Verfahrensgang
ArbG Herne (Beschluss vom 27.03.1996; Aktenzeichen 1 BV 1/96) |
Tenor
Die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den am 27.03.1996 verkündeten Beschluß des Arbeitsgerichts Herne – 1 BV 1/96 – wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Tatbestand
A
In dem beim Arbeitsgericht Herne am 02.01.1996 eingereichten Beschlußverfahren begehrt die Antragstellerin die Auflösung eines gem. § 78 a Abs. 2 BetrVG begründeten Arbeitsverhältnisses.
Die Antragstellerin dieses Verfahrens ist eine KG (künftig: Arbeitgeberin) mit Sitz in Oer-Erkenschwick, die mit ca. 1.300 Arbeitnehmern durch Selbstschlachtung und Zukauf geschlachteter Tiere deren Fleisch verkaufsfertig produziert und dieses teilweise durch einen eigenen Speditionsbetrieb zu Großmärkten und anderen Verkaufsstellen verfrachtet. Die weiteren Verfahrensbeteiligten sind der in dem Betrieb existierende 15-köpfige Betriebsrat (künftig: BR), die aus drei Mitgliedern bestehende Jugend- und Auszubildendenvertretung (künftig: JAV) und der Vorsitzende der JAV V.. Die derzeitige Periode der JAV läuft vom 30.12.1994 bis Ende November 1996. Der am 08.07.1975 geborene Herr V. ist von der Arbeitgeberin vom 01.08.1992 bis zum 18.01.1996 (letzter Tag der durchweg befriedigend bestandenen Abschlußprüfung) zum Energieelektroniker Fachrichtung Betriebstechnik ausgebildet worden.
Unter dem 24.11.1995 (Zugang in der Woche ab 27.11.) schrieb Herr V. der Arbeitgeberin:
M. V.
H.
45711 Datteln/Ahsen
Daten, den 24.11.1995
An die
Geschäftsleitung
–Personalabteilung–
Betr.: Übernahme in ein unbefristetes Vollzeitarbeitsverhältnis
gem. § 78a BetrVG
Sehr geehrte Damen und Herren,
gemäß § 78a BetrVG verlange ich in meiner Eigenschaft als Jugend- und Auszubildendenvertreter die Übernahme in ein unbefristetes Vollzeitarbeitsverhältnis nach Abschluß meiner Ausbildung.
Hochachtungsvoll
M.V.
Aufgrund dieses Weiterbeschäftigungsverlangens und des dadurch gem. § 78 a Abs. 2 BetrVG entstandenen Arbeitsverhältnisses beschäftigt die Arbeitgeberin Herrn V. ab 04.04.1996 als Elektronik-Elektriker gegen ein Bruttostundenlohn in Höhe von 19,73 DM und einem Bruttomonatsverdienst von ca. 3.465,00 DM.
Die Arbeitgeberin hat gemeint, die Weiterbeschäftigung von Herrn V. sei ihr unzumutbar, da sie für ihn keinen Arbeitsplatz habe, was sie nur aus Unwissenheit entgegen ihrer Pflicht nach § 78 a Abs. 1 BetrVG unterlassen habe, ihm mitzuteilen.
Unstreitig steht dazu folgender Sachverhalt zwischen den Beteiligten fest. Die Arbeitgeberin beschäftigt 43 Elektriker, davon 37 auf eingerichteten Planstellen und sechs als Springer zur Überbrückung bei Ausfällen, wie z. B. Urlaub, Krankheit u.s.w.. Alle Stellen waren am 18.01.1996 schon besetzt und sind es auch noch. Ein Stelleninhaber, Herr L. ist jedoch zum 31.10.1995 bei der Arbeitgeberin ausgeschieden. Mit Arbeitsvertrag vom 12.12.1995 – auf dessen Inhalt Bl. 38–41 d.A. verwiesen wird – stellte die Arbeitgeberin für diesen Elektriker den Elektriker S. befristet bis zum 13.06.1997 mit Zustimmung des Betriebsrates ab 14.12.1995 ein.
Die Arbeitgeberin hat beantragt,
das nach § 78 a Abs. 2 BetrVG begründete Arbeitsverhältnis aufzulösen.
Herr Verim hat beantragt,
den Antrag abzuweisen.
Durch Beschluß vom 27.03.1996 hat das Arbeitsgericht den Antrag abgewiesen. Es hat dazu u. a. ausgeführt, der Antrag sei unbegründet. Der Arbeitgeberin sei die Weiterbeschäftigung von Herrn V. nicht unzumutbar i. S.v. § 78 a Abs. 4 Satz 1 BetrVG. Im gegebenen Fall sei bei der Arbeitgeberin im Zeitpunkt der Beendigung des Ausbildungsverhältnisses von Herrn Verim aufgrund Bestehens der Abschlußprüfung im Januar 1996 zwar kein Arbeitsplatz als Betriebselektriker unbesetzt gewesen. Hierauf könne sich die Arbeitgeberin indes nicht berufen. Denn mit der Neubesetzung des Arbeitsplatzes eines Betriebselektrikers im November 1995 habe sie die Möglichkeit der Weiterbeschäftigung von Herrn V. unter Verletzung gesetzlicher Bestimmungen treuwidrig vereitelt. Gem. § 78 a Abs. 1 Satz 1 BetrVG habe die Arbeitgeberin dem Mitglied der Jugend- und Auszubildendenvertretung schriftlich drei Monate vor Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses mitzuteilen, daß nicht beabsichtigt sei, ihn in ein Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit zu übernehmen. Diese Bestimmung sei Ausdruck einer besonderen Fürsorgepflicht, die der Arbeitgeberin gegenüber Mitgliedern von Jugend- und Auszubildendenvertretungen obliege. Sie versetze das Mitglied einer JAV in die Lage, sich entweder frühzeitig anderweitig um einen Arbeitsplatz zu bemühen oder aber die Weiterbeschäftigung gem. § 78 a Abs. 2 Satz 1 BetrVG zu verlangen. Zugleich wolle die Bestimmung das Interesse an der Kontinuität der Amtsführung des betriebsverfassungsrechtlichen Organs schützen. Gegen ihre Mitteilungspflicht nach § 78 a Abs. 1 Satz 1 BetrVG habe die Arbeitgeberin hier verstoßen. Dieser Verstoß gegen eine gerade auch dem Schutz des Jugendvertreters dienende gesetzliche Bestimmung habe erst dazu geführt, daß im Zeitpunkt der Beendigung des Ausbildungsverhältnisses kei...