Entscheidungsstichwort (Thema)
Wertfestsetzung Klageantrag Durchführung BEM. Anspruch auf BEM vermögensrechtlicher Art im Sinne des § 48 Abs. 1 GKG
Leitsatz (redaktionell)
Der Klageantrag auf Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM) ist ein Anspruch vermögensrechtlicher Art im Sinne des § 48 Abs. 1 GKG, da er auf die Anpassung des Arbeitsverhältnisses und die Vermeidung von Kündigungsfolgen gerichtet ist.
Normenkette
SGB IX § 167 Abs. 2; RVG § 32 Abs. 2; GKG § 42 Abs. 2 S. 1, §§ 48, 63
Verfahrensgang
ArbG Iserlohn (Entscheidung vom 28.08.2020; Aktenzeichen 3 Ca 794/20) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 14. September 2020 wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Iserlohn vom 28. August 2020 - 3 Ca 794/20 - abgeändert. Der Verfahrens- und Vergleichswert wird auf 7.764,00 € festgesetzt.
Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist die Wertfestsetzung für ein durch Prozessvergleich erledigtes Klageverfahren erster Instanz.
I.
Die Klägerin ist seit dem 2. Juni 1997 bei der Beklagten als Qualitätsprüferin beschäftigt und in der Endkontrolle eingesetzt. Das monatliche Bruttoentgelt beträgt im Durchschnitt 3.882,00 €. Nach mehrmonatiger Arbeitsunfähigkeit entzündete sich gegen Ende des Jahres 2019 zwischen den Parteien Streit über ein Teilzeitverlangen der Klägerin und die Frage einer ordnungsgemäßen und zielgerichteten Durchführung des Betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM).
Mit am 9. April 2020 beim Arbeitsgericht Iserlohn anhängig gemachter Klage begehrte die Klägerin im Wege der objektiven Klagehäufung zu 1. ihre tatsächliche Beschäftigung unter bestimmten Modalitäten und zu 2. der Beklagten die Durchführung des BEM aufzugeben.
Die Parteien beendeten das Klageverfahren durch Prozessvergleich, dessen Zustandekommen und Inhalt das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 24. August 2020 gem. § 278 Abs. 6 ZPO feststellte. Mit weiterem Beschluss vom 28. August 2020 setzte es den Verfahrens- und Vergleichswert auf jeweils insgesamt 3.882,00 € fest (ein Monatseinkommen).
Gegen diese Festsetzung wenden sich die Beschwerdeführer mit ihrem am 14. September 2020 aus eigenem Recht aufgerufenen Behelf. Nach ihrer Auffassung ist allein der Antrag zu 2. (BEM) als Streitantrag nichtvermögensrechtlicher Art mit dem "Auffangwert" in Höhe von 5.000,00 € zu bewerten, dies zuzüglich des aus dem Antrag zu 1. folgenden Einzelwertes.
Hinsichtlich des Sach- und Streitstands im Übrigen und wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten des Beschwerdeverfahrens wird ergänzend auf den Inhalt der Prozessakte verwiesen.
II.
Die nach § 32 Abs. 2 RVG i. V. m. §§ 63 Abs. 2, 68 Abs. 1 S. 1 GKG an sich statthafte, rechtzeitig erhobene und im Übrigen zulässige Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Klägerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Iserlohn vom 28. August 2020 hat in der Sache nur zum Teil Erfolg.
1. Zur Begründung bezieht sich die Beschwerdekammer auf ihren ausführlichen rechtlichen Hinweis vom 6. November 2020, dessen Inhalt darüber zum tragenden Bestandteil dieser Entscheidung wird. Danach bemessen sich die Einzelwerte beider Anträge, die mit der Beschäftigung und der Durchführung eines BEM zwei unterschiedliche Lebenssachverhalte und Interessen ansprechen, jeweils nach dem Monatseinkommen der Klägerin und sind zum Zwecke der Bestimmung des Gesamtwerts nach § 39 Abs. 1 GKG zu addieren.
2. Soweit die Beschwerde weiterhin die Auffassung vertritt, der auf das BEM gerichtete Streitantrag sei im Sinne des § 48 Abs. 2 GKG nichtvermögensrechtlicher Art und deshalb wertmäßig für sich mit 5.000,00 € zu erfassen, vermag diese Auffassung nicht zu überzeugen. Die Verpflichtung zur Durchführung eines BEM dient nach dem Sinn und Zweck des § 167 Abs. 2 SGB IX der Erhaltung des Arbeitsplatzes und somit der Erhaltung der wirtschaftlichen Lebensgrundlage der betroffenen Arbeitnehmerin. Ein auf die Durchführung des BEM gerichteter Klageantrag verfolgt damit erkennbar ein vermögensrechtliches Interesse iSd. § 48 Abs. 1 GKG im bestehenden Arbeitsverhältnis, nämlich das Interesse an dessen Anpassung zur Vermeidung einer sonst ggf. drohenden Kündigung.
Eine Streitwertfestsetzung unter Berücksichtigung der aus § 42 Abs. 2 S. 1, HS 1 GKG folgenden Maßstäbe dräng sich insoweit somit geradezu auf. Denn diese Norm begrenzt den Wert einer Bestandsstreitigkeit im Sinne einer gesetzlichen Obergrenze bewusst, womit ihr darüber hinaus eine gesetzliche Wertung dahin entnommen werden kann, dass eine Streitigkeit im Arbeitsverhältnis bzw. einzelne Fragen des Arbeitsverhältnisses betreffend regelmäßig mit einem (deutlich) darunter zu liegenden Wert zu erfassen ist.
Damit hält die Beschwerdekammer an ihrem bereits im Beschluss vom 14. Dezember 2018 - 8 Ta 278/18 - gegenüber dem Beschwerdeführer deutlich gemachten Rechtsstandpunkt fest (nicht veröffentlicht, erste Instanz ArbG Iserlohn Az.: 2 Ca 10...