Beschluss aufgehoben 12.10.2009

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Prozesskostenhilfe. Einkommen. Sachbezug. Naturalleistung

 

Leitsatz (amtlich)

1.) Erhält eine Partei, die Prozesskostenhilfe beantragt, außerhalb eines Arbeitsverhältnisses von Ehe- oder Lebenspartner oder anderen Familienangehörigen Verpflegung gegen Zahlung eines Kostgelds, sind diese Leistungen nicht mit den Werten der Sozialversicherungsentgeltverordnung als Einkommen zu berücksichtigen, wenn das gezahlte Kostgeld einen angemessenen Anteil am sonstigen Nettoeinkommen hat und keine Anhaltspunkte für eine missbräuchlich niedrige Bewertung im Hinblick auf die beantragte Bewilligung von Prozesskostenhilfe besteht.

2.) Von einem tatsächlich gezahlten Kostgeld ist soweit keine abweichenden Vereinbarungen bestehen, die Hälfte als Kosten für Unterkunft und Heizung gemäß § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 ZPO abzusetzen.

 

Normenkette

ZPO § 115

 

Verfahrensgang

BAG (Entscheidung vom 12.06.2009; Aktenzeichen 3 AZB 21/09)

ArbG Minden (Beschluss vom 26.09.2008; Aktenzeichen 1 Ca 773/08)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Minden vom 26. September 2008 (1 Ca 773/08) hinsichtlich der Ratenzahlungsanordnung abgeändert.

Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe erfolgt mit der Maßgabe, dass der Kläger keinen eigenen Beitrag zu den Kosten der Prozessführung zu leisten hat.

Die Rechtsbeschwerde wird für den Bezirksrevisor zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Der Kläger wendet sich mit seiner sofortigen Beschwerde gegen die Berücksichtigung der durch seine Eltern gewährten Unterkunft und Verpflegung als Einkommen.

Mit seiner am 3. Juni 2008 eingegangenen Klage hat der Kläger die Zahlung von Vergütung verlangt, der Rechtsstreit endete durch einen am 17. Juli 2008 geschlossenen gerichtlichen Vergleich. Der Kläger hat zugleich die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für seine Klage beantragt. Durch die hier angefochtene Entscheidung bewilligte das Arbeitsgericht Prozesskostenhilfe mit der Maßgabe, dass der Kläger aus seinem monatlichen Einkommen eine Rate von 175,00 Euro zu zahlen hat. Bei der Berechnung des Einkommens berücksichtigte es neben dem vom Kläger bezogenen Arbeitsentgelt (903,42 EUR netto) die von den Eltern gewährte Verpflegung und Unterkunft mit den zum Zeitpunkt des Beschlusses geltenden Werten der Sozialversicherungsentgeltverordnung (Verpflegung: 205,00 Euro, Unterkunft: 198,00 Euro) als zusätzliches Einkommen (403,00 Euro). Von dem danach sich ergebenden Gesamteinkommen von 1.306,42 Euro wurden der Freibetrag für den Lebensbedarf (386,00 Euro), der Erwerbstätigenfreibetrag (176,00 Euro), die Fahrtkosten zur Arbeit (176,80 Euro) und ein Betrag von 95,00 Euro für Unterkunftkosten (gezahltes Kostgeld in Höhe von 300,00 Euro abzüglich Verpflegungsanteil in Höhe von 205,00 Euro) abgezogen. Bei einem danach verfügbaren Einkommen von abgerundet 472,00 Euro ergibt sich eine Rate von 175,00 Euro.

Der Beschluss wurde dem Kläger am 29. September 2008 zugestellt. Hiergegen richtet sich die am 20. Oktober 2008 beim Arbeitsgericht eingegangene sofortige Beschwerde, der es durch Beschluss vom 21. Oktober 2008 nicht abgeholfen hat.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die gemäß § 46 Abs. 2, § 78 ArbGG, § 127 Abs. 2, §§ 567 ff. ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist begründet. Der Kläger verfügt nicht über ein Einkommen i. S. d. § 115 Abs. 1 ZPO, das die Anordnung einer Ratenzahlung gemäß der Tabelle zu § 115 Abs. 2 ZPO zulässt.

1. Das Einkommen des Klägers im Sinne des § 115 Abs. 1 Satz 2 ZPO besteht lediglich aus seinem Arbeitsentgelt in Höhe von 903,42 Euro netto. Hiervon sind abzusetzen der persönliche Freibetrag gemäß § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 a ZPO (386,00 Euro), der Erwerbstätigenfreibetrag nach § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 b ZPO sowie als besondere Belastung die Fahrtkosten für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte in Höhe von monatlich 176,80 Euro gemäß § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 ZPO. Darüber hinaus waren als Kosten für Unterkunft und Heizung nach § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 ZPO ein Betrag von 150,00 Euro statt 95,00 Euro zu berücksichtigen, weil es sich hierbei um den im gezahlten Kostgeld von 300,00 Euro enthaltenen Anteil für Unterkunft und Heizung handelt. Bei dem danach verbleibenden Einkommen von abgerundet 14,00 Euro scheidet die Anordnung einer Ratenzahlung gemäß der Tabelle des § 115 Abs. 2 ZPO aus.

2. Eine Berücksichtigung der von den Eltern des Klägers gewährten Unterkunft und Verpflegung mit den Weiten der Sozialversicherungsentgeltverordnung als Einkünfte in Geldeswert gemäß § 115 Abs. 1 Satz 2 ZPO scheidet aus, weil der Kläger aufgrund des von ihm gezahlten Kostgelds keine freie Unterkunft und Verpflegung als Naturalleistung erhält. Entgegen der bisherigen Rechtsprechung der erkennenden Kammer sowie der Rechtsprechung der anderen Kammern des Beschwerdegerichts können in dem Fall, dass eine Partei außerhalb eines Arbeitsverhältnisses Unterkunft und Verpflegung gegen Zahlung eines Entgelts (Kostgeld) erhöht, diese Leistungen nicht dem einzusetzenden ...

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