Entscheidungsstichwort (Thema)

Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Arbeitsgerichten für eine Klage auf Feststellung, dass ein Arbeitsverhältnis durch eine Kündigung nicht aufgelöst worden ist bei Streit über das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses. Entscheidung des Gerichts bei Nichtbestehen eines Arbeitsverhältnisses

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei einem Antrag "festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die fristlose Kündigung vom ... aufgelöst worden ist", reicht für die Annahme der Zulässigkeit des Rechtsweges zu den Arbeitsgerichten die bloße Rechtsansicht des Klägers aus, dass es sich bei dem Vertragsverhältnis zwischen den Parteien um ein Arbeitsverhältnis handelt, ohne dass es auf die Schlüssigkeit des Tatsachenvorbringens ankommt. Denn in einem solchen Fall ist das Bestehen des Arbeitsverhältnisses - anders als bei dem Antrag "festzustellen, dass das Anstellungsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die fristlose Kündigung vom ... aufgelöst worden ist" eine doppelt relevante Tatsache, von der sowohl die Zulässigkeit des Rechtsweges zu den Arbeitsgerichten als auch die Begründetheit der Feststellungsklage abhängig ist (sog. sic-non-Fall).

2. Handelt es sich bei dem Vertragsverhältnis zwischen den Parteien entgegen der Rechtsansicht des Klägers nicht um ein Arbeitsverhältnis, was zwingend zunächst zu prüfen ist, so ist die Klage als unbegründet ohne Prüfung der Wirksamkeit der Kündigung abzuweisen. Will der Arbeitnehmer auch die Wirksamkeit der fristlosen Kündigung gerichtlich überprüfen lassen, so muss er zumindest hilfsweise den Antrag auf Verweisung des Rechtstreits an die ordentlichen Gerichte stellen.

3. Auf für den Antrag auf Weiterbeschäftigung über den vorgesehenen Beendigungszeitpunkt hinaus ist der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 a ArbGG gegeben, weil auch in diesem Fall das Bestehen des Arbeitsverhältnisses eine doppelt relevante Tatsache ist und daher ein sogenannter sic-non-Fall vorliegt.

 

Normenkette

BGB §§ 626-627; ArbGG § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a), Buchst. b), Abs. 3

 

Verfahrensgang

ArbG Herford (Entscheidung vom 06.06.2018; Aktenzeichen 2 Ca 328/18)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Herford vom 06.06.2018 - 2 Ca 328/18 abgeändert und der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten für zulässig erklärt.

Die Kosten der sofortigen Beschwerde trägt die Beklagte.

Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 30.000 € festgesetzt.

 

Gründe

I.

Die Parteien streiten in der Beschwerdeinstanz um die Zulässigkeit des Rechtsweges zu den Arbeitsgerichten für die vom Kläger erhobene Klage auf Feststellung, dass das zwischen den Parteien bestehende faktische Arbeitsverhältnis nicht durch die fristlose Kündigung der Beklagten 07.03.2018 aufgelöst worden ist, und einen Weiterbeschäftigungsanspruch des Klägers .

Die Beklagte ist ein Unternehmen im Bereich Herstellung und Vertrieb von Erzeugnissen aus Kunststoff aller Art sowie von Kunststoff-Metallartikeln aller Art und beschäftigt mehr als 10 Arbeitnehmer. Sie ist in einem weltweit agierenden Konzern, die O Group mit Hauptsitzen in N und D bei Paris, als eine von vielen Beteiligungsgesellschaften bzw. einer von vielen Produktionsstandorten eingebunden. Die Geschäftstätigkeit der O Group ist in länderübergreifende Geschäftseinheiten organisiert.

Nachdem die N1 Group im Dezember 2016 die amerikanische Firma L Group, zu der auch die Beklagte, damals unter der Firma L GmbH firmierend, gehörte, übernahm, stellte sich heraus, dass der Standort M ein "echter Verlustbringer" war, so dass die Entscheidung getroffen wurde, die Gründe dafür zu analysieren, Lösungskonzepte zu erarbeiten und umzusetzen. Vor diesem Hintergrund schlossen am 24.07.2017 die Firma I G GmbH und die Beklagte einen "auftragsbezogenen Vertrag über Beratungs- und Interim-Managementdienstleistungen". Wegen der weiteren Einzelheiten dieses Vertrages wird auf Bl. 29 ff. d. A. Bezug genommen.

Die Firma I G GmbH (im Folgenden G GmbH), deren Geschäftsführer der Kläger ist, nahm die vereinbarte Tätigkeit am 29.07.2017 auf.

Mit Schreiben vom 07.03.2018 kündigte die Beklagte gegenüber der G GmbH den "auftragsbezogenen Vertrag" vom 24.07.2017, der bis zum 28.01.2019 befristet war, gemäß § 627 BGB "mit sofortiger Wirkung".

Gegen diese Kündigung verbunden mit einem Antrag auf Weiterbeschäftigung wehrt sich der Kläger im vorliegenden Verfahren.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, dass entgegen dem Wortlaut des schriftlichen Vertrages vom 24.07.2017 er aufgrund der gelebten Praxis in Wirklichkeit kein freier Mitarbeiter der Beklagten gewesen sei. Vielmehr sei er aufgrund der tatsächlichen Vertragsabwicklung ein fest im Unternehmen der Beklagten eingegliederter, fester Mitarbeiter, der nach Ort, Zeit und Art der Tätigkeit weisungsabhängig gewesen sei. Nachdem der Kläger zunächst auch die Verurteilung der Beklagten zur Anmeldung bei dem Sozialversicherungsträger begehrt hat, hat er diesen Antrag zurückgenommen und...

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