Entscheidungsstichwort (Thema)

einstweilige Verfügung. Interessenausgleich. Unterlassungsanspruch. Betriebsänderung. geplant. Planung. Personalabbau

 

Leitsatz (redaktionell)

Es besteht ein im Wege der einstweiligen Verfügung durchsetzbarer Anspruch des Betriebsrats auf Unterlassung einer Betriebsänderung bis zum Abschluss der Verhandlungen über einen Interessenausgleich.

Für die Annahme einer Betriebsänderung ist es nicht ausreichend, wenn ein Personalabbau auf eine bestimmte (wirtschaftliche) Entwicklung bzw. Entscheidung bei einem Kunden des Arbeitgebers zurückzuführen ist, solange der Arbeitgeber aufgrund dessen keine Maßnahmen durchzuführen beabsichtigt, die ihrerseits den Umfang einer Betriebsänderung – je nach Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer – annehmen.

 

Normenkette

ArbGG § 85 Abs. 2; BetrVG § 111

 

Verfahrensgang

ArbG Dortmund (Beschluss vom 23.07.2008; Aktenzeichen 3 BVGa 12/08)

 

Tenor

Die Beschwerde des Betriebsrates gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Dortmund vom 23.07.2008 – 3 BVGa 12/08 – wird zurückgewiesen.

 

Tatbestand

I.

Der Betriebsrat begehrt im Wege der einstweiligen Verfügung von der Arbeitgeberin die Unterlassung betriebsbedingter Kündigungen bis zum Abschluss oder Scheitern eines Interessenausgleichs.

Die Arbeitgeberin, die im Juni 2008 insgesamt 57 Arbeitnehmer beschäftigte, erbringt bundesweit an 45 Standorten Hausmeister-, Reinigungs- und Empfangsserviceleistungen, und zwar in Objekten, die im Eigentum der Vermögens- und Treuhandgesellschaft des D1 (V1) stehen. Die Dienstleistungen werden aufgrund sogenannter Gebäudemanagementverträge in den Häusern des D1 erbracht.

Ab dem Jahre 2007 wurde die Kündigung verschiedener Dienstleistungsverträge erklärt, namentlich weil die V1 den Entschluss gefasst hatte, Objekte zu veräußern.

So kam es im August 2007 im Objekt K1 zur arbeitgeberseitigen Kündigung der drei dort bestehenden Arbeitsverhältnisse. Auch in den Objekten S1 und A1 wurden die insgesamt drei dort beschäftigten Mitarbeiter entlassen. Am 26.02., 25.03. und 04.04.2008 erhielt der Betriebsrat Nachricht davon, dass wegen des Verkaufs von Objekten in B1, W1 und A2 die Kündigung von insgesamt vier Beschäftigten beabsichtigt sei. Nachdem es zum 30.04.2008 am Standort E1 bereits zur Entlassung einer Arbeitnehmerin gekommen war, erfolgte am 02.05.2008 die Mitteilung an den Betriebsrat, dass dort fortan für das Betriebsratsmitglied K2 auch keine Beschäftigung mehr vorhanden sei. Es solle eine Änderungskündigung mit dem Ziel ausgesprochen werden, sie zukünftig in B2 einzusetzen, wo dann dem Arbeitnehmer Z1 eine Beendigungskündigung erklärt werden müsse.

Am 09.07.2008 wandte sich die Arbeitgeberin an den Betriebsrat mit dem Begehren, dem zu jeweils 50% in M1 und W2 tätigen Arbeitnehmer N1 eine Änderungskündigung auszusprechen, weil mit dem Verkauf des Objektes in W2 am 03.07.2008 insoweit keine Einsatzmöglichkeit mehr bestehe. Am 01.08.2008 wurde der Betriebsrat arbeitgeberseits davon unterrichtet, dass man die betriebsbedingte Kündigung zweier Reinigungskräfte in D2 plane, weil der Dienstleistungsvertrag für das dortige Objekt zum Ende des Jahres 2008 gekündigt worden sei. Weiterhin wird der Arbeitsplatz in dem ebenfalls zum 31.12.2008 gekündigten Objekt in F1 entfallen; dort ist der Betriebsratsvorsitzende tätig.

Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, dass die Arbeitgeberin eine interessenausgleichspflichtige Maßnahme plane. Aufgrund einer einheitlich gefassten Entscheidung der V1, sich von mehreren Objekten zu trennen, erfolge ein Abbau von mindestens sieben Arbeitsplätzen. In dem Zusammenhang hat der Betriebsrat behauptet, der Vertrag für das Objekt in M2 sei auch gekündigt worden, wodurch drei weitere Arbeitnehmer betroffen seien.

Der Betriebsrat hat beantragt,

der Arbeitgeberin im Wege der einstweiligen Verfügung aufzugeben, es zu unterlassen, betriebsbedingte Kündigungen zur Durchführung der geplanten Betriebsänderung auszusprechen, bis die Verhandlungen über einen Interessenausgleich abgeschlossen, ggfs. in der Einigungsstelle, endgültig gescheitert sind.

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Sie hat darauf hingewiesen, dass von ihr zu keiner Zeit einheitlich die Entlassung von mehr als fünf Arbeitnehmern geplant worden sei; man habe vielmehr in jedem Einzelfall, beginnend im August 2007, „nur” auf die Kündigung von Dienstleistungsverträgen reagiert. Abgesehen davon liege bis heute keine Kündigung des Objekts in M2 vor; eine Entscheidung des Kunden falle erst im September 2008.

Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 23.07.2008 den Antrag des Betriebsrates abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, es fehle an Darlegungen dazu, unter welchen Umständen die Arbeitgeberin die einheitliche Entscheidung getroffen habe, ein Personalabbau im Umfang von mindestens sechs Arbeitsplätzen vorzunehmen. Davon abgesehen sei auch nicht ersichtlich, dass tatsächlich im genannten Umfang Mitarbeiter entlassen worden seien.

Gegen...

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