Entscheidungsstichwort (Thema)

Zuständiger Rechtsweg für Klagen eines selbständigen Handelsvertreters

 

Leitsatz (amtlich)

1. § 5 Abs. 3 S. 1 ArbGG enthält nur insofern eine Sonderregelung im Verhältnis zum § 5 Abs. 1 ArbGG, als für (selbständige) Handelsvertreter im Sinne des § 84 Abs. 1 HGB der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten nur unter den in § 5 Abs. 3 S. 1 ArbGG genannten Voraussetzungen eröffnet ist. § 5 Abs. 3 S. 1 ArbGG ist also im Verhältnis zu § 5 Abs. 1 S. 2 ArbGG lex spezialis setzt aber voraus, dass tatsächlich ein Handelsvertreterverhältnis im Sinne des § 84 Abs. 1 HGB vorliegt.

2. Die Zulässigkeit des Rechtsweges zu den Arbeitsgerichten ist dagegen nach den sogenannten "Sic-non-Grundsätzen" zu beurteilen, wenn die als Handelsvertreter im schriftlichen Vertrag bezeichnete Person geltend macht, dass "das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung" nicht aufgelöst worden ist. In diesen Fällen reicht für die Annahme der Zulässigkeit des Rechtsweges zu den Arbeitsgerichten die bloße Rechtsansicht aus, dass das Vertragsverhältnis ein Arbeitsverhältnis ist, ohne dass es auf die Schlüssigkeit des Vorbringens ankommt. § 5 Abs. 3 S. 1 HGB steht dem nicht entgegen, weil gerade Streit darüber besteht, ob ein Arbeitsverhältnis oder ein Handelsvertreterverhältnis vorliegt.

 

Normenkette

ArbGG § 5 Abs. 1; HGB § 84 Abs. 1; BGB § 611; ArbGG § 5 Abs. 3

 

Verfahrensgang

ArbG Paderborn (Entscheidung vom 09.07.2014; Aktenzeichen 4 Ca 358/14)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Paderborn vom 09.07.2014 - 4 Ca 358/14 - wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert für die Beschwerde wird auf 3375,00 EUR festgesetzt.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

Die Parteien streiten im Beschwerdeverfahren über die Zulässigkeit des Rechtsweges für die Klage, mit der die Klägerin zum die Feststellungen begehrt, dass zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis besteht und das bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 05.02.2014 aufgelöst worden ist. Außerdem macht die Klägerin unter Berufung auf das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses einen Weiterbeschäftigungsanspruch geltend.

Die Beklagte betreibt ein Callcenter, bei dem sich Produktinteressenten telefonisch melden können. Das Callcenter verabredet dann mit dem Interessenten einen Termin mit einer für das Callcenter in der Nähe des Interessenten aufgrund eines "Handelsvertretervertrages" tätigen Person, die danach am Wohnort des Kunden das Verkaufsprodukt präsentiert.

Die Parteien schlossen unter dem 08.07.2013/10.07.2013 einen als "Handelsvertretervertrag" bezeichneten schriftlichen Vertrag ab, auf dessen Grundlage die Klägerin seit dem 05.08.2013 für die Beklagte tätig war. Wegen der weiteren Einzelheiten dieses Vertrages wird auf Bl. 31 bis 36 d.A. Bezug genommen. Ob die Klägerin für die Beklagte tatsächlich entsprechend dem Wortlaut des Vertrages vom 08.07./10.07.2013 als selbständige Handelsvertreterin oder in persönlicher Anhängigkeit und damit als Arbeitnehmerin tätig war, ist zwischen den Parteien streitig

Mit Schreiben vom 05.02.2014 (Bl. 45 d.A.) kündigte die Beklagte "das bestehende Handelsvertreterverhältnis" mit der Klägerin außerordentlich, hilfsweise ordentlich, innerhalb der Probezeit. Die Kündigung ging der Klägerin am 06.02.2014 zu.

Mit ihrer Klage vom 27.02.2014, eingegangen am selben Tage, begehrt die Klägerin die Feststellung, dass ein Arbeitsverhältnis bestehe und das Arbeitsverhältnis nicht durch die fristlose Kündigung mit der Beklagten beendet worden sei. Die mit der Klageerweiterungen vom 07.03.2014 und 21.03.2014 geltend gemachten Ansprüche hat das Arbeitsgericht Paderborn mit Beschluss vom 09.07.2014 das Verfahren gemäß § 145 ZPO abgetrennt, den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten mit Beschluss vom selben Tag (4 Ca 1134/14) für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit insoweit an das Landgericht Karlsruhe verwiesen. Dieser Beschluss ist Gegenstand des beim Landesarbeitsgericht Hamm unter dem Aktenzeichen 2 Ta 663/14 anhängigen Beschwerdeverfahrens.

Die Klägerin vertritt die Rechtsansicht, dass sie abweichend von dem Wortlaut des Handelsvertretervertrages tatsächlich in persönlicher Abhängigkeit und damit als Arbeitnehmerin für die Beklagte tätig gewesen sei mit der Folge, dass der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten eröffnet sei. Zumindest sei der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten nach der Sonderregelung des § 5 Abs. 3 ArbGG eröffnet.

Die Beklagte ist dagegen der Ansicht, dass das angerufene Arbeitsgericht Paderborn zum Einen deswegen nicht zuständig sei, weil der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten nicht eröffnet sei. Darüber hinaus sei das Arbeitsgericht Paderborn auch örtlich unzuständig.

Die Beklagte ist der Ansicht, dass zwischen den Parteien kein abhängiges Arbeitsverhältnis bestanden habe, weil die Klägerin entsprechend dem Wortlaut des abgeschlossenen Handelsvertretervertrages tatsächlich als selbständige Handelsvertreterin für sie tätig gewesen sei. Da die...

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