Verfahrensgang

ArbG Hagen (Westfalen) (Beschluss vom 09.02.1995; Aktenzeichen 3 Ca 651/94)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts Hagen vom 09. Februar 1995 – 3 Ca 651/94 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

 

Tatbestand

I

Die Parteien streiten um die nachträgliche Zulassung einer Kündigungsschutzklage.

Der 35-jährige Kläger ist seit dem 04. Juni 1993 als LKW-Fahrer bei der Beklagten eingestellt. die Beklagte beschäftigt mehr als fünf Arbeitnehmer.

Mit Schreiben vom 23. August 1994 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien aus betrieblichen Gründen zum 30. September 1994. Das Schreiben ging dem Kläger am 25. August 1994 zu.

Mit einem am 16. September 1994 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz hat der Kläger dagegen Kündigungsschutzklage erhoben.

Im Gütetermin vom 14. Oktober 1994 schlossen die Parteien einen Vergleich, den die Beklagte innerhalb der dafür vorgesehenen Frist widerrief.

In der Ladung zum Kammertermin wies der Kammervorsitzende darauf hin, daß die Klage „unter Verstoß gegen § 4 KSchG um einen Tag zu spät erhoben sein dürfte”. Die Ladung wurde dem Prozeßbevollmächtigten des Klägers am 02. November 1994 zugestellt.

Mit einem am 07. November 1994 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz beantragte der Kläger, die verspätete Kündigungsschutzklage nachträglich zuzulassen.

Er hat vorgetragen, sein Prozeßbevollmächtigter habe den Klageschriftsatz schon am Morgen des 13. September 1994 zusammen mit der übrigen Gerichtspost des Vortages in die Gerichtsfächer der sogenannten Anwaltshalle des Landgerichts Hagen eingelegt. Zum Beweis hat er sich auf die anwaltliche Versicherung seines Prozeßvertreters berufen. Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Klage sei darum in Wahrheit nicht verspätet erhoben worden.

Die Beklagte ist dieser Ansicht entgegengetreten. Ein Einwurf in die Gerichtsfächer beim Landgericht bewirke keinen fristwahrenden Eingang beim jeweiligen Gericht. Sie hat behauptet, dies sei jedem Rechtsanwalt in Hagen durch Informationen der Anwaltskammer und durch entsprechende Hinweise an den Gerichtsfächern selbst bekannt.

Mit Beschluß vom 09. Februar 1995 hat das Arbeitsgericht die Klage nachträglich zugelassen. Zwar habe sein Prozeßbevollmächtigter die Versäumnis der Klagefrist zu vertreten, doch müsse sich der Kläger dieses Verschulden nicht zurechnen lassen.

Der Beschluß wurde der Beklagten jedenfalls nicht vor dem 01. März 1995 zugestellt. Mit einem schon am 22. Februar 1995 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz hat sie dagegen Beschwerde eingelegt.

Mit Bezug auf die Entscheidungen verschiedener Landesarbeitsgerichte rügt die Beklagte, das Arbeitsgericht habe eine Zurechnung des Vertreterverschuldens im Rahmen des § 5 KSchG zu Unrecht verneint.

Der Kläger tritt der auf der Basis der langjährigen Rechtsprechung des erkennenden Beschwerdegerichts ergangenen Entscheidung bei. Im übrigen trägt er vor, es sei nicht auszuschließen, daß sein Prozeßbevollmächtigter den für das Arbeitsgericht bestimmten Klageschriftsatz vom 13. September 1994 seinerzeit in das Fach eines anderen Gerichts eingelegt habe.

 

Entscheidungsgründe

II

1. Die Beschwerde ist zulässig: Sie ist gemäß § 5 Abs. 4 KSchG als solche statthaft, die Beklagte hat sie nach Maßgabe der §§ 569, 577 Abs. 2 ZPO form- und fristgerecht erhoben. Daß sie sie schon vor Zustellung des Beschlusses vom 09. Februar 1995 eingelegt und sie nicht ausdrücklich als „sofortige” Beschwerde bezeichnet hat, ist unschädlich.

2. Die Beschwerde ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat die Kündigungsschutzklage vom 13. September 1994 zu Recht nachträglich zugelassen.

2.1. Über den Antrag war gerichtlich zu befinden. Eine Kündigungserklärung als solche liegt zweifellos vor. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet nach Maßgabe der § 1 Abs. 1, 23 Abs. 1 seiner Vorschriften das Kündigungsschutzgesetz Anwendung.

Die Klage ist ferner verspätet erhoben worden. Zwar hat sie der Prozeßbevollmächtigte des Klägers schon am 13. September 1994 in ein Gerichtsfach der „Anwaltshalle” des Landgerichts Hagen eingelegt. Selbst wenn er sie dabei in das für Post an das – im selben Gebäudekomplex untergebrachte – Arbeitsgericht vorgesehene Fach gelegt haben sollte, ist sie damit noch nicht bei letzterem eingegangen. Die Gerichtsfächer der „Anwaltshalle” sind nicht etwa eine gemeinsame offizielle Briefannahmestelle und Empfangsvorrichtung der angeschlossenen Gerichtsbehörden. Dies folgt schon aus dem Umstand, daß dort eingelegte Schreiben keineswegs dem alleinigen Zugriff der zuständigen Gerichtsbediensteten unterliegen. Sie können vielmehr, solange sie sich in dem betreffenden Fach befinden, offenbar jederzeit sowohl vom Absender als auch von Unbefugten Dritten wieder entnommen werden. Solange sie aber nicht in den alleinigen Machtbereich der Gerichte gelangt sind, sind sie bei diesen im Rechtssinne nicht eingegangen.

Würde zwar andernfalls das Einlegen der Klage selbst in das Fach eines unzuständigen Gerichts di...

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