Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtswidrige Versagung der Prozesskostenhilfe wegen unvollständiger Angaben im Antragsvordruck. Verletzung gerichtlicher Hinweispflichten und Anspruch auf rechtliches Gehör im Bewilligungsverfahren zur Prozesskostenhilfe

 

Leitsatz (amtlich)

1. Das unvollständige Ausfüllen eines Prozesskostenhilfevordrucks bleibt folgenlos, wenn die Lücken durch beigefügte Anlagen geschlossen werden können und diese hinreichend klar sind (mit BGH IVb ZB 47/85).

2. Bei Mängeln in der Darlegung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse einer PKH-Partei besteht grundsätzlich eine gerichtliche Hinweispflicht.

3. Der Hinweispflicht wird nur durch eine gerichtliche Auflage genügt, die genau bezeichnet, welche konkreten Mängel bei den bislang mitgeteilten Angaben der Partei und ihrer Glaubhaftmachung einer Berücksichtigung entgegenstehen.

 

Leitsatz (redaktionell)

Die richterliche Unabhängigkeit erlaubt es dem Gericht nicht, im Bewilligungsverfahren zur Prozesskostenhilfe selbst zu entscheiden, was entscheidungserheblich ist und was nicht; zur Vermeidung willkürlicher Entscheidungen sind die gesetzlichen Vorgaben zu beachten.

 

Normenkette

ZPO §§ 114, 117 Abs. 2, § 118 Abs. 2 S. 4, § 139; GG Art. 92; ZPO § 114 Abs. 1 S. 1, § 139 Abs. 1; ArbGG § 56 Abs. 2, § 61a Abs. 5

 

Verfahrensgang

ArbG Kiel (Entscheidung vom 19.06.2015; Aktenzeichen 3 Ca 1435 e/14)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Kiel vom 19.06.2015, Aktenzeichen 3 Ca 1435 e/14, abgeändert:

Dem Kläger wird für die erste Instanz mit Wirkung ab 13.08.2014 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seiner Rechtsanwältin H.. F.. bewilligt.

Eine Ratenzahlungsanordnung findet nicht statt.

 

Gründe

I.

Mit seiner Beschwerde wendet sich der Kläger gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe.

Der Kläger erhob unter dem 13.08.2014 Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht Lübeck und beantragte gleichzeitig die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seiner Prozessbevollmächtigten. Dem Antrag war eine unterschriebene, aber bezüglich der Einkommensverhältnisse nicht ausgefüllte Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst einer ausführlichen eidesstattlichen Versicherung zum Nichtvorhandensein von Einkünften (Bl. 7 d. PKH-Akte) und Nachweisen zu den Mietkosten beigefügt.

Das Kündigungsschutzverfahren kam nicht voran. Der Kläger war arbeitsunfähig krank und befand sich u.a. im Krankenhaus. Das Verfahren ruhte rund ein halbes Jahr lang. Am 23.03.2015 fragte das Arbeitsgericht an, ob der Prozesskostenhilfeantrag aufrechterhalten werde. Der amtliche Vordruck sei nicht ausgefüllt (Bl. 13 d. A.). Am 13.05.2015 schlossen die Parteien einen den Prozess beendenden Vergleich.

Zuvor hatte die Prozessbevollmächtigte des Klägers mit Schriftsatz vom 11.05.2015 um einen Hinweis gebeten, falls noch Unterlagen für eine Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag fehlten (Bl. 27 d. A.). Mit Verfügung vom 20.05.2015 übersandte das Arbeitsgericht ihr den im August 2014 eingereichten amtlichen PKH-Vordruck mit der Bitte, diesen bis zum 18.06.2015 ausgefüllt und mit Belegen versehen zurückzusenden (Bl. 15 d. PKH-Akte). Daraufhin vervollständigte der Kläger - soweit möglich - die Angaben in dem Vordruck und reichte ergänzend Belege aus dem Sommer 2014 zur Akte, aus denen hervorging, dass sowohl Jobcenter als auch Krankenkasse wegen ungeklärter Zuständigkeiten und Fragen keine Leistungen erbrachten.

Mit Beschluss vom 19.06.2015 wies das Arbeitsgericht den Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit der Begründung zurück, der Kläger habe nicht angegeben, wovon er seinen Lebensunterhalt bestreite. Es sei nicht glaubhaft, dass er seit einem Jahr kein Geld erhalte (Bl. 28 a der PKH-Akte). Der Beschluss wurde zugestellt am 24.06.2015.

Hiergegen legte der Kläger am 29.06.2015 sofortige Beschwerde ein und erklärte unter Bezugnahme auf eine beigefügte Kopie eines Kontoauszuges, er habe ein Kontoguthaben aufgebraucht. Das Konto sei jetzt im Minus (Bl. 31 f d. PKH - Akte). Diesem Rechtsmittel half das Arbeitsgericht nicht ab und legte die Akte dem Landesarbeitsgericht vor.

Mit Beschluss vom 13.07.2015 gab das Landesarbeitsgericht die Akte zur erneuten Bescheidung des Prozesskostenhilfeantrages unter Beachtung des tatsächlichen Akteninhalts an das Arbeitsgericht zurück. Mit Beschluss vom 27.07.2015 hielt das Arbeitsgericht die Nichtabhilfeentscheidung aufrecht, dieses Mal u.a. mit der Begründung, maßgeblich seien die Einkommensverhältnisse zum Zeitpunkt der Entscheidung, also Sommer 2015 (Bl. 39 d. PKH-Akte). Für diesen Zeitpunkt habe der Kläger aber nichts belegt. Es legte die Akte dem Landesarbeitsgericht erneut vor.

Im Rahmen der Gewährung rechtlichen Gehörs durch das Landesarbeitsgericht überreichte der Kläger nunmehr einen Bewilligungsbescheid der Bundesagentur für Arbeit vom 24.04.2015, wonach der Kläger ab dem 23.02.2015 Arbeitslosengeld in Höhe von 1.035,30 Euro erhält. Gleichzeitig wies er darauf...

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