Entscheidungsstichwort (Thema)

Fortdauer der Prozessvollmacht im Prozesskostenhilfenachprüfungsverfahren. Bewirkung von Zustellungen im Prozesskostenhilfeüberprüfungsverfahren an den Prozessbevollmächtigten des Hauptverfahrens

 

Leitsatz (amtlich)

Die vor einer Aufhebung wegen Ratenrückstands nach § 124 Nr. 4 ZPO a. F. (= § 124 Abs. 1 Nr. 5 ZPO) erforderliche Mahnung der Partei mit Fristsetzung unter Hinweis auf die Möglichkeit der Aufhebung der bewilligten Prozesskostenhilfe ist deren Prozessbevollmächtigten zuzustellen, wenn dieser sie bereits im Bewilligungsverfahren vertreten hat.

 

Normenkette

ZPO a.F. § 124 Nr. 4; ZPO § 124 Abs. 1 Nr. 5

 

Verfahrensgang

ArbG Münster (Entscheidung vom 13.10.2015; Aktenzeichen 3 Ca 1874/12)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Münster vom 13. Oktober 2015 (3 Ca 1874/12) aufgehoben.

Das Verfahren wird zur erneuten Prüfung und Entscheidung über die Aufhebung der bewilligten Prozesskostenhilfe wegen Ratenrückstandes an das Arbeitsgericht zurückverwiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Der Klägerin wurde durch Beschluss vom 7. Dezember 2012 zunächst Prozesskostenhilfe ohne Zahlungsanordnung bewilligt. Durch Beschluss vom 18. Februar 2015 ordnete das Arbeitsgericht die Zahlung einer monatlichen Rate von 60,00 Euro an. Den Zahlungsbeginn setzte es mit dem der Klägerin übersandten Zahlungsplan vom 24. März 2015 auf den 4. Mai 2015 fest. Der Zahlungsplan enthält den Hinweis, dass die Prozesskostenhilfe aufgehoben werden kann, wenn die Klägerin mit der Zahlung in Rückstand gerät. Die Klägerin zahlte unter dem 2. Juni 2015 eine Rate, die weiteren Raten auf den noch offenen Restbetrag von 145,87 Euro zahlte sie nicht.

Im automationsgestützten Verfahren JUKOS wurde der Klägerin, nachdem sie mit den restlichen Raten für die Monate Juni bis August 2015 in Rückstand geraten war, jeweils monatlich eine Mahnung übersandt. Die rückständige Summe wurde sowohl in dem Schreiben genannt und war im beigefügten Überweisungsträger enthalten. Zudem enthielt das Schreiben den Hinweis, dass die Prozesskostenhilfe aufgehoben werden kann, der gesamte Restbetrag sofort fällig ist und zwangsweise beigetrieben werden kann.

Mit Schreiben vom 17. September 2015, welches der Klägerin persönlich formlos übersandt wurde, wies das Arbeitsgericht sie darauf hin, dass sie mit der Zahlung der Raten in Rückstand sei, bat sie um Ausgleich des Rückstandes und wies auf die Möglichkeit der Aufhebung der bewilligten Prozesskostenhilfe bei einem Zahlungsrückstand von mehr als drei Monaten hin. Ein Zahlung erfolgte nicht, woraufhin das Arbeitsgericht durch die hier angefochtene Entscheidung, welche den Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 13. Oktober 2015 zugestellt wurde, die bewilligte Prozesskostenhilfe aufhob. Hiergegen richtet sich die am 3. November 2015 beim Arbeitsgericht eingegangene sofortige Beschwerde der Klägerin.

II. Die gemäß § 11 Abs. 1 RPflG, § 46 Abs. 2 Satz 3, § 78 Satz 1 ArbGG, § 127 Abs. 2 Satz 2 und 3 ZPO in der bis zum 31. Dezember 2013 geltenden Fassung (im Folgenden: a. F.), §§ 567 ff. ZPO, § 40 EGZPO zulässige sofortige Beschwerde ist begründet. Der Aufhebungsbeschluss des Arbeitsgerichts ist unwirksam, weil vor seinem Erlass die Klägerin nicht ordnungsgemäß gemahnt wurde. Dies führt zur Aufhebung der Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an Arbeitsgericht.

1. Eine Aufhebung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe gemäß § 124 Nr. 4 ZPO a. F. (= § 124 Abs. 1 Nr. 5 ZPO) ist zulässig, wenn die Partei mit der Zahlung einer Rate mehr als drei Monate in Rückstand kommt und wenn der Zahlungsrückstand verschuldet ist (vgl. BGH, 9. Januar 1997, IX ZR 61/94, NJW 1997, 1077, II. 2. a) der Gründe; LAG Hamm, 19. März 2003, 18 Ta 60/03, NZA-RR 2003, 382, II. der Gründe; 3. März 2010, 14 Ta 649/09, [...], Rn. 2). Verschulden liegt erst dann vor, wenn die Partei auf den Rückstand hingewiesen wurde und auch auf eine Mahnung mit Fristsetzung nicht reagiert. In dem Mahnungsschreiben müssen die gerichtlichen Konsequenzen für den Fall der Nichtzahlung eindeutig festgelegt werden. Für den Fall des ergebnislosen Fristablaufs muss der Partei klar erkennbar gemacht werden, dass als Konsequenz die Aufhebung der bewilligten Prozesskostenhilfe erfolgt (vgl. LAG Hamm, 19. März 2003, a. a. O.; LAG Berlin-Brandenburg, 20. Juli 2015, 21 Ta 1066/15, [...], Rn. 8). Insoweit dient eine solche Mahnung auch der Wahrung des rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 Satz 2 GG vor einer Aufhebungsentscheidung (vgl. LAG Hamm, a. a. O.; OLG Brandenburg, 29. Januar 2001, 10 WF 3/01, FamRZ 2002, 1419 = [...], Rn. 2).

2. Im vorliegenden Fall ist die Klägerin nicht ausreichend angehört worden, weil die Mahnung nicht an ihre Prozessbevollmächtigten versandt und zugestellt wurde. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts reichen die der Klägerin persönlich formlos übersandten Hinweise in den sog. JUKOS-Mahnungen oder im Zahlungsplan nicht aus, ebenso wenig das ihr entsprec...

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