Entscheidungsstichwort (Thema)
Streitwert bei Erledigung durch Prozessvergleich. Berücksichtigung eines unechten Hilfsantrags auf Weiterbeschäftigung und eines echten Hilfsantrags auf Zahlung eines Nachteilsausgleichs
Leitsatz (amtlich)
Zur Streitwertfestsetzung bei Erledigung durch Prozessvergleich. Voraussetzungen der Berücksichtigung eines unechten Hilfsantrags auf Weiterbeschäftigung und eines echten Hilfsantrags auf Zahlung wegen eines Nachteilsausgleichsanspruchs.
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein im Kündigungsschutzverfahren anhängiger Beschäftigungsantrag wird regelmäßig als unechter Hilfsantrag gestellt sein, da dies dem Interesse der Partei an einer sachbezogenen und interessengerechten Prozessführung erkennbar am besten entspricht.
2. Haben die Parteien das Verfahren durch Abschluss eines Vergleichs beendet, in dem sie auch Regelungen zur Beschäftigungs- und Freistellungsfrage getroffen haben, so ist der Weiterbeschäftigungsantrag mit einem Monatsgehalt zu berücksichtigen.
3. Ein Antrag auf Zahlung einer Abfindung als Nachteilsausgleich gem. § 113 Abs. 1 u. 3 BetrVG ist grundsätzlich als eigener, gegenüber dem Kündigungsschutzbegehren gesondert zu verfolgender Streitgegenstand zu bewerten, da er anders als der Abfindungsanspruch nach §§ 9, 10 KSchG die Unwirksamkeit der Kündigung gerade voraussetzt.
Normenkette
GKG § 42 Abs. 2 S. 1, § 45 Abs. 4; BetrVG § 113
Verfahrensgang
ArbG Paderborn (Entscheidung vom 03.03.2018; Aktenzeichen 1 Ca 81/18) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 10. März 2018 wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Paderborn vom 3. März 2018 - 1 Ca 81/18 - abgeändert.
Der Streitwert wird für Verfahren und Vergleich auf 68.821,61 € festgesetzt.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist die Wertfestsetzung für ein durch Prozessvergleich im Gütetermin erledigtes Bestandsschutzverfahren.
I.
Der Kläger war seit dem 1. Juli 2000 bei der Beklagten, die IT-Dienstleistungen für Mobilfunkanbieter erbringt, gegen ein monatliches Bruttoentgelt in Höhe von zuletzt durchschnittlich 3.622,19 € als "Senior System Engineer" tätig. Die Beklagte beschäftigte am Standort Q, dem Arbeitsort des Klägers, rund 65 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Für den Betrieb war ein Betriebsrat gewählt. Unter dem 29. Dezember 2017 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis unter Hinweis auf ihre Absicht, den Betrieb zum 31. Dezember 2017 stillzulegen und danach nur noch Rest-, Abwicklungs- und Übergabearbeiten durchführen zu lassen, betriebsbedingt zum 30. Juni 2018.
Mit am 15. Januar 2018 beim Arbeitsgericht eingereichter Klageschrift wandte sich der Kläger mittels eines punktuellen Kündigungsschutzantrags nach § 4 S. 1 KSchG gegen diese Kündigung und kündigte parallel einen allgemeinen Feststellungsantrag sowie einen auf den allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruch gestützten Beschäftigungsantrag an. Ferner machte er durch weiteren Antrag - ausdrücklich hilfsweise für den Fall der Abweisung des Kündigungsschutzantrags - einen Zahlungsanspruch in Höhe von 54.332,85 € nebst Zinsen geltend. Falls die Kündigung rechtswirksam sei, stehe ihm auf der Grundlage des § 113 BetrVG ein Nachteilsausgleichsanspruch dieser Höhe zu. Denn die Beklagte habe die streitgegenständliche Kündigung ausgesprochen, bevor die mit dem Betriebsrat geführten Verhandlungen über den Abschluss eines Interessenausgleichs und Sozialplans abgeschlossen gewesen seien. Selbige wären gegen Jahresende 2017 unterbrochen worden, um sie im Januar 2018 fortzusetzen.
Im Gütetermin vom 30. Januar 2018 schlossen die Parteien einen Prozessvergleich, auf den wegen der dort geregelten Gegenstände im Einzelnen vollinhaltlich Bezug genommen wird.
Hier vereinbarten die Parteien unter anderem die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses zum 31. Juli 2018 (Ziffer 1 des Vergleichs) und regelten die Fragen von Dauer und Inhalt der verbleibenden, vom Kläger zu leistenden Tätigkeiten sowie einseitige Freistellungsmöglichkeiten der Beklagten und eine zeitlich danach greifende Freistellungsverpflichtung (Ziffern 15 u. 16). Ziffer 17 bestimmt daneben die Modalitäten der Erteilung eines Zwischen- und Endzeugnisses und legt insoweit Inhalte, nicht aber eine bestimmte Beurteilungsstufe fest. Die unter Ziffer 5 vereinbarte Abfindung in Höhe von 33.499,71 € brutto soll, so Ziffer 12 dem Wortlaut nach, "insgesamt die Nachteile aus dem Verlust des Arbeitsplatzes ausgleichen". Ziffer 25 bringt den Willen der Parteien zum Ausdruck, "mit diesem Vergleich...ihre gesamten Rechtsbeziehungen zu regeln" und formuliert dazu eine sogenannte große Ausgleichsklausel bezogen auf die wechselseitigen Ansprüche "aus und im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung".
Auf Antrag der Prozessbevollmächtigten des Klägers (Beschwerdeführer) setzte das Arbeitsgericht den Streitwert mit Beschluss vom 3. März 2018 für das Verfahren auf 14.488,76 € (4 Monatseinkommen) und für den Vergleich auf 18....