Entscheidungsstichwort (Thema)
Mitarbeiterbeteiligungsgesellschaft als Sozialeinrichtung i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 4 b ArbGG sein. Rechtsweg gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 4 a und b ArbGG für Schadensersatzansprüche gegen Treuhand-Verwalterin
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine Mitarbeiterbeteiligungsgesellschaft kann als Sozialeinrichtung i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 4b ArbGG verstanden werden. Der Begriff „Sozialeinrichtung” gem. § 2 Abs. 1 Nr. 4b ArbGG ist mit dem gleichlautenden Begriff in § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG identisch. Danach wird unter Sozialeinrichtung ein zweckgebundenes Sondervermögen mit abgrenzbarer, auf Dauer gerichteter besonderer Organisation verstanden, das eine rechtliche und tatsächliche Verwaltung verlangt.
2. Für Schadensersatzansprüche gegen die Treuhand-Verwalterin der Mitarbeiterbeteiligung wegen unterbliebener Insolvenzsicherung der geleisteten Einlagen ist der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 4 a und b ArbGG eröffnet.
Normenkette
ArbGG § 2 Abs. 1 Nrn. 4a, 4b, Abs. 3, § 3
Verfahrensgang
ArbG Hamm (Beschluss vom 13.03.2007; Aktenzeichen 3 Ca 620/07 L) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Hamm vom 13.03.2007 – 3 Ca 620/07 L – abgeändert.
Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen wird für zulässig erklärt.
Die Beklagten haben die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 945,74 EUR festgesetzt.
Tatbestand
I
Die Klägerin nimmt die Beklagten auf Ersatz des Schadens in Anspruch, der ihr durch den Verlust ihrer nicht insolvenzgesicherten Beteiligung an der Firma S5 M1 GmbH & Co. KG entstanden ist.
Die Klägerin war seit dem 01.01.1997 bei der Firma S5 M1 GmbH & Co. KG, die etwa 100 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beschäftigte und sich mit der Herstellung und dem Vertrieb von Polstermöbeln befasste, als Buchhalterin tätig. Über das Vermögen der Firma S5 M1 GmbH & Co. KG wurde am 01.10.2005 das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Beklagte zu 2) ist zum Insolvenzverwalter bestellt worden. Er wird von der Klägerin hilfsweise auf Abtretung von fälligen Forderungen der Insolvenzmasse in Anspruch genommen.
Die von der Klägerin gleichzeitig gegen die Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin gerichtete Klage ist vom Arbeitsgericht abgetrennt worden.
Die Klägerin hat sich seit 1997 mit Bestandteilen ihrer Arbeitsvergütung im Rahmen des § 2 Abs. 1 VermBiG an der Firma S5 M1 GmbH & Co. KG beteiligt. Dies geschah aufgrund eines ihr von der Beklagten zu 1) im Namen der Insolvenzschuldnerin unterbreiteten Beteiligungsangebots. Darin heißt es:
„Jeder Mitarbeiter ist berechtigt, sich am Unternehmen über eine Mitarbeiter-Beteiligungs-GmbH als stiller Gesellschafter zu beteiligen.”
Im Rahmen der zeichnungsfähigen Einlagen zahlte die Klägerin aus der ihr zustehenden Vergütung jährlich jeweils 511,29 EUR in die Mitarbeiter-Beteiligungs-GmbH ein, welche die geleisteten Einlagen im Namen und für Rechnung der beteiligten Mitarbeiter verwaltete. Insgesamt betrug das eingebrachte Vermögen im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung 259.212,92 EUR. Die Klägerin beziffert ihren Anteil mit 3.152,48 EUR.
Die Beklagte zu 2) schloss mit der S5 M1 GmbH & Co. KG sowie der S5-Mitarbeiter-Beteiligungs-GbR einen Vertrag über die Verwaltung der S5-Mitarbeiter-Beteiligung. Wegen der Einzelheiten des Treuhandverwaltungsvertrages wird auf Bl. 24 bis 32 d.A. Bezug genommen.
Die Klägerin meint, aufgrund des ihr unterbreiteten Beteiligungsangebots sei sie von einer Insolvenzsicherung der geleisteten Einlagen ausgegangen, denn dort heiße es, dass die Mitarbeiter-Beteiligungs-GmbH Anspruch auf bankübliche Absicherung der geleisteten Einlagen, z.B. durch stille Zession fälliger Forderungen aus Lieferungen an Kunden habe. Auch auf Betriebsversammlungen sei von den Geschäftsführern der Insolvenzschuldnerin mehrfach versichert worden, dass die Mitarbeiterbeteiligungen gegen insolvenzbedingten Ausfall gesichert seien.
Die Beklagten zu 1) und 2) haben die Unzuständigkeit der Arbeitsgerichte gerügt.
Demgegenüber meint die Klägerin, der gegen die Beklagte zu 1) gerichtete Anspruch stehe in einem untrennbaren Zusammenhang mit ihren Schadensersatzansprüchen gegen die ehemaligen Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin, so dass der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten gemäß § 2 Abs. 3 ArbGG gegeben sei. Der Beklagte zu 2) sei an die Stelle der Insolvenzschuldnerin getreten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat durch Beschluss vom 13.03.2007 den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten nicht eröffnet und den Rechtsstreit an das Amtsgericht Lippstadt verwiesen. Zur Begründung seines der Klägerin am 31.05.2007 zugestellten Beschlusses hat es ausgeführt, die Gerichte für Arbeitssachen seien nicht zuständig, weil zwischen den Parteien keine arbeitsvertraglichen Beziehungen bestanden hätten. Die behaupteten unerlaubten Handlungen der Beklagten zu 1) stünden nicht in einem Zusammenhang mit dem ...