Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsweg: Keine Zusammenhangszuständigkeit der Arbeitsgerichte gemäß § 2 Abs. 3 ArbGG, wenn der Hauptklage ein sic-non-Antrag i.S.d. Rechtsprechung des BAG zugrunde liegt
Leitsatz (redaktionell)
Es besteht keine Zusammenhangszuständigkeit der Arbeitsgerichte nach § 2 Abs. 3 ArbGG, wenn der Hauptklage ein sog. sic-non-Antrag zugrunde liegt. Die Fiktion des § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG greift unabhängig davon ein, ob das der Organstellung zugrunde liegende Rechtsverhältnis mteriell-rechtlich ein freies Dienstverhältnis oder ein Arbeitsverhältnis ist.
Normenkette
GVG § 17a Abs. 2; ZPO §§ 567, 569, 145; ArbGG § 5 Abs. 1 S. 3, § 2 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Münster (Beschluss vom 11.04.2006; Aktenzeichen 1 Ca 2498/05) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Beklagten zu 1) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts vom 11.04.2006 – 1 Ca 2498/05 – wird als unzulässig verworfen.
Auf die Beschwerde der Beklagten zu 2) und 3) wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Münster teilweise abgeändert. Das Verfahren wird bezüglich der gegen die Beklagten zu 2) und 3) gerichteten Klageanträge zu Ziffer 16) bis Ziffer 30) abgetrennt.
Insoweit wird der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für unzulässig erklärt. Hinsichtlich der abgetrennten Klageanträge gegen die Beklagten zu 2) und 3) wird der Rechtsstreit an das Landgericht Lübeck verwiesen.
Die bisher angefallenen Kosten des Beschwerdeverfahrens haben der Kläger zu 2/3 und die Beklagten zu 1) bis 3) zu 1/3 zu tragen. Die endgültige Kostenverteilung im Verhältnis zwischen dem Kläger und den Beklagten zu 2) und 3) bleibt dem Landgericht Lübeck vorbehalten.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 44.775,00 EUR festgesetzt.
Tatbestand
I
Die Parteien streiten im Beschwerderechtszug über die Zulässigkeit des Rechtsweges.
Der Kläger will mit seiner am 21.10.2005 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage feststellen lassen, dass das zwischen ihm und der Beklagten zu 1) bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 04.10.2005 nicht aufgelöst worden ist, sondern über den 30.06.2006 hinaus ungekündigt fortbesteht. Außerdem nimmt er die Beklagte zu 1) auf Weiterbeschäftigung zu den Bedingungen des Vertrages vom 20.06.1995 in Anspruch, macht Tantiemeansprüche, offene Vergütungsansprüche, Schmerzensgeld und Schadensersatz geltend.
Der Kläger trat am 01.01.1996 als stellvertretender Geschäftsführer aufgrund eines Dienstvertrags vom 20.06.1995 in die Dienste der Beklagten zu 1). Sein Aufgabenbereich umfasste nach dem geschlossenen Vertrag die Leitung der Buchhaltung und Bilanzierung, die kaufmännische Abwicklung des Einkaufs, die Leitung der Abteilung Ersatzteilverkauf und Service, die Leitung des Personalwesens sowie die Leitung der allgemeinen Verwaltung, EDV und Organisation. Die allgemeine Überwachung und das Controlling der Tochter- und Beteiligungsgesellschaften gehörte ebenfalls zu seinen Aufgaben. Als Prokurist mit Gesamtprokura war er dem alleinigen Geschäftsführer unmittelbar unterstellt. Gemäß 1.3 des Dienstvertrages vertrat er die Gesellschaft gemeinsam mit dem geschäftsführenden Gesellschafter oder einem Prokuristen gerichtlich oder außergerichtlich. Die förmliche Bestellung des Klägers zum Geschäftsführer der Beklagten zu 1) gemäß §§ 35, 44 GmbHG ist vertraglich nicht vorgesehen und tatsächlich auch nicht erfolgt. Nach übereinstimmender Auffassung der Parteien war der Kläger für die Beklagte zu 1) als leitender Angestellter tätig.
Nach der in § 2 des Dienstvertrages geregelten Geschäftsführungsbefugnis hatte er sein Amt als stellvertretender Geschäftsführer mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns zu führen. Alle Geschäfte, die außerhalb des gewöhnlichen Geschäftsbetriebes lagen, bedurften der vorherigen Zustimmung des geschäftsführenden Gesellschafters. Wegen des Katalogs der zustimmungsbedürftigen Geschäfte wird auf den Inhalt des Dienstvertrages Bezug genommen.
Als Vergütung für seine Tätigkeit vereinbarten die Parteien ein jährliches Grundgehalt von 180.000,00 DM, ein 13. Monatsgehalt, eine Mindestprämie von 30.000,00 DM sowie die Anpassung des Gehalts an die Tariferhöhungen der Gruppe K 6. Das Bruttomonatsgehalt des Klägers belief sich zuletzt auf etwa 10.000,00 EUR.
Mit Klageerweiterung vom 04.01.2006 hat der Kläger die Beklagten zu 2) und 3) in den Prozess einbezogen. Er will gegenüber den Beklagten zu 2) und 3) jeweils den Bestand eines Arbeitsverhältnisses feststellen lassen, welches durch die Kündigungen der Beklagten zu 2) vom 16.12.2005 und vom 28.12.2005 sowie durch die Kündigungen der Beklagten zu 3) vom 16.12.2005 und 28.12.2005 nicht aufgelöst worden ist. Außerdem verlangt er von den Beklagten zu 2) und 3) Weiterbeschäftigung, Zahlung, die Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses und Schadensersatz.
Bei den Beklagten zu 2) und 3) handelt es sich um abhängige Konzernunternehmen in der Unternehmensgruppe der Beklagten zu 1). Die Beklagte zu 3) ist ein Tochterunternehmen der Beklagten zu 2), die 100 % der Geschäftsanteile ...