Entscheidungsstichwort (Thema)

Ein- und Umgruppierung Punktionskräfte. Fehlende Vergütungsordnung. Bestehende bewusste Tariflücke

 

Leitsatz (redaktionell)

Eine bestehende Tariflücke kann nicht durch die Gerichte für Arbeitssachen geschlossen werden, wenn eine bewusste Tariflücke vorliegt.

 

Normenkette

BetrVG § 99; TVÜ-VKA § 17 Abs. 1 S. 1; ÜTV-E-BSD § 2 S. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Münster (Entscheidung vom 17.01.2013; Aktenzeichen 2 BV 40/12)

 

Nachgehend

BAG (Beschluss vom 18.11.2015; Aktenzeichen 4 ABR 24/14)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Betriebsrats wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Münster vom 17.01.2013 - 2 BV 40/12 - abgeändert.

Die Anträge werden abgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

A.

Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Zustimmungsersetzungsverfahrens (noch) um die zutreffende Ein- bzw. Umgruppierung sogenannter Punktionskräfte.

Die antragstellende Arbeitgeberin betreibt einen Blutspendedienst und beschäftigt in ihrem Betrieb in N ca. 300 Arbeitnehmer. Es besteht ein Betriebsrat.

In der Vergangenheit traf die Arbeitgeberin Tarifabschlüsse einerseits mit der Gewerkschaft ver.di und andererseits mit den Arbeitnehmerorganisationen DHV und medsonet, wobei den Mitarbeitern ein Wahlrecht hinsichtlich des für ihr Arbeitsverhältnis einschlägigen Tarifwerks eingeräumt wurde. Die mit dem DHV und medsonet abgeschlossenen Tarifverträge wurden arbeitgeberseits am 05.08.2011 zum 31.12.2011 fristgerecht gekündigt.

Kurz zuvor am 26.07.2011 war es unter Beteiligung der Arbeitgeberin, die mit Wirkung ab 01.03.2011 dem Kommunalen Arbeitgeberverband Nordrhein-Westfalen (KAV NW) beigetreten war, mit der Gewerkschaft ver.di zum Abschluss eines Tarifvertrages zur Überleitung der Beschäftigten der E-Blutspendedienst West gGmbH in den TVöD und zur Regelung des Übergangsrechts (ÜTV-E-BSD) gekommen. Dieser am 01.08.2011 in Kraft getretene Tarifvertrag trifft u.a. folgende Regelungen:

"§ 2

Ablösung bisheriger Tarifverträge durch den TVöD-V

Der TVöD-V und die diesen ergänzenden sonstigen Tarifverträge der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) sowie des KAV NW ersetzen alle bisherigen sonstigen tarifvertraglichen Regelungen und die aufgrund bisheriger Tarifregelungen begründeten Ansprüche, soweit sich aus diesem Tarifvertrag nicht etwas anderes ergibt.

...

§ 3

Zuordnung zu einer Entgeltgruppe

Für die Überleitung werden die Beschäftigten entsprechend einer zwischen den Tarifvertragsparteien abgestimmten Anlage zur Niederschriftserklärung der dort genannten Entgeltgruppe zugeordnet. Die Tarifvertragsparteien gehen insbesondere von der Richtigkeit der dort genannten Zuordnung aus.

Niederschriftserklärung zu § 3:

Die Zuordnung nach § 3 zu den jeweiligen Entgeltgruppen dient der Überleitung und wirkt insofern in Bezug auf die nach der Eingruppierungsordnung des TVöD-V i.V.m. § 17 TVÜ-VKA anzuwendenden Eingruppierungsvorgänge nicht präjudizierend."

In einer "Verhandlungsniederschrift über die Tarifverhandlungen am 26. Juli 2011 in Düsseldorf" heißt es u.a.:

"Zur Eingruppierungszuordnungsanlage:

...

Für Beschäftigte nach DHV-TV, die als Punktionskräfte eingesetzt sind und für die zwischen den Tarifvertragsparteien keine Einigkeit über die Zuordnung besteht, wird - ohne Präjudiz - eine Eingruppierung nach Entgeltgruppe 6 vorgenommen. Die Gewerkschaft ver.di erklärt hierzu, dass sie für diese Beschäftigten und alle anderen Beschäftigten, die gleiche oder gleichwertige Tätigkeiten als Punktionskräfte ausüben, eine Mindesteingruppierung in die Entgeltgruppe 8 gefordert hat, die sich in den Verhandlungen nicht durchsetzen ließ."

Wegen des weiteren Inhalts des Tarifvertrages und der Verhandlungsniederschrift wird verwiesen auf die mit Schriftsatz des Betriebsrates vom 28.08.2012 eingereichten Kopien (Bl. 40 ff. d. A.).

Bei der Arbeitgeberin sind zahlreiche sogenannte Punktionskräfte beschäftigt. Deren Aufgabenbereich umfasst nach der ab 01.01.2011 bei der Arbeitgeberin geltenden Arbeitsplatzbeschreibung folgende Tätigkeiten:

  • -

    "Überprüfung der Identität des Spendewilligen an der Spendeliege durch Abfrage von Namen, Vornamen und Geburtsdatum, die der Spender aktiv nennen muss

  • -

    Information und Aufklärung der Spendewilligen

  • -

    Überprüfung der eindeutigen Nummernzuweisung durch Sicherstellung der Übereinstimmung identischer Barcode-Etiketten auf dem Beutelset, dem Spendenformular, sowie auf den Untersuchungsröhrchen

  • -

    Desinfektion der Punktionsstelle nach Vorgabe der jeweils geltenden Hygienevorschriften

  • -

    Punktion und Einleitung der Entnahme

  • -

    Abnahme der Blutkonserve

  • -

    elektronische Erfassung der Spender- und Konservenmerkmale ("Scannen")

  • -

    Nachbearbeitung der Konserve und Einsortieren der Laborröhrchen

  • -

    Dokumentation

  • -

    Medizinische Überwachung des Spenders während und nach der Blutspende

  • -

    Notfallmanagement inklusive Dokumentation ggf. mit Übergabe an den Entnahmearzt

  • -

    Spenderinformation über das Verhalten während und nach der Spende

  • -

    Sämtliche Aufgaben des Teamhelfers sowie falls erforderlich auch der E-Helfer

  • -

    Unterstützung der ehrenamtliche...

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