Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigungsschutzanträge. Ausgleichsklausel. Kündigung. Streitwertfestsetzung
Leitsatz (amtlich)
1. Auch wenn die auf denselben Kündigungskomplex beruhenden fristlosen und hilfsweise ordentlichen Tat- und Verdachtskündigungen der Arbeitgeberin in vier getrennten Schreiben ausgesprochen worden sind, ist für den diesbezüglich geführten Bestandsstreit der Höchstwert des § 42 Abs. 3 Satz 1 GKG zu beachten.
2. Der Vergleichsmehrwert für eine Ausgleichsklausel in dem das Kündigungsschutzverfahren beendenden Prozessvergleich richtet sich nach dem wirtschaftlichen Interesse des Arbeitnehmers an der Aufnahme dieser Klausel in den Vergleich.
Hierbei ist auf das Schadensersatzrisiko abzustellen, dem sich der Arbeitnehmer im Zeitpunkt des Vergleichsschlusses bei realistischer Betrachtung ausgesetzt sehen musste. Hierbei sind konkrete Schadensersatzforderungen bzw. -berechnungen der Arbeitgeberin ebenso zu berücksichtigen wie greifende Grundsätze der eingeschränkten Arbeitnehmerhaftung.
Normenkette
GKG §§ 42, 63, 68
Verfahrensgang
ArbG Nürnberg (Beschluss vom 02.09.2009; Aktenzeichen 13 Ca 4363/09) |
Tenor
1. Der Beschluss des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 02.09.2009 wird von Amts wegen dahin abgeändert, dass der Streitwert für das gerichtliche Verfahren festgesetzt wird auf EUR 32.425,–.
2. Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 02.09.2009 dahin abgeändert, dass der überschießende Vergleichswert festgesetzt wird auf EUR 85.926,25.
Tatbestand
I.
Der bei der Beklagten seit dem 01.01.1999 gegen ein Bruttomonatsentgelt in Höhe von EUR 6.485,– beschäftigte Kläger hat gegen die außerordentliche fristlose Tatkündigung der Beklagten mit Schreiben vom 02.06.2009 Kündigungsschutzklage erhoben.
Im Wege der Klageerweiterung wendet sich der Kläger zudem gegen eine außerordentliche fristlose Verdachtskündigung mit Schreiben vom 08.06.2009 und die mit zwei Schreiben vom 17.06.2009 ausgesprochene hilfsweise ordentliche verhaltensbedingte Tatkündigung bzw. hilfsweise ordentliche verhaltensbedingte Verdachtskündigung.
Zur Begründung sämtlicher Kündigungen hat sich die Beklagte darauf berufen, der Kläger habe seine Kompetenzen bei der Auftragsvergabe und Rechnungsbearbeitung in erheblichem Umfang überschritten und in strafrechtlich relevanter Weise zum Schaden der Firma gehandelt. Der Kläger habe bei der Auftragsvergabe eigenmächtig gehandelt und entgegen bestehender Regelungen an die Firma gerichtete Rechnungen alleine preislich abgezeichnet. Ein von dem Kläger betreutes Projekt sei mit einem Verlust von EUR 580.000,– abgeschlossen worden.
Im Zusammenhang mit der Vorlage einer Tankrechnung über EUR 75,95 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis erneut mit Schreiben vom 31.07.2009 hilfsweise fristlos als Tatkündigung und mit weiterem Schreiben vom 03.08.2009 hilfsweise fristlos als Verdachtskündigung. Auch diese Kündigungen hat der Kläger im Wege der Klageerweiterung angegriffen.
Im Gütetermin vom 05.08.2009 haben die Parteien den Rechtsstreit durch Abschluss folgenden Vergleiches beigelegt:
- Das Arbeitsverhältnis der Parteien endet aufgrund ordentlicher betriebsbedingter Arbeitgeberkündigung vom 2.6.2009 mit Ablauf des 31.10.2009.
- Die Beklagte rechnet das Arbeitsverhältnis bis zu dessen Beendigung ordnungsgemäß ab und zahlt den entsprechenden Nettobetrag an den Kläger aus.
- Die Klagepartei ist berechtigt, das Arbeitsverhältnis mit einer Ankündigungsfrist von 1 Tag schriftlich einseitig vorzeitig zu beenden. Für jeden vollen Monat der vorzeitigen Beendigung erhält sie eine Abfindung gem. §§ 9, 10 KSchG in Höhe von 4.800,– EUR brutto, im Ausscheidensmonat zeitanteilig.
- Der Kläger hat seinen Urlaub vollständig eingebracht.
- Die Beklagte verpflichtet sich, dem Kläger ein wohlwollendes, qualifiziertes Arbeitszeugnis auszustellen und zu übersenden, das sich auf die Leistung und das Verhalten im Arbeitsverhältnis erstreckt mit der Gesamtbewertung „gut” und einer abschließenden Formel des Bedauerns, des Dankens und des Wünschens.
- Der Kläger wird unwiderruflich unter Fortzahlung der Vergütung bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt. Es besteht Einigkeit, dass Urlaubsansprüche und etwaige Zeitguthaben in Natur eingebracht sind.
- Die Parteien sind darüber einig, dass kein nachvertragliches Wettbewerbsverbot besteht.
- Die Parteien sind sich darüber einig, dass Schadensersatzansprüche aus betreuten Projekten nicht bestehen.
- Mit diesem Vergleich sind auch die Kündigungen vom 31.07.2009, 03.08.2009, 08.2009 und 06.08.2009 erledigt.
- Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
- Dieser Vergleich wird rechtswirksam, wenn er nicht von der Klagepartei durch schriftliche Erklärung widerrufen wird, die bis spätestens 19.08.2009 beim Arbeitsgericht Nürnberg eingegangen sein muss.
Das Arbeitsgericht Nürnberg hat mit Beschluss vom 02.09.2009 den Streitwert für das Verfahren auf EUR 51.880,– und einen überschießenden Vergleichswert von EUR...