Entscheidungsstichwort (Thema)

Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit für einen Antrag auf Abbruch einer Betriebsratswahl

 

Leitsatz (redaktionell)

Bei einem im Wege einer einstweiligen Verfügung erstrebten Abbruch eines laufenden Betriebsratswahlverfahrens ist der volle und nicht nur der halbe Wert eines entsprechenden Anfechtungsverfahrens zugrunde zu legen. Dabei ist der in § 23 Abs. 3 S. 2 RVG festgelegte Ausgangswert von 5.000 EUR zu verdoppeln und außerdem für jede weitere Stufe des § 9 Abs. 1 BetrVG um 2.500 EUR zu erhöhen (hier: 68 Arbeitnehmer, daher 15.000 EUR).

 

Normenkette

RVG § 23 Abs. 3 S. 2 Hs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Gelsenkirchen (Entscheidung vom 14.10.2014; Aktenzeichen 4 BVGa 10/14)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten des zu 1) beteiligten Wahlvorstandes wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Gelsenkirchen vom 14.10.2014 - 4 BVGa 10/14 - abgeändert.

Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit wird auf 15.000,-- € festgesetzt.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.

 

Gründe

A.

Im Ausgangsverfahren wurde im Wege der einstweiligen Verfügung die Unterlassung verlangt, das für eine Einheit mit 68 Arbeitnehmern laufende Betriebsratswahlverfahren fortzusetzen. Dem Begehren wurde durch eine rechtskräftige Entscheidung des Arbeitsgerichts stattgegeben.

Auf Antrag der Verfahrensbevollmächtigten des zu 1) beteiligten Wahlvorstandes hat das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 14.10.2014 den Gegenstandswert auf 7.500,-- € (halber Wert eines Anfechtungsverfahrens) festgesetzt.

Dagegen wenden sich die genannten Verfahrensbevollmächtigten mit ihrer Beschwerde. Sie sind der Ansicht, es müsse ein Wert in Höhe von 15.000,-- € angesetzt werden.

B.

Die gemäß § 33 RVG zulässige Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten des zu 1) beteiligten Wahlvorstandes ist begründet. Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts war der Gegenstandswert auf 15.000,-- € festzusetzen.

Nach der einschlägigen Auffangvorschrift des § 23 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 RVG mit ihrem außerordentlich weiten Bewertungsrahmen und dem Hilfswert in Höhe von derzeit 5.000,00 Euro ist die Rechtsprechung vor die Aufgabe gestellt, die im Beschlussverfahren infrage kommenden Streitgegenstände in ein Bewertungssystem einzubinden, das adäquate Abstufungen zulässt und zugleich tragenden Grundsätzen des Arbeitsgerichtsprozesses ausreichend Rechnung trägt; erforderlich ist die Herausarbeitung typisierender Bewertungsgrundsätze, um zu einer gleichförmigen und damit den Gleichbehandlungsgrundsatz wahrenden Rechtsanwendung zu gelangen.

Maßgeblich ist allerdings immer die "Lage des Falles"; es bedarf also einer auf die konkreten Umstände des einzelnen Verfahrens abgestellten Wertfestsetzung.

Was die maßgeblichen Einzelfallumstände angeht, kann auf die vergleichbare Regelung zur Bewertung nichtvermögensrechtlicher Streitigkeiten in § 37 Abs. 2 Satz 2 RVG i.V.m. § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG zurückgegriffen werden, wonach es in erster Linie auf die Bedeutung der Angelegenheit ankommt (vgl. BVerfG NJW 1989, 2047; siehe auch § 48 Abs. 2 Satz 1 GKG).

Maßgeblich ist die Tragweite der begehrten gerichtlichen Entscheidung für die materielle und ideelle Stellung der Betroffenen. Dabei ist allein auf das Begehren und die dazu gegebene Begründung des Antragstellers abzustellen, nicht auf die Erfolgsaussichten und den Vortrag der Gegenseite (z.B. LAG Hamm, 02.08.2010 - 10 Ta 269/10; 25.06.2010 - 10 Ta 163/10; Brinkmann, JurBüro 2010, 119, 122 m.w.N.).

Unter Anwendung dieser Grundsätze hält es die Kammer entgegen der Empfehlung der Streitwertkommission der Arbeitsgerichtsbarkeit unter II. 2.2 des aktuellen Streitwertkatalogs (NZA 2014, 745, 747) unverändert für sachgerecht, bei einer im Wege einer einstweiligen Verfügung erstrebten Unterlassung, ein laufendens Betriebsratswahlverfahren fortzusetzen, den vollen und nicht nur den halben Wert eines entsprechenden Anfechtungsverfahrens (einschließlich der Prüfung der Nichtigkeit) zugrunde zu legen (vgl. zuletzt LAG Hamm, 15.09.2014 - 13 Ta 434/14; 11.08.2014 - 7 TaBVGa 17/14 und 7 TaBVGa 19/14; 08.08.2014 - 13 TaBVGa 12/14).

Dies folgt zwingend aus der Tragweite der begehrten gerichtlichen Entscheidung für die materielle und ideelle Stellung der Betroffenen.

Eine Betriebsratswahl kann nämlich nach der zutreffenden Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (27.07.2011 - 7 ABR 61/10 - AP BetrVG 1972 § 16 Nr. 2) nur im Falle der Nichtigkeit abgebrochen werden. So ist eine darauf gerichtete gerichtliche Entscheidung in ihrer Bedeutung der Feststellung der Nichtigkeit einer stattgefundenen Betriebsratswahl in einem Hauptsacheverfahren gleichzusetzen. Bei der Stattgabe eines entsprechenden Antrages kommt es in beiden Fällen nicht zur wirksamen Errichtung eines Betriebsrates, wobei mit der auf eine Befriedigung gerichteten einstweiligen Verfügung das Hauptsacheverfahren vorweggenommen wird (vgl. II. 7.1 des aktuellen Streitwertkatalogs, NZA 2014, 245, 248).

So hatte auch vorliegend die Entscheidung des Arbeitsgerichts in der Hauptsa...

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