Entscheidungsstichwort (Thema)
Einigungsstelle. offensichtliche Unzuständigkeit. Vergütung. Einzelfall. kollektive Regelung. generelle Regelung. Anzahl der Beisitzer. Offensichtliche Unzuständigkeit einer Einigungsstelle
Leitsatz (redaktionell)
Offensichtlich unzuständig ist eine Einigungsstelle allgemein immer nur dann, wenn bei fachkundiger Beurteilung durch das Gericht sofort erkennbar ist, dass in der fraglichen Angelegenheit ein Mitbestimmungsrecht der antragstellenden Arbeitnehmervertretung unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt in Frage kommt.
Normenkette
ArbGG § 98 Abs. 1 S. 2; BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 10; ArbGG § 98 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Münster (Entscheidung vom 22.01.2013; Aktenzeichen 2 BV 55/12) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Betriebsrats - unter Zurückweisung der Beschwerde im Übrigen - wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Münster vom 22.01.2013 - 2 BV 55/12 - abgeändert.
Zum Vorsitzenden einer Einigungsstelle betreffend die Entscheidung über die dem Mitarbeiter S1 gewährte Zulage, soweit sie einen Betrag in Höhe von 2.631,60 € brutto pro Monat übersteigt, wird der Richter G1 bestellt.
Die Zahl der von jeder Seite zu benennenden Beisitzer wird auf 2 festgesetzt.
Gründe
A.
Von der eigenen Darstellung des Tatbestandes wird abgesehen (vgl. § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO). Es wird verwiesen auf I. der erstinstanzlichen Gründe.
B.
Die zulässige Beschwerde des Betriebsrates ist in dem aus dem Tenor sich ergebenden Umfang begründet; im Übrigen war sie als unbegründet zurückzuweisen.
I. Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts ist eine Einigungsstelle zur Frage der dem Arbeitnehmer S1 gewährten sog. arbeitsmarktpolitischen Zulage, soweit dadurch ein monatlicher Gesamtvergütungsbetrag in Höhe von 2.631,60 € brutto überschritten wird, einzurichten. Es ist keine offensichtliche Unzuständigkeit im Sinne des § 98 Abs. 1 Satz 2 ArbGG gegeben.
Offensichtlich unzuständig ist eine Einigungsstelle allgemein immer nur dann, wenn bei fachkundiger Beurteilung durch das Gericht sofort erkennbar ist, dass in der fraglichen Angelegenheit ein Mitbestimmungsrecht der antragstellenden Arbeitnehmervertretung unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt in Frage kommt (zuletzt z.B. LAG Hamm, 23.04.2012 - 10 TaBV 19/12; 11.03.2011 - 13 TaBV 8/11; GMP/Matthes/Schlewing, 7. Aufl., § 98 Rn. 8, jew. m.w.N.).Durch die damit verbundene weitgehende Einschränkung der Zuständigkeitsprüfung wird das Bestellungsverfahren nicht mit der gegebenenfalls zeitraubenden Lösung schwieriger rechtlicher Probleme belastet, wodurch wiederum gewährleistet ist, dass den Betriebspartnern bei Meinungsverschiedenheiten möglichst rasch eine formal funktionsfähige Einigungsstelle zur Verfügung steht (BAG, 24.11.1981 - 1 ABR 42/79 - AP BetrVG 1972 § 76 Nr. 11).
Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist die begehrte Einigungsstelle hier nicht offensichtlich unzuständig.
1. Denn schon nach dem auf der Basis des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG ergangenen Spruch der Einigungsstelle vom 12.06.2012 ist die Arbeitgeberin nach dessen § 10.3. gehalten, eine gesonderte Zustimmung des Betriebsrates einzuholen, wenn, wie hier, einem Arbeitnehmer außerhalb der in § 10.2. festgelegten Bandbreite eine arbeitsmarktpolitische Zulage gewährt werden soll. Wird die Zustimmung nicht erteilt, ist die als Ausfluss des Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG entstandene Meinungsverschiedenheit gemäß § 87 Abs. 2 BetrVG von der Einigungsstelle zu entscheiden.
2. Losgelöst davon ist auch nicht sofort erkennbar, dass es sich um einen das Mitbestimmungsrecht des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG ausschließenden Einzelfall handelt.
Nach der zutreffenden Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (zuletzt 07.02.2012 - 1 ABR 63/10 - AP BetrVG 1972 § 87 Ordnung des Betriebes Nr. 42)scheidet eine Mitbestimmung des Betriebsrates nur dann aus, wenn es sich um eine ausschließlich einzelfallbezogene Rechtsausübung handelt, durch die keine kollektiven Interessen der Belegschaft berührt werden. Im Rahmen des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG muss es sich um eine mit Rücksicht auf besondere Umstände des einzelnen Arbeitsverhältnisses getroffene Lohngestaltung handeln, bei der kein innerer Zusammenhang mit der Vergütung anderer Arbeitnehmer bestehen darf (BAG, 29.02.2000 - 1 ABR 4/99 - AP BetrVG 1972 § 87 Lohngestaltung Nr. 105).
Hingegen sind auch mitbestimmungspflichtige generelle Regelungsfragen vorstellbar, wenn zunächst nur ein einzelner Mitarbeiter betroffen ist (BAG GS 03.12.1991 - GS 1 und 2/90 - AP BetrVG 1972 § 87 Lohngestaltung Nr. 51 und 52), sofern dadurch ein präjudizieller Grundsatz für andere bereits tätige oder zukünftige Arbeitnehmer aufgestellt wird. Dies entspricht dem Zweck des genannten Mitbestimmungstatbestandes, das betriebliche Entgeltgefüge angemessen und durchsichtig zu gestalten sowie die Lohn- und Verteilungsgerechtigkeit zu wahren (z.B. BAG, 23.06.2009 - 1 AZR 214/08 - AP BetrVG 1972 § 77 Betriebsvereinbarung Nr. 45).
Danach kann hier im Rahmen der beschränkten Prüfungskompetenz nach § 98 Abs. 1 Satz 2 ArbGG...