Entscheidungsstichwort (Thema)
Einstweilige Verfügung. Interessenausgleich. Unterlassungsanspruch. Betriebsänderung. Betriebsspaltung. Spaltung. Unterrichtung. Beratung. Sicherung
Leitsatz (redaktionell)
Nach nunmehr ständiger Rechtsprechung beider Beschwerdekammern des LAG Hamm besteht ein im Wege der einstweiligen Verfügung durchsetzbarer Anspruch des Betriebsrates auf Unterlassung einer Betriebsänderung bis zum Abschluss der Verhandlungen über einen Interessenausgleich. Nur so kann nämlich effektiv sichergestellt werden, dass der Betriebsrat die ihm durch die §§ 111, 112 BetrVG zugewiesenen Aufgaben wahrnehmen kann, nämlich nach erfolgter ordnungsgemäßer Unterrichtung durch den Arbeitgeber im Zuge der zwingend in § 111 Satz 1 BetrVG vorgesehenen Beratung die Arbeitnehmerinteressen argumentativ in den Entscheidungsprozess einfließen zu lassen.
Normenkette
ArbGG § 85 Abs. 2; BetrVG §§ 111-112
Verfahrensgang
ArbG Detmold (Beschluss vom 24.04.2008; Aktenzeichen 3 BVGa 8/08) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Betriebsrates wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Detmold vom 24.04.2008 – 3 BVGa 8/08 – abgeändert und die Arbeitgeberin bei Androhung eines Ordnungsgeldes, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, verpflichtet, die zum 01.05.2008 geplante Übertragung des Betriebsteils Versorgung (Küche, Service, Cafeteria und Kiosk) auf die M5-C1 GmbH solange zu unterlassen, bis der zwischen den Beteiligten zu versuchende Interessensausgleich zustande gekommen oder endgültig gescheitert ist.
Tatbestand
A.
Der Betriebsrat begehrt im Wege der einstweiligen Verfügung von der Arbeitgeberin die Unterlassung einer Betriebsänderung bis zum Abschluss oder Scheitern eines Interessenausgleichs.
Die Arbeitgeberin betreibt in H1-B2 M2 die R1 Klinik, eine Fachklinik für Orthopädie und Onkologie. Dort besteht ein Betriebsrat, der Antragsteller im vorliegenden Verfahren.
In der Klinikeinrichtung sind zur Zeit 166 Arbeitnehmer beschäftigt, davon 28 im Betriebsteil „Versorgung” mit den Bereichen Küche, Service, Cafeteria und Kiosk.
Im Herbst 2007 wurden dem Betriebsrat die Planungen der Arbeitgeberin bekannt, den Versorgungsbereich in ein Tochterunternehmen, die M5-C1 GmbH, auszugliedern. Mitte Januar 2008 legte dann die Arbeitgeberin dem Betriebsrat den Entwurf einer Betriebsvereinbarung vor, auf deren Inhalt als Anlage zum Antragsschriftsatz vom 14.04.2008 Bezug genommen wird (Bl. 8 ff. d. A.). Gut einen Monat später unterbreitete der Betriebsrat einen Gegenentwurf, auf dessen Inhalt als Anlage zum Antragsschriftsatz vom 14.04.2008 ebenfalls Bezug genommen wird (Bl. 11 ff. d. A.).
Mit Schreiben vom 25.03.2008 informierte dann die Arbeitgeberin die betroffenen Arbeitnehmer von dem bevorstehenden Betriebsübergang zum 01.05.2008 (Bl. 15 ff. d. A.).
Am 04.04.2008 ging dann dem Betriebsrat eine E-Mail der Arbeitgeberin zu, die auszugsweise wie folgt lautet:
…
bezugnehmend auf unser Gespräch sagen wir Ihnen zu:
Unabhängig vom individualrechtlichen Übergang der Anstellungsverhältnisse der betroffenen Mitarbeiter Service, Küche, Cafeteria, Kiosk zur M5 C1 GmbH zum 1.5.2008 werden strukturelle Überführungen, also ein betriebsverfassungsrechtlicher Übergang, auf diese Gesellschaft frühestens zum 1.6.2008 ggf. bei einer Einigung mit dem Betriebsrat auch früher durchgeführt.
Mit seinem am Arbeitsgericht am 14.04.2008 eingegangenen Antrag begehrt der Betriebsrat die Unterlassung der Betriebsänderung.
Er hat die Auffassung vertreten, ihm stehe im Wege der einstweiligen Verfügung ein Anspruch auf Unterlassung zu, solange nicht die ihm gesetzlich verbürgten Rechte gewahrt worden seien.
Der Betriebsrat hat beantragt,
- der Antragsgegnerin zu untersagen, den Betriebsteil „Versorgung” (Küche, Service, Cafeteria und Kiosk) abzuspalten, auszugliedern und auf die M5-C1 GmbH zu übertragen, solange der mit dem Betriebsrat zu versuchende Interessenausgleich nicht zustande gekommen ist oder die Verhandlungen über einen Interessensausgleich, ggf. in der Einigungsstelle, endgültig gescheitert ist.
- der Antragsgegnerin für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen ihre Verpflichtungen aus Ziffer 1. ein Ordnungsgeld in Höhe von 50.000,00 EUR anzudrohen.
Die Arbeitgeberin hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Sie hat die Meinung vertreten, es bestehe kein Unterlassungsanspruch; im Übrigen sei auch kein Verfügungsgrund gegeben.
Davon abgesehen seien von der Maßnahme nur wenige Mitarbeiter betroffen; im Übrigen handele es sich für den Klinikbetrieb um ganz unwesentliche Tätigkeiten.
Man habe sich in der Vergangenheit auch bemüht, die Sache mit dem Betriebsrat zu regeln; bis heute habe dieser aber nicht auf die E-Mail vom 04.04.2008 geantwortet.
Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 24.04.2008 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, es könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Interessen des Betriebsrates die Interessen der Arbeitgeberin an der Betriebsänderung überwiegen würden.
Gegen diese Entsche...