Entscheidungsstichwort (Thema)
Streitgegenstand bei Einigung durch Vergleich. Differenzierung des Streitwerts nach der Art der im Vergleich beigelegten Ansprüche
Leitsatz (redaktionell)
1. Voraussetzung für die Festsetzung eines über den Wert des Streitgegenstands hinausgehenden Einigungs-(mehr-)wert ist, dass im Zusammenhang mit der vergleichsweisen Beilegung des anhängigen Streitgegenstands der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis beseitigt wurde, es sei denn, es erfolgte ausschließlich ein Anerkenntnis oder Verzicht.
2. Haben die Parteien durch die Einigung keinen Streit und keine Ungewissheit über Ansprüche aus dem in seinem Fortbestand streitigen Arbeitsverhältnis beigelegt, sondern die im Vergleich geregelten Ansprüche, die vor der Einigung nicht aus selbstständigen tatsächlichen oder rechtlichen Gründen im Streit standen, nur anlässlich der gerichtlichen Streitigkeit geregelt, entsteht kein Einigungsmehrwert für den Vergleich.
Normenkette
GKG § 42 Abs. 4 S. 1, § 63 Abs. 2; RVG § 33; RVG-VV Nr. 1000; KSchG § 4
Verfahrensgang
ArbG Bielefeld (Entscheidung vom 29.07.2005; Aktenzeichen 5 Ca 1660/05) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Klägers wird unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen der Beschluss des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 29.07.2005 - 5 Ca 1660/05 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der Streitwert wird für das Verfahren und für den Vergleich vom 29.07.2005 auf 18.180,00 EUR und für den Einigungsmehrwert auf 6.060 EUR festgesetzt.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet
Gründe
I.
Wegen des Sach- und Streitstands wird auf die Verfahrensakten Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist an sich statthaft (§ 68 Abs. 1 Satz 1 GKG), nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes zulässig (§ 68 Abs. 1 Satz 1 GKG) sowie in gesetzlicher Form und Frist eingelegt (§§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 5 Sätze 1 u. 4 GKG) und nach Entscheidung des Arbeitsgerichts über die Nichtabhilfe dem Beschwerdegericht vorgelegt worden (§§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 GKG). Sie hat in der Sache teilweisen Erfolg.
III.
Die Beschwerde ist nur zum Teil begründet.
1. Die Streitwertfestsetzung im arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahren richtet sich nach § 63 Abs. 2 GKG und nicht nach § 33 RVG (ArbGG-Wenzel, § 12 Rn. 362 u. 380). Dies gilt auch im Fall der Beendigung des Rechtsstreits durch Vergleich und insoweit selbst für den Mehrwert des Vergleichs (LAG Baden-Württemberg, Beschl. v. 04.04.2005 - 3 Ta 44/05; LAG Baden-Württemberg, Beschl. v. 21.02.2006 - 3 Ta 23/06; LAG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 29.12.2000 - 3 Ta 90/00). Im arbeitsgerichtlichen Verfahren kommt nur bei dem Prozesskostenhilfeverfahren und bei dem Beschlussverfahren auf anwaltlichen Antrag eine Streitwertfestsetzung nach § 33 RVG in Betracht.
2. Die Festsetzung des Streitwerts für das Verfahren im Allgemeinen ist nicht Gegenstand der Beschwerde. Die Festsetzung ist auch nicht zu beanstanden. Kündigungsschutz- und Fortbestandsantrag sind zutreffend mit dem Vierteljahresentgelt nach § 42 Abs. 4 Satz 1 ArbGG bewertet worden. Für den Antrag auf Feststellung des Fortbestehens des Arbeitsverhältnisses, der ergänzend zum Kündigungsschutzantrag gemäß § 4 Satz 1 KSchG gestellt wird, fällt ein besonderer Streitwert nicht an (LAG Hamm, Beschl. v. 03.02.2003 - 9 Ta 520/02).
3. Der Streitwert für den Vergleich vom 29.07.2005 entspricht dem Verfahrensstreitwert von 18.180 EUR; für die Einigung ist ein Mehrwert von 6.060 EUR berücksichtigen.
3.1. Voraussetzung für die Festsetzung eines über den Wert des Streitgegenstandes hinausgehenden Einigungs-(mehr-)werts ist, dass im Zusammenhang mit der vergleichsweisen Beilegung des anhängigen Streitgegenstandes der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis beseitigt wurde, es sei denn, es erfolgte ausschlielich ein Anerkenntnis oder Verzicht (vgl. Nr. 1000 VV RVG).
Durch den Vergleich vom 29.07.2005 haben die Parteien den Streit um die Wirksamkeit der streitbefangenen Kündigung beigelegt. Hierzu haben sie Regelungen getroffen zur Fortzahlung der Arbeitsvergütung, zur vertraglichen Arbeitszeit, zur Übergabe des Arbeitsplatzes, zur Zahlung der Abfindung und der Anrechnung der Abfindung auf die Sozialplanabfindung, zur Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses, deklaratorisch zum Bestehen einer Versorgungsanwartschaft und zur nachvertraglichen Schweigepflicht. Solche typischen Regelungen zur Abwicklung eines Arbeitsverhältnisses und zur Beendigung einer Bestandsschutzstreitigkeit als unstreitige Konsequenz der Beendigungsvereinbarung bzw. als abfindungsähnliche freiwilligen Leistungen im Hinblick auf die Beendigungsvereinbarung (Freistellung bis zum Endzeitpunkt des Arbeitsverhältnisses - auch zur Erledigung des Urlaubs- und sonstiger Freistellungsansprüche, Fortzahlung der Arbeitsvergütung mit oder ohne Anrechnung von Zwischenverdienst; gegenseitige Herausgabe von im Besitz des Arbeitnehmers oder des Arbeitgebers befindlichen Gegenständen; Fortschreibung von Ve...