Entscheidungsstichwort (Thema)

Prozesskostenhilfe. Einkommen. Sachbezug. Naturalleistung

 

Leitsatz (amtlich)

Erhält eine Partei, die Prozesskostenhilfe beantragt, vom Ehe- oder Lebenspartner oder anderen Familienangehörigen Unterkunft und Verpflegung gegen Zahlung eines Kostgelds, sind diese Leistungen mit den Werten der Sozialversicherungsentgeltverordnung abzüglich des gezahlten Kostgelds als Einkommen zu berücksichtigen (im Anschluss an BAG, 12. Oktober 2009, 3 AZB 21/09; Aufgabe von LAG Hamm, 12. Juni 2009, 14 Ta 718/08).

 

Normenkette

ZPO § 115

 

Verfahrensgang

ArbG Hamm (Beschluss vom 19.03.2009; Aktenzeichen 4 Ca 2061/08 L)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Hamm vom 19. März 2009 (4 Ca 2061/08 L) wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

Die gemäß § 46 Abs. 2, § 78 ArbGG, § 127 Abs. 2, §§ 567 ff. ZPO zulässige und als sofortige Beschwerde auszulegende Beschwerde des Klägers vom 26. März 2009 ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat die monatliche Ratenzahlung in Höhe von 225,00 Euro zutreffend festgesetzt. Die gegen die Berechnung des einzusetzenden Einkommens erhobenen Einwendungen des Klägers sind nicht gerechtfertigt.

Ausweislich der vom Kläger vorgelegten Lohnsteuerbescheinigung für das Jahr 2008 hat er in den Monaten Januar 2008 bis Oktober 2008 insgesamt 21.973,83 Euro brutto verdient. Unter Abzug von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen (7.981,91 Euro) ergibt sich ein Jahresnettoeinkommen für die ersten zehn Monate in Höhe von 13.991,92 Euro. Die Abrechnung für Monate Januar 2009 weist einen Betrag von 1.204,98 Euro netto aus. Das sich daraus ergebende Gesamtnettoeinkommen von 15.196,90 Euro ergibt, da es in elf Monaten insgesamt verdient wurde, ein durchschnittliches Monatsnettoeinkommen von 1.381,54 Euro. Dieses liegt oberhalb des vom Arbeitsgericht entsprechend den vorherigen Angaben des Klägers zugrunde gelegten Nettoeinkommens von 1.365,60 Euro.

Darüber hinaus hat das Arbeitsgericht zutreffend die dem Kläger von seinem Vater gewährte freie Unterkunft und Verpflegung abzüglich des vom Kläger gezahlten Kostgelds als Einkommen i. S. d. § 115 Abs. 1 Satz 2 ZPO berücksichtigt. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (12. Oktober 2008, 3 AZB 21/09, n.v.) sind auch Naturalleistungen in Form von Unterkunft und Verpflegung Einkünfte in Geldeswert. Der Wert einer freien Unterkunft und Verpflegung ermittelt sich in entsprechender Anwendung der Verordnung über die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung von Zuwendungen des Arbeitgebers als Arbeitsentgelt (Sozialversicherungsentgeltverordnung), auf die § 2 Abs. 1 DVO zu § 82 SGB XII i. V. m. § 17 Abs. 2 SGB IV verweist. Weil Einkünfte in Geldeswert aber nur insoweit vorliegen, als auch konkrete Ersparnisse erzielt werden, ist das vom Antragsteller gezahlte Kostgeld von dem nach der Sozialversicherungsentgeltverordnung ermittelten Betrag in Abzug zu bringen (vgl. BAG, a.a.O; LAG Hamm, 4. Mai 2006, 5 Ta 127/06, n.v.; 15. November 2006, 5 Ta 676/06, n.v.). An der von der erkennenden Kammer in dem der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zugrundeliegenden Beschluss vertretenen Auffassung, wonach bei Zahlung eines im Verhältnis zum Nettoeinkommen angemessenen Kostgelds für Naturalleistungen von Familienangehörigen diese nicht als Einkommen zu berücksichtigen sowie die Hälfte des gezahlten Kostgelds als Unterkunftskosten i. S. d.§ 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 ZPO in Abzug zu bringen sind (LAG Hamm, 12. Juni 2009, 14 Ta 718/08, juris) wird aus Gründen der Rechtssicherheit und Praktikabilität der Einkommensermittlung im Rahmen des Prozesskostenhilfeverfahrens nicht mehr festgehalten.

Nach der zum Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung des Arbeitsgerichts geltenden Sozialversicherungsentgeltverordnung waren Unterkunft und Verpflegung mit 403,00 Euro zu bewerten. Hiervon abzuziehen war das gezahlte Kostgeld in Höhe von 250,00 Euro. Dies ergibt ein Gesamteinkommen von 1.518,60 Euro. Diese Berechnung liegt auch der arbeitsgerichtlichen Entscheidung zugrunde. Unter Berücksichtigung der weiteren Abzugsbeträge (Freibetrag 395,00 Euro, Erwerbstätigenfreibetrag 180,00 Euro, Unterhaltszahlung 199,00 Euro, Lebensversicherung 80,00 Euro sowie Ratenzahlungen 80,00 Euro) ergibt sich ein verbleibendes Resteinkommen von abgerundet 584,00 Euro. Hieraus sind gemäß der Tabelle zu § 115 Abs. 2 ZPO monatliche Raten von 225,00 Euro zu zahlen.

Gründe für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde bestehen nicht.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2300168

FamFR 2010, 161

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