, ist das Gericht zur Aufklärung und Erteilung von Hinweisen nicht verpflichtet.
Normenkette
ZPO §§ 115, 117 Abs. 1, § 118 Abs. 2 S. 4, § 127
Verfahrensgang
ArbG Herne (Entscheidung vom 09.01.2013; Aktenzeichen 2 Ca 2040/12) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Herne vom 9. Januar 2013 (2 Ca 2040/12) hinsichtlich der Ratenzahlungsanordnung abgeändert.
Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe erfolgt mit der Maßgabe, dass die Klägerin keinen Beitrag zu den Kosten der Prozessführung zu leisten hat.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin wendet sich gegen eine Ratenzahlungsanordnung im Rahmen der ihr bewilligte Prozesskostenhilfe und Beiordnung.
Die Klägerin beantragte mit einem am 17. August 2012 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Prozesskostenhilfe für eine zwei Tage zuvor erhobene Kündigungsschutzklage gegen eine Kündigung zum 31. August 2012. Mit dem Antrag hatte sie eine Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 6.August 2012 eingereicht, die zu den Rubriken E (Bruttoeinnahmen) und F (Abzüge) überhaupt keine Angaben enthielt. Die Abrechnungen ihres bisherigen Arbeitgebers für die Monate Februar bis Juli 2012 waren beigefügt. In der Rubrik H (Wohnkosten) hatte die Klägerin keine Angaben zu Miet- und Heizkosten bzw. zu Fremdmitteln bei selbstgenutzten Wohneigentum eingetragen, sondern nur in dem dort für Fremdmittel vorgesehenen Erläuterungsbereich einen "Bildungskredit" aufgeführt mit einer Restschuld von 6.000 Euro, jedoch ohne Angaben zur Ratenzahlung (Höhe und tatsächliche Zahlung). In der Rubrik H (Sonstige Zahlungsverpflichtungen) hatte sie "I1 Studieninstitut D1 (Studiengebühren)" angegeben, in der Spalte "Restschuld" findet sich der Betrag "276 €", ansonsten fehlten auch hier Angaben zur Höhe und tatsächlichen Zahlung von monatlichen Raten. Ebenso wenig waren Belege zu diesen Verbindlichkeiten der Erklärung beigefügt worden.
Das Arbeitsgericht erteilte der Klägerin daraufhin mit Schreiben vom 27. August 2012 die Auflage, unmittelbar nach Erhalt des Bewilligungsbescheides der Agentur für Arbeit oder eines anderweitigen aktuellen Einkommensnachweises für die Zeit ab 1. September 2012 eine Kopie desselben vorzulegen. Hierzu wurde ihr gemäß § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO eine Frist bis zum 20. September 2012 gesetzt. Weiter wurde sie darauf "aufmerksam gemacht, dass die Frist nach § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO für die Geltendmachung und den Nachweis sämtlicher zum Zeitpunkt des PKH-Bewilligungsverfahrens bestehender Verbindlichkeiten und Belastungen ... gilt." Außerdem wurde die Klägerin darauf hingewiesen, dass aufgrund "der Angaben des Klägers" davon ausgegangen werde, "dass er auf seine angegebenen Zahlungsverpflichtungen derzeit keine Zahlungen" leiste.
Die Klägerin teilte mit Schreiben vom 4. September 2012 unter Vorlage des Ablehnungsbescheides der Agentur für Arbeit vom 31. August 2012 mit, dass sie die Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug von Arbeitslosengeld nicht erfülle. Im Monat September 2012 lebe sie von Kreditmitteln aus der Familie. Sie könne, wenn eine vereinbarte Probearbeitszeit gut laufe, zum 1. Oktober 2012 eine neue Anstellung finden. Sie hat weder innerhalb der gesetzten Frist noch bis zum Erlass der angefochtenen Entscheidung zu der Frage Stellung genommen, ob sie die angegebenen Verbindlichkeiten, insbesondere den Bildungskredit und die Studiengebühren tatsä...