Entscheidungsstichwort (Thema)

Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe wegen Rückstandes mit den angeordneten Raten. Berücksichtigung des Kindergeldes als Einkommen. Berücksichtigung der Kosten für eine Glasversicherung, der Beiträge für eine Kindertagesstätte und die dortige Mittagsverpflegung und der Kosten der Unterkunft bei der Ermittlung des für die Prozessführung einzusetzenden Einkommens

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein verschuldeter Ratenrückstand im Sinne des § 124 Abs. 1 Nr. 5 ZPO liegt nicht vor, wenn die Ratenfestsetzung selbst zu hoch erfolgt ist (vgl. LAG Hamm 3. März 2010 - 14 Ta 649/09).

2. Kindergeld ist als Einkommen demjenigen Elternteil zuzurechnen, an den es ausgezahlt wird, nicht dagegen dem Kind (vgl. LAG Hamm 9. Februar 2016 - 14 Ta 370/15).

3. Beiträge für eine Glasversicherung sind, obwohl es sich um eine gesetzlich nicht vorgeschriebene Versicherung handelt, gemäß § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 a) ZPO i. V. m. § 82 Abs. 2 Nr. 3 SGB XII als angemessene Versicherung absetzbar.

4. Beiträge für den Kindergarten bzw. für Kindertagesstätten und für die dortige Mittagsverpflegung sind als besondere Belastung gemäß § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 ZPO zu berücksichtigen.

5. Sowohl bei den gemeinsam getragenen besonderen Belastungen im Sinne von § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 ZPO als auch bei den Kosten der gemeinsamen Unterkunft ist für die Berechnung des von dem Einkommen abzusetzenden Betrages auf das Verhältnis der ohne weitere Abzüge nach § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 b) bis 5 ZPO zur Verfügung stehenden Nettoeinkommen der im gemeinsamen Haushalt lebenden, verdienenden Bewohner abzustellen (vgl. LAG Hamm 6. März 2012 - 14 Ta 629/11).

6. Eine gemäß § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 ZPO zu berücksichtigende besondere Belastung liegt auch in Unterhaltslasten, die eine Partei für ihre Lebensgefährtin oder ihren Lebensgefährten erbringt. Voraussetzung ist, dass bei einer möglichen Beantragung von Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) durch die Partnerin bzw. den Partner die Einkünfte der Partei, welche Prozesskostenhilfe beantragt, im Rahmen einer Bedarfsgemeinschaft angerechnet werden würden (vgl. auch LAG Hamm 16. September 2018 - 5 Ta 11/18).

7. Der Abzugsbetrag richtet sich der Höhe nach dem Freibetrag für Ehegatten bzw. eingetragene Lebenspartner gemäß § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 a) ZPO.

8. Eigene Einkünfte der Lebensgefährtin bzw. des Lebensgefährten sind gemäß § 115 Abs. 1 Satz 7 ZPO zu berücksichtigen. Das anzurechnende Einkommen ist dabei grundsätzlich wie das Einkommen der antragstellenden Partei selbst nach § 115 ZPO zu berechnen, mit Ausnahme des Freibetrages zugunsten des gemeinsamen unterhaltsberechtigten Kindes (vgl. LAG Hamm 6. März 2012 - 14 Ta 629/11).

9. Im Falle eines Abänderungsantrages der Partei hinsichtlich der festgesetzten Raten sind - bei Vorliegen einer wesentlichen Veränderung - die bestehenden persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse unter Einschluss aller auch bereits zum Zeitpunkt der Bewilligung bestehenden, aber bislang nicht geltend gemachten Belastungen zu prüfen (vgl. LAG Hamm 3. März 2010 - 14 Ta 649/09).

10. Maßgeblich für den Zeitpunkt der Änderung ist nicht deren Mitteilung an das Gericht, sondern der Zeitpunkt ihres Eintritts, weshalb eine Ratenzahlungsanordnung rückwirkend ab diesem Zeitpunkt zu ändern ist (vgl. LAG Hamm 19. Oktober 2015 - 5 Ta 395/15; 20. September 2013 - 14 Ta 448/13)

 

Normenkette

ZPO §§ 115, 120a, 124 Abs. 1 Nr. 5

 

Verfahrensgang

ArbG Bielefeld (Entscheidung vom 31.07.2018; Aktenzeichen 3 Ca 2293/17)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 31. Juli 2018 aufgehoben.

Es verbleibt - vorbehaltlich einer Entscheidung des Arbeitsgerichts über den Abänderungsantrag des Klägers vom 8. September 2018 - bei der durch Beschluss vom 15. Januar 2018 bewilligten Prozesskostenhilfe.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

Die gemäß § 11 Abs. 1 RPflG, § 46 Abs. 2 Satz 3, § 78 Satz 1 ArbGG, § 127 Abs. 2 Satz 2 und 3, §§ 567 ff. ZPO zulässige sofortige Beschwerde des Klägers ist begründet. Sein Rückstand mit der Zahlung der Raten seit dem Monat April 2018 ist nicht verschuldet, was eine Aufhebung der Prozesskostenhilfebewilligung ausschließt.

1. Nach § 124 Abs. 1 Nr. 5 ZPO kann das Gericht die Bewilligung der Prozesskostenhilfe aufheben, wenn die Partei länger als drei Monate mit der Zahlung einer Monatsrate in Rückstand ist. Nach ihrem Wortlaut setzt die Vorschrift nur einen “Rückstand„ voraus. Zwar ist streitig, ob damit ein - schuldhafter - Verzug gemeint ist oder das Gericht lediglich im Rahmen der von ihm zu treffenden Ermessensentscheidung zu berücksichtigen hat, ob der Rückstand unverschuldet ist (vgl. Nachweise bei BGH 9. Januar 1997 - IX ZR 61/94 - II. 2. a) der Gründe). Nach übereinstimmender Meinung darf aber die Prozesskostenhilfebewilligung nicht aufgehoben werden, wenn die unterbliebene Ratenzahlung nicht auf einem Verschulden der bedürftigen Partei beruht (vgl....

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