Entscheidungsstichwort (Thema)
Beiordnung. Erforderlichkeit. Mahnverfahren. Prozesskostenhilfe
Leitsatz (amtlich)
1. Die Beiordnung eines Rechtsanwalts für die Durchführung eines Mahnverfahrens ist grundsätzlich nicht gemäß § 121 Abs. 2 Alt. 1 ZPO erforderlich.
2. Die Gewährung von Beratungshilfe ist kein Indiz für die Erforderlichkeit der Beiordnung eines Rechtsanwalts im Mahnverfahren. Beratungshilfe dient der Klärung von Grund und Höhe des Anspruchs sowie dem Hinweis auf weitere – kostengünstige – Möglichkeiten der Rechtsverfolgung.
Normenkette
ZPO § 121 Abs. 2 Alt. 1
Verfahrensgang
ArbG Bielefeld (Beschluss vom 12.06.2008; Aktenzeichen 8 Ba 29/08) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 12. Juni 2008 (8 Ba 29/08) wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Tatbestand
I.
Der Antragsteller beantragte unter dem 20. Februar 2008 den Erlass eines Mahnbescheids über restliches Nettoentgelt für die Zeit vom 1. Oktober 2007 bis 11. Dezember 2007 in Höhe von 638,25 Euro. Der Mahnbescheid wurde unter dem 4. März 2008 erlassen, der Vollstreckungsbescheid unter dem 19. März 2008. Dieser ist rechtskräftig.
Gleichzeitig mit dem Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids beantragte der Antragsteller die Gewährung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des ihn vertretenden Bevollmächtigten als Rechtsanwalt. Durch die hier angefochtene Entscheidung lehnte das Arbeitsgericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und die Beiordnung eines Rechtsanwalts ab. Das Mahnverfahren sei zwischenzeitlich rechtskräftig beendet worden, eine Gerichtskostenzahlungspflicht treffe den Antragsteller nicht. Eine anwaltliche Beiordnung sei im Mahnverfahren nicht erforderlich.
Der Beschluss wurde dem Antragsteller am 16. Juni 2008 zugestellt. Hiergegen richtet sich die am 10. Juli 2008 eingegangene Erinnerung, welcher das Arbeitsgericht nicht abgeholfen hat.
Entscheidungsgründe
II.
Die als sofortige Beschwerde auszulegende und gemäß § 11 Abs. 1 RPflG, § 46 Abs. 2, § 78 ArbGG, § 127 Abs. 2, §§ 567 ff. ZPO zulässige Erinnerung des Antragstellers ist unbegründet.
Eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe bedarf es nicht, da nach rechtskräftigen Abschluss des Mahnverfahrens der Antragsteller aufgrund der Regelung in § 22 Abs. 2, § 29 Nr. 1 GKG zu den Kosten des Mahnverfahrens nicht mehr herangezogen werden kann. Dies war bereits zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag, der grundsätzlich maßgeblich ist, der Fall. Etwas anderes folgt auch nicht aus der beantragten Beiordnung eines Rechtsanwalts. Es kann offenbleiben, ob in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem das Gericht mehrfach Hinweise auf die fehlende Erforderlichkeit der Beiordnung gegeben hat, die jeweils zu entsprechenden Stellungnahmen des Antragstellers geführt haben, eine Verzögerung der Entscheidung im Hinblick auf die eingetretene rechtskräftige Beendigung des Mahnverfahrens der Bewilligung von Prozesskostenhilfe als notwendige Voraussetzung für eine Beiordnung eines Anwalts entgegenstehen oder nicht. Jedenfalls ist, wie das Arbeitsgericht zutreffend angenommen, im vorliegenden Fall nicht die Voraussetzung nach § 121 Abs. 2 Alt. 1 ZPO erfüllt, dass die Beiordnung eines Rechtsanwalts erforderlich ist.
1. Die Beiordnung eines Rechtsanwalts ist erforderlich, wenn ein sachliches und persönliches Bedürfnis nach anwaltlicher Unterstützung besteht. Objektive Merkmale sind tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeit der Sache, deren Umfang sowie die wirtschaftliche und persönliche Bedeutung für die Partei. Subjektiv kommt es auf das Vermögen des Antragstellers an, nach Vorbildung, geistiger Fähigkeit, Schreib- und Redegewandtheit sein Rechtsanliegen dem Gericht schriftlich und mündlich hinreichend vorzutragen (vgl. LAG Hamm, 23. Januar 2006, 18 Ta 909/05; 2. Juni 2005, 4 Ta 374/04). Die Bewertung der subjektiven und sachlichen Voraussetzungen für die Erforderlichkeit der Anwaltsbeiordnung hat dabei nach einem objektiven Maßstab zu erfolgen, nicht aus der Sicht eines Anwalts oder einer Partei (LAG Hamm, 9. Juli 2007, 5 Ta 254/07; Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe, 4. Auflage, 2005, Rn. 545). Die Anwaltsbeiordnung ist danach nicht erforderlich, wenn die Partei bei einfacher Sach- und Rechtslage nach ihren intellektuellen Fähigkeiten ihre Rechte selbst wahrnehmen kann (LAG Hamm, 9. Juli 2007, 5 Ta 254/07). Die Prozesskostenhilfe dient dazu, unbemittelten Personen den Zugang zu den staatlichen Gerichten zu eröffnen. Sie stellt als Leistung der staatlichen Daseinsfürsorge und als Bestandteil der Rechtschutzgewährung eine Einrichtung der Sozialhilfe im Bereich der Rechtspflege dar. Wegen dieses Sozialhilfecharakters der Prozesskostenhilfe und der damit verbundenen Belastung der Allgemeinheit mit den Kosten für die Rechtsdurchsetzung ergeben sich für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe Grenzen. Voraussetzung ist, dass sich die bedürftige Partei erst dann eines Rechtsanw...