Entscheidungsstichwort (Thema)
Einstweilige Verfügung. Interessenausgleich. Unterlassungsanspruch. Betriebsänderung. Zuständigkeit. Betriebsrat. Gesamtbetriebsrat
Leitsatz (redaktionell)
1. Nach der Rechtsprechung der Beschwerdekammer besteht ein im Weg der einstweiligen Verfügung durchsetzbarer Anspruch auf Unterlassung einer Betriebsänderung bis zum Abschluss der Verhandlungen über einen Interessenausgleich.
2. Wird bei einer arbeitgeberseitig geplanten Maßnahme deutlich, dass über den einzelnen Betrieb hinaus ein unternehmenseinheitliches Konzept zum zukünftigen Einsatz des vorhandenen Personals entwickelt wurde und umgesetzt werden soll – mit der Folge, dass die dazu erforderlichen interessenausgleichsrelevanten Abreden über das Ob, Wann und Wie der geplanten Änderung einheitlich zu treffen sind, ist der Gesamtbetriebsrat originär zuständig.
Normenkette
ArbGG § 85 Abs. 2; BetrVG §§ 50, 111-112
Verfahrensgang
ArbG Detmold (Beschluss vom 26.07.2007; Aktenzeichen 1 BVGa 26/07) |
Tenor
Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Detmold vom 26.07.2007 – 1 BVGa 26/07 – wird zurückgewiesen.
Tatbestand
A.
Der antragstellende Betriebsrat begehrt im Wege der einstweiligen Verfügung von der Arbeitgeberin die Unterlassung einer aus seiner Sicht bevorstehenden Betriebsänderung bis zum Abschluss oder Scheitern eines Interessenausgleichs.
Die Arbeitgeberin, ein Unternehmen mit bundesweit 74 Einzelhandelsfilialen, betreibt unter anderem ein Warenhaus in D1. Dort besteht ein Betriebsrat, der Antragsteller im vorliegenden Verfahren.
In D1 sind ca. 96 Arbeitnehmer beschäftigt, die bislang neben Verkaufs- und Kassieraufgaben auch Warenservicetätigkeiten (z.B. Auspacken, Auffüllen von Ware) wahrnehmen.
Nach einem Beschluss der Arbeitgeberin im Sommer 2006 wurde dem im Unternehmen bestehenden Gesamtbetriebsrat (Beteiligter zu 3.) am 04.08.2006 für sämtliche Filialen ein Konzept zur Trennung der Tätigkeiten in die Bereiche Verkauf/Kasse einerseits und Warenservice andererseits vorgestellt. Für letzteren Bereich sollte ein sogenanntes Warenteam unter der Leitung eines Teamleiters Warenservice geschaffen werden.
In der Folgezeit kam es am 09.11.2006 zum Abschluss einer Gesamtbetriebsvereinbarung, nach deren Ziffer 1 die Verkaufsmitarbeiter zukünftig schwerpunktmäßig für reine Verkaufstätigkeiten und die Warenservicemitarbeiter überwiegend für logistische und administrative Aufgaben eingesetzt werden sollten. Unter Ziffer 5 einigte man sich auf die Durchführung einer dreimonatigen Testphase. In zwei ausgesuchten Filialen wurde eine personelle Funktionstrennung zwischen den Bereichen Verkauf und Warenservice vorgenommen (sog. Testmodell 1), während in der dritten (kleineren) Filiale der Test ohne die Funktionstrennung erfolgte (sog. Testmodell 2). Wegen des weiteren Inhalts der Gesamtbetriebsvereinbarung wird verwiesen auf die mit Antragsschriftsatz vom 19.07.2007 eingereichte Kopie (Bl. 23 ff.d.A.).
Anschließend schloss man am 13.02.2007 eine „Ergänzungsvereinbarung”, in der unter Ziffer 1 festgestellt wurde, dass sich beide Testmodelle bewährt haben. Abhängig von der Größe der Filiale und der dort gegebenen Personaldichte ordnete man 13 Filialen dem Testmodell 2 zu. In den übrigen Filialen, darunter D1, soll das Testmodell 1 umgesetzt werden, und zwar in D1 zum 01.08.2007.
Nachdem der Betriebsrat mit Schreiben vom 27.06.2007 die Arbeitgeberin vergeblich aufgefordert hatte, unter anderem Interessenausgleichsverhandlungen aufzunehmen, leitete er am 19.07.2007 das einstweilige Verfügungsverfahren ein.
Er hat die Auffassung vertreten, es handele sich bei der beabsichtigten Umsetzung des Organisationskonzepts um eine Betriebsänderung. Sie dürfe solange nicht realisiert werden, bis die mit ihm zu führenden Interessenausgleichsverhandlungen erfolgreich abgeschlossen oder endgültig gescheitert seien.
Der Betriebsrat hat beantragt,
der Antragsgegnerin zu untersagen,
- die Bereiche Verkauf/Kasse und Warenservice organisatorisch zu trennen und die Arbeitnehmer in ein Warenteam und ein Kundenteam aufzuteilen,
- Arbeitnehmer auf Arbeitsplätze im Bereich Warenservice zu versetzen,
solange mit dem Betriebsrat kein Interessenausgleich zustande gekommen ist oder die Verhandlungen über einen Interessenausgleich endgültig, gegebenenfalls in der Einigungsstelle gescheitert sind,
- der Antragsgegnerin wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen ihre Verpflichtungen aus Ziffer 1 a) und b) ein Ordnungsgeld in Höhe von 100.000,– EUR angedroht.
Die Arbeitgeberin hat beantragt,
den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.
Sie hat die Meinung vertreten, es bestehe angesichts der beim Betriebsrat spätestens seit Mitte Februar 2007 bereits vorhandenen Kenntnisse über das umzusetzende Personalkonzept kein Verfügungsgrund.
Davon abgesehen gebe es keine Rechtsgrundlage für einen Verfügungsanspruch. Die für die Filiale D1 vorgesehene personelle Funktionstrennung sei auch keine Betriebsänderung im Sinne des § 111 BetrVG. In jedem Fal...