Entscheidungsstichwort (Thema)
Auslegung eines Schreibens der Partei an das Gericht aufgrund der Aufhebung der Prozesskostenhilfe als Beschwerde
Leitsatz (amtlich)
Dem Rechtsstaatsprinzip gem. Art. 19 Abs. 4 GG und dem daraus resultierenden Anspruch auf effektiven Rechtsschutz ist im Prozesskostenhilfeverfahren dadurch Rechnung zu tragen, dass Eingaben der Partei sachdienlich dahingehend auszulegen sind, dass die Erreichung des regelmäßig gewünschten Ziels, eine günstige anderweitige Entscheidung zu erreichen, möglich ist (so schon LAG Hamm, Beschluss v. 19. 10. 2015, 5 Ta 395/15, [...]; Beschluss v.10.04.2014, 5 Ta 191/14, Beschluss v. 29.01.2013, 5 Ta 35/13 jeweils n.v.; im Anschluss an LAG Schleswig-Holstein, 3 Ta 117/11, Beschluss v. 20.07.2011, [...]; LAG Rheinland-Pfalz, 2 Ta 281/04, Beschluss v. 13.01.2005, [...]).
Die Handlung einer Naturalpartei, die innerhalb der Beschwerdefrist gegen einen Aufhebungsbescheid gem. § 124 Abs. 1 Ziff. 2 ZPO eine Abschrift der ihr übersandten Aufhebungsentscheidung nebst den vom Gericht für eine möglich Abänderung geforderten Belegen einreicht, ist als sofortige Beschwerde auszulegen. Dies gilt auch dann, wenn das Gericht die Partei auf die seiner Auffassung nach einzuhaltenden Formalien einer ausdrücklichen Beschwerdeschrift hingewiesen hat.
Die Partei braucht einen so auslegbaren Antrag nicht ausdrücklich wiederholen (insoweit anschließend an LAG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 20. Juli 2011, 3 Ta 117/11, [...]).
Normenkette
ZPO § 572 Abs. 2; BGB § 140; ZPO § 127 Abs. 2 S. 2
Verfahrensgang
ArbG Dortmund (Entscheidung vom 02.05.2017; Aktenzeichen 10 Ca 1010/14) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin vom 24.05.2017 gegen den Prozesskostenhilfe-Aufhebungsbeschluss des Arbeitsgerichts Dortmund vom 02.05.2017 - 10 Ca 1010/14 - wird der Beschluss aufgehoben.
Gründe
I. Der Klägerin war unter dem 25.08.2014 Prozesskostenhilfe mit der Maßgabe bewilligt worden, dass sie zunächst keine Leistungen erbringen musste.
Mit Schreiben vom 30.01.2017, zugestellt am 30.01.2017, wurde der Prozessbevollmächtigte der Klägerin darauf hingewiesen, dass diese im automationsgestützten Verfahren zur Abgabe einer aktuellen Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse aufgefordert worden war und die erbetene Erklärung nicht fristgerecht abgegeben wurde. Es wurde sodann eine Frist von drei Monaten zur Abgabe der Erklärung gesetzt. Nachdem eine Erklärung binnen der drei Monate nicht einging, wurde die Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 02.05.2017, zugestellt am 08.05.2017, mangels Mitwirkung aufgehoben.
Mit Schreiben vom 03.05.2017, bei Gericht eingegangen am 03.05.2017, legte die Klägerin die geforderte Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst Anlagen vor. Mit Schreiben vom 04.05.2017 wies das Arbeitsgericht darauf hin, dass bereits ein aufhebender Beschluss ergangen sei und fragte an, ob Rechtsmittel eingelegt wird. Weiter forderte es konkrete Unterlagen an. Die Anfrage wurde mit Schreiben vom 24.05.2017 wiederholt. Am 24.05.2017 ging sodann von der Klägerin persönlich übersandt eine Abschrift des Aufhebungsbeschlusses sowie ein Kontoauszug bei Gericht ein. Mit Schreiben vom 31.05.2017 an die Klägerin persönlich wurde darauf hingewiesen, dass das Rechtsmittel fristgebunden sei und auch bei der Rechtsantragsstelle eingelegt werden könne. Am 02.06.2017 gingen sodann der angeforderte aktuelle Arbeitsvertrag sowie weitere Unterlagen der Klägerin von dieser selbst übersandt ein.
Mit am 14.06.2017 bei Gericht eingegangenem Schreiben der Klägerin selbst legte diese ausdrücklich sofortige Beschwerde ein.
Mit Schreiben vom 16.06.2017 teilte das Arbeitsgericht mit, dass die sofortige Beschwerde verspätet sei und wies auf die Möglichkeit eines Wiedereinsetzungsantrages hin. Mit Schreiben vom 07.07.2017 bat der Klägervertreter darum, sein Schreiben vom 03.05.2017 als Beschwerde zu werten.
II. Die gemäß § 11 Abs. 1 RPflG i. V. m. §§ 11a Abs. 1, 78 ArbGG und §§ 127 Abs. 2 S. 2, 567 ff ZPO an sich statthafte, form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde ist zulässig und in der Sache begründet.
1) Nach § 11a Abs. 1 ArbGG i. V. m. § 124 Abs. 1 Nr. 2 ZPO soll das Gericht die Bewilligung der Prozesskostenhilfe aufheben, wenn die Partei absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit unrichtige Angaben über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht oder eine Erklärung im Prozesskostenhilfe-Prüfungsverfahren, § 120 a Abs. 1 S. 3 ZPO, nicht abgegeben hat. Ein solches Fehlverhalten setzt in der Regel voraus, dass die Partei unter Fristsetzung ergebnislos zur Vorlage bestimmter, im Einzelnen benannter Belege und/oder zur Abgabe einer Erklärung über eine etwaige Änderung der Verhältnisse aufgefordert worden ist (Dürbeck/Gottschalk, Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, Beratungshilfe, 8. Auflage 2016, Rn 1009 m. w. N.). Kommt die Partei einer solchen konkreten Aufforderung trotz Mahnung nicht in angemessener Zeit nach, ist eine Aufh...