Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union betreffend die Wirksamkeit einer tarifvertraglichen Regelung hinsichtlich des Bezugs einer Überbrückungsbeihilfe bis zum Bezug einer vorzeitigen Altersrente wegen Behinderung
Leitsatz (amtlich)
Dem Gerichtshof der Europäischen Union wird gemäß Art. 267 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) folgende Frage vorgelegt:
Ist Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf dahin auszulegen, dass er einer Regelung in einem Tarifvertrag entgegensteht, welche vorsieht, dass der Bezug einer Überbrückungsbeihilfe, welche mit dem Ziel gewährt wird, einen angemessenen Lebensunterhalt von Arbeitnehmern, die ihren Arbeitsplatz verloren haben, auf der Basis der tariflichen Grundvergütung bis zum Erwerb einer wirtschaftlichen Absicherung durch den Anspruch auf eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung zu gewährleisten, mit der Berechtigung zum Bezug vorgezogenen Altersruhegeldes endet, und bei ihrer Anwendung auf die Möglichkeit, eine vorzeitige Altersrente wegen Behinderung zu erhalten, abstellt?
Normenkette
RL 2000/78/EG Art. 2 Abs. 2; TV SozSich § 8 Nr. 1 Buchst. c)
Verfahrensgang
ArbG Münster (Aktenzeichen 4 Ca 1412/15) |
Tenor
Das Verfahren wird ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) folgende Frage vorgelegt:
Ist Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf dahin auszulegen, dass er einer Regelung in einem Tarifvertrag entgegensteht, welche vorsieht, dass der Bezug einer Überbrückungsbeihilfe, welche mit dem Ziel gewährt wird, einen angemessenen Lebensunterhalt von Arbeitnehmern, die ihren Arbeitsplatz verloren haben, auf der Basis der tariflichen Grundvergütung bis zum Erwerb einer wirtschaftlichen Absicherung durch den Anspruch auf eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung zu gewährleisten, mit der Berechtigung zum Bezug vorgezogenen Altersruhegeldes endet, und bei ihrer Anwendung auf die Möglichkeit, eine vorzeitige Altersrente wegen Behinderung zu erhalten, abstellt?
Gründe
1
A - Sachverhalt
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Die Parteien streiten über Ansprüche des Klägers gegen die beklagte Bundesrepublik aus dem Tarifvertrag zur sozialen Sicherung der Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland vom 31. August 1971 (TV SozSich).
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Der 1954 geborene Kläger arbeitete seit 1978 als Zivilangestellter bei den Britischen Streitkräften. Er ist schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung von 50. Er arbeitete zuletzt als Wachmann in der Dienststelle Münster. Auf das Arbeitsverhältnis fanden kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung die Tarifverträge für die Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland Anwendung. Wegen der Schließung der Dienststelle Münster wurde der Kläger zum 31. Dezember 2013 gekündigt. Zum 1. März 2014 nahm der Kläger eine Tätigkeit als Wachmann bei der Firma N auf. Die monatliche Arbeitszeit betrug bis zum 31. März 2016 96 Stunden, der Verdienst 10,54 Euro brutto pro Stunde bis zum 31. Mai 2015, ab 1. Juni 2015 pro Stunde 10,82 Euro brutto sowie ab 1. Januar 2016 pro Stunde 11,20 Euro brutto. Seit dem 1. April 2016 arbeitet der Kläger für die Firma N als Vollzeitkraft mit variablen monatlichen Arbeitszeiten und entsprechenden Vergütungen.
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Seit dem 1. Januar 2014 erhielt der Kläger eine Überbrückungsbeihilfe nach § 4 TV SozSich. Sie betrug zuletzt 1.604,20 Euro brutto monatlich. Mit Schreiben vom 23. März 2015 teilte die beklagte Bundesrepublik dem Kläger mit, dass er ab dem 1. Mai 2015 die Voraussetzungen zum Bezug der Altersrente für schwerbehinderte Menschen aus der gesetzlichen Rentenversicherung erfülle. Der Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe ende daher am 30. April 2015. Die Zahlung wurde mit Ablauf dieses Datums eingestellt. Nach einer Kurzauskunft der Deutschen Rentenversicherung vom 7. April 2015 (Anlage 5 zur Klageschrift, Bl. 8 f. d. A.) beträgt die Altersrente für schwerbehinderte Menschen, die der Kläger ab dem 1. Mai 2015 beziehen könnte, monatlich 909,50 Euro unter Berücksichtigung einer Kürzung von 10,8 % für die 36 Kalendermonate umfassende vorzeitige Inanspruchnahme dieser Rente. Die Hinzuverdienstgrenze für die Vollrente liegt bei monatlich 450,00 €. Laut Rentenauskunft vom 25. September 2014 betragen die Hinzuverdienstgrenzen bei Inanspruchnahme einer im Falle des Klägers ebenfalls möglichen Teilrente 2.310,00 Euro (bei 1/3 Teilrente), 1.750,00 Euro (bei hälftiger Teilrente) und 1.200,00 Euro (bei 2/3 Teilrente) (vgl. Anlage B2 zur Klageerwiderung, Bl. 45R).
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Der Kläger hat die beklagte Bundesrepublik Deutschland zum einen unmittelbar als Tarifvertragspartei des TV SozSich (als Beklagte zu 1) und zum anderen nac...