Entscheidungsstichwort (Thema)
Streitwertfestsetzung. Mehrvergleich
Leitsatz (amtlich)
1. Der Vergleichsmehrwert für eine Ausgleichsklausel in einem Prozessvergleich richtet sich nach dem wirtschaftlichen Interesse der klagenden Partei an der Aufnahme der Klausel in den Vergleich.
2. Geht es bei der Ausgleichsklausel um den Ausschluss von Forderungen auf Ersatz gegenwärtigen und/oder künftigen Schadens, bemisst sich der Vergleichsmehrwert nicht nur an der Höhe des bereits eingetretenen und künftig zu besorgenden Schadens. Abzustellen ist auch darauf, wir wahrscheinlich der Eintritt und die Höhe des künftigen Schadens sind. Ein weiteres, wesentliches Kriterium für die Bemessung des Vergleichsmehrwerts ist, wir hoch das Risiko der tatsächlichen Inanspruchnahme durch den Gläubiger ist.
3. Für die Bestimmung des Risikos der Inanspruchnahme ist auf das Verhalten des Schadensersatzgläubigers abzustellen. So wie der Streitwert einer negativen Feststellungsklage durch die Höhe der Forderungen bestimmt wird, deren sich der Gläubiger berühmt, wird das Risiko der ernstlichen und vollen Inanspruchnahme durch das Verhalten des Schadensersatzgläubigers bestimmt.
4. Für die Bemessung des Vergleichswerts ist auf die Umstände im Zeitpunkt des Abschlusses des Prozessvergleichs abzustellen.
5. Der Vergleichsmehrwert für eine Schadensersatzansprüche ausschließende Ausgleichsklausel wird nach unten begrenzt durch die konkrete Berühmung eines Schadensersatzanspruchs und nach oben durch die höchstrichterlich angedeutete Haftungsobergrenze nach den Grundsätzen der eingeschränkten Arbeitnehmerhaftung, sofern keine greifbaren Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass seitens des Arbeitgebers weitergehende Ansprüche durchgesetzt werden sollen.
Normenkette
GKG § 63 Abs. 2, § 42 Abs. 4 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Paderborn (Beschluss vom 01.06.2007; Aktenzeichen 1 Ca 1771/06) |
Tenor
Die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Paderborn vom 01.06.2007 – 1 Ca 1771/06 – wird zurückgewiesen.
Der Streitwert wird von Amts wegen unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses für das Verfahren auf 31.666,67 EUR und für den Prozessvergleich vom 19.04.2007 auf 50.191,67 EUR festgesetzt.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.
Tatbestand
I.
Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist die Bewertung einer Kündigungsschutzklage (Kündigungsschutz- und Fortbestandsantrag), einer Weiterbeschäftigungsklage und eines Prozessvergleichs mit den Regelungsgegenständen Beendigung des Arbeitsverhältnisses, Freistellung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unter Fortzahlung der Vergütung unter Erfüllung restlicher Urlaubsansprüche, Zahlung einer Abfindung, Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses mit bestimmter Bewertung und allgemeiner Ausgleich aller Ansprüche einschließlich eventueller Schadensersatzansprüche.
Der Kläger war seit dem 01.09.2003 als Personalleiter am Standort P1 für die Beklagte tätig. Diese kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 18.12.2006 fristlos und „ersatzweise” mit Schreiben vom 22.12.2006 zum 30.06.2007. In der fristlosen Kündigung heißt es: „Derzeit lassen wir berechnen, in welchem Umfange dem Unternehmen durch Ihr Verhalten ein finanzieller Schaden entstanden ist. Wir behalten uns vor, Sie bezüglich dieses Schadens in Regress zu nehmen. Vor diesem Hintergrund machen wir im Hinblick auf die noch ausstehenden Gehaltsansprüche für den Monat Dezember 2006 oberhalb der Pfändungsfreigrenze von unserem Zurückbehaltungsrecht Gebrauch.” Im Verlaufe des Rechtsstreits hat die Beklagte dem Kläger vorgeworfen, er habe einer Personalreferentin in unzulässiger Weise arbeitsvertraglich finanzielle Vorteile verschafft, den Belegschaftsmitgliedern entgegen Konzernrichtlinien arbeitsvertraglich Sonderzulagen (SZ 2 und DZ 2) versprochen, bei der Einführung eines neuen tariflichen Vergütungssystems (ERA) die Anrechnung der Sonderzulagen verhindert und das ERA-System für sog. Unterschreiter umgangen. In der örtlichen Presse wurde im Hinblick auf den Rechtsstreit berichtet: „H1 hat sogar Schadensersatzansprüche in noch nicht bezifferter Höhe angekündigt.”
Das Arbeitsgericht hat den Streitwert für das Verfahren auf 37.050 EUR (Kündigung vom 18.12.2006 – 3 × 6.175,00 EUR; Kündigung vom 22.12.2006 – 6.175 EUR; Weiterbeschäftigung – 2 × 6.175,00 EUR) und für den Prozessvergleich auf 397.050,00 EUR (Verfahren im Allgemeinen – 37.050,00 EUR; Erledigung Schadensersatzansprüche – 360.000,00 EUR als Dreijahresbetrag des von der Beklagten angegebenen Jahresvolumens des Schadens wegen der Sonderzulagen) festgesetzt.
Gegen diese Festsetzung wenden sich die Prozessbevollmächtigten des Klägers. Sie meinen, der Vergleichsmehrwert für den Prozessvergleich sei mit 2.310.835,00 EUR festzusetzen. Gegenstand der Ausgleichsklausel und daher bei der Festsetzung des Vergleichsmehrwerts zu berücksichtigen seien folgende Schadenspositionen
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