Entscheidungsstichwort (Thema)

Gerichtskosten bei Insolvenz des Schuldners. Ratenzahlung bei der Prozesskostenhilfe und Insolvenzeröffnung des Schuldners

 

Leitsatz (amtlich)

Keine nachträgliche Anordnung von Ratenzahlungen für die vor Insolvenzeröffnung der Partei entstandene Ansprüche der Staatskasse auf zu erstattende Leistungen der Prozesskostenhilfe

 

Leitsatz (redaktionell)

Für bereits bei Insolvenzeröffnung angefallene Gerichtskosten ist die Staatskasse ebenso Insolvenzgläubigerin wie für auf sie gemäß § 59 Abs. 1 Satz 1 RVG übergegangene, vor Insolvenzeröffnung entstandene Rechtsanwaltsgebühren. Für nach der Insolvenz entstandene Forderungen ist deren Geltendmachung nicht durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens gehindert.

 

Normenkette

ZPO §§ 120, 120a; InsO §§ 36, 87; RVG § 59; InsO § 35 Abs. 1, § 38; JBeitrG § 1; ZPO § 115; GKG § 9

 

Verfahrensgang

ArbG Herne (Entscheidung vom 22.07.2022; Aktenzeichen 1 Ca 1771/19)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten vom 16.08.2022 gegen den Prozesskostenabänderungsbeschluss des Arbeitsgerichts Herne vom 22.07.2022 - 1 Ca 1771/19 - wird der Beschuss aufgehoben.

Es verbleibt bei der mit Beschluss vom 20.05.2020 bewilligte Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung.

 

Gründe

I. Gegen den Beklagten wurde unter dem 03.09.2019 eine Kündigungsschutzklage erhoben. Das Verfahren endete am 13.05.2020 durch einen Vergleich. Am 12.05.2020 wurde über das Vermögen des Beklagten die Privatinsolvenz eröffnet. Am 20.05.2022 wurde dem Beklagten Prozesskostenhilfe ohne die Anordnung einer Ratenzahlung bewilligt.

Im Nachprüfungsverfahren des Jahres 2022 ergaben die Unterlagen des Beklagten rechnerisch eine nun anzuordnende Zahlungspflicht von 196,00 € monatlicher Raten. Diese wurden mit Beschluss vom 22.07.2020 festgesetzt.

Gegen den am 26.07.2022 zugestellten Beschluss wandte sich der Beklagte mit der am 16.08.2022 bei Gericht eingegangenen sofortigen Beschwerde, in der er unter anderem darauf Bezug nahm, dass das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Beklagten eröffnet worden sei. Dieser sofortigen Beschwerde wurde mit Beschluss vom 18.08.2022 nicht abgeholfen und darauf hingewiesen, dass die Insolvenz durch Berücksichtigung der Pfändungsbeträge berücksichtigt sei.

II. Die sofortige Beschwerde ist nach den §§ 46 Abs. 2 Satz 3, 78 Satz 1 ArbGG, 127 Abs. 2 Satz 2 und 3, 567 ff ZPO zulässig. Die einmonatige Notfrist gem. § 127 Abs. 2 Satz 3 ZPO ist gewahrt.

Die sofortige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.

1. Dem Arbeitsgericht ist dem Grunde nach beizupflichten, dass das Vorliegen einer Privatinsolvenz nicht ohne weiteres die Anordnung von Ratenzahlungen hindert. Dieses entsprach auch der Rechtsprechung der Beschwerdekammern. Diese Rechtsprechung ist aber nur bezogen auf Bewilligungssachverhalte aufrecht zu erhalten, bei denen der Verfahrensbeginn nach dem Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens liegt.

a) Bei der Beurteilung der Anordnung von Ratenzahlungen im Prüfungsverfahrend der Prozesskostenhilfe sind die Einschränkungen, die sich aus dem Insolvenzrecht selbst ergeben, zu berücksichtigen, so dass es auch für die Staatskasse nicht möglich ist, Forderungen durchzusetzen, soweit sie sich als Insolvenzgläubiger entsprechend § 87 InsO behandeln lassen muss. Dieser ordnet an, dass Forderungen der Insolvenzgläubiger nur nach den Vorschriften über das Insolvenzverfahren zu verfolgen sind. Dieses bedeutet, dass Gerichtskosten, die bereits vor der Eröffnung der Insolvenz entstanden sind, als Insolvenzforderung geltend gemacht werden müssen. Nichts Anderes gilt, wenn diese Kosten aufgrund bewilligter Prozesskostenhilfe bereits entstanden, aber bisher nicht geltend gemacht bzw. vollstreckt worden sind, da etwa die Bewilligung ohne eine Anordnung von Ratenzahlungen erfolgt ist.

Verändern sich in diesem Fall die Einkommensverhältnisse der Partei dahingehend, dass nach Abschluss des Verfahrens in einem Nachprüfungsverfahren Raten anzuordnen wären, hält das Insolvenzverfahren aber noch an, so können die entstandenen Gerichts- und Rechtsanwaltsgebühren, die gem. § 59 RVG auf die Staatskasse übergegangen sind, nicht, auch nicht durch eine nachträgliche Anordnung von Raten aus dem Einkommen eingebracht werden, da dieses den Grundsätzen des Insolvenzverfahrens bezüglich einer gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung entgegenstehen würde.

b) Zu unterscheiden ist für die Durchsetzung des Anspruchs danach, ob es sich um eine Insolvenzforderung oder eine Neuforderung handelt. Insolvenzgläubiger sind persönliche Gläubiger, die einen zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Vermögensanspruch gegen den Insolvenzschuldner haben. Der anspruchsbegründende Tatbestand muss vor Eröffnung bereits abgeschlossen sein. Künftig entstehende Ansprüche fallen nicht unter § 38 InsO (BGH, Beschluss vom 13. Oktober 2016, IX ZR 250/16, Rn. 2, juris unter Verweis auf BGH, Beschluss vom 7. April 2005, IX ZB 129/03, ZInsO 2005, 537, 538; vom 13. Oktober 2011, IX ZB 80/10, ZInsO 2011, 2184 Rn. 7).

Für die bere...

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