Entscheidungsstichwort (Thema)

Gegenstandswert. Beschlussverfahren. Zustimmungsersetzung zur Einstellung von mehreren Leiharbeitnehmern. Feststellungsantrag. Aufhebungsantrag

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die wirtschaftliche Bedeutung der Angelegenheit rechtfertigt es, in Beschlussverfahren nach § 99 BetrVG, in denen es um die Einstellung, Umgruppierung oder Versetzung von Arbeitnehmern geht, sich an dem Streitwertrahmen des § 42 Abs. 4 GKG zu orientieren. Folgerichtig ist bei der Wertfestsetzung in betriebsverfassungsrechtlichen Streitigkeiten nach den §§ 99 ff. BetrVG auf die Bewertung einer entsprechenden Klage im Urteilsverfahren, also auf § 42 Abs. 4 GKG zurückzugreifen.

2. Das wirtschaftliche Interesse an der Einstellung eines Arbeitnehmers drückt sich regelmäßig in dem zu zahlenden Arbeitsverdienst aus. Aus dieser Sicht muss der Streitwert eines Zustimmungsersetzungsverfahrens im Rahmen des § 23 Abs. 3 RVG unter analoger Heranziehung der Streitwertbegrenzungsnorm des arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahrens in § 42 Abs. 4 GKG gebildet werden.

3. Neben einem Zustimmungsersetzungsantrag nach § 99 Abs. 4 BetrVG muss auch der nach § 100 Abs. 2 S. 3 BetrVG gestellte Antrag auf Feststellung, dass die vorläufige Durchführung der Einstellung dieser Arbeitnehmer aus sachlichen Gründen dringend erforderlich war, zusätzlich bewertet werden.

4. Bei einem Streit über mehrere Einstellungen sind Einzelwerte zu bilden und analog § 5 ZPO zusammenzurechnen. Allerdings ist eine Herabsetzung des sich so ergebenden Werts regelmäßig dann geboten, wenn mehrere personelle Einzelmaßnahmen auf eine einheitliche unternehmerische Entscheidung zurückzuführen sind und die Einzelfälle keine Besonderheiten aufweisen. Es ist gerechtfertigt, in Anlehnung an die Staffelung der Arbeitnehmerzahlen in § 9 den Wert jeder einzelnen personellen Maßnahme typisierend festzulegen, um auf diese Weise zu einer gleichförmigen und damit den Gleichbehandlungsgrundsatz wahrenden Rechtsanwendung zu gelangen. Dabei ist die erste personelle Maßnahme mit dem vollen Wert, die weiteren Maßnahmen sind mit prozentualen Anteilen des Ausgangswerts nach folgender Staffel zu berücksichtigen: Maßnahmen 2 bis 20 = 25 % des Ausgangswerts; Maßnahmen 21 bis 50 = jeweils 12,5 % des Ausgangswerts; Maßnahmen 51 bis 100 = jeweils 10 % des Ausgangswerts etc..

5. Für Aufhebungsanträge des Betriebsrats nach § 101 BetrVG sind Gegenstandswerte, die den jeweiligen Zustimmungsersetzungsanträgen entsprechen, in Ansatz zu bringen.

6. Vom Betriebsrat gestellte Feststellungswideranträge rechtfertigen keine weitere Erhöhung des Gegenstandswerts, da sie in den von der Arbeitgeberin gestellten Feststellungsanträgen nach § 100 Abs. 2 BetrVG enthalten sind.

 

Normenkette

RVG § 23 Abs. 3, § 33 Abs. 3; BetrVG §§ 99-101

 

Verfahrensgang

ArbG Paderborn (Urteil vom 09.09.2009; Aktenzeichen 2 BV 16/09)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Arbeitgeberin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Paderborn vom 09.09.2009 – 2 BV 16/09 – unter Zurückweisung der weitergehenden Beschwerde abgeändert.

Der Wert des Gegenstandswerts der anwaltlichen Tätigkeit wird für das Verfahren im Allgemeinen auf 5.677,58 EUR festgesetzt.

Diese Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.

 

Tatbestand

I.

Im Ausgangsverfahren hat die Arbeitgeberin die gerichtliche Ersetzung der vom Betriebsrat verweigerten Zustimmung zur Einstellung von Leiharbeitnehmern geltend gemacht.

Mit Schreiben vom 23.06.2009 hatte die Arbeitgeberin bei dem in ihrem Betrieb gewählten Betriebsrat die Zustimmung zur Einstellung von drei Leiharbeitnehmern „für den Zeitraum von zwei Monaten” beantragt. Nachdem der Betriebsrat die erforderliche Zustimmung nicht erteilt hatte, unterrichtete die Arbeitgeberin den Betriebsrat mit Schreiben vom 30.06.2009 über die vorläufige Einstellung von drei Leiharbeitnehmern für die Blechfertigung. Dabei wies sie unter anderem darauf hin, dass es notwendig sei, ab dem 01.07.2009 drei Leiharbeitnehmer „zunächst für die Dauer von zwei Monaten” in der Blechfertigung einzusetzen. Mit dem am 09.07.2009 beim Arbeitsgericht eingeleiteten Beschlussverfahren machte die Arbeitgeberin die Zustimmungsersetzung zur Einstellung der Leiharbeitnehmer N1, M2 und K2 sowie die Feststellung geltend, dass die vorläufige Einstellung dieser Arbeitnehmer aus sachlichen Gründen dringend erforderlich sei.

Während des laufenden Beschlussverfahrens beantragte die Arbeitgeberin mit Schreiben vom 16.07.2009 (Bl. 62 d. A.) die Zustimmung des Betriebsrats zur Einstellung eines weiteren Leiharbeitnehmers ab dem 20.07.2009 „für die Dauer von ca. zwei Monaten (30.09.2009)”. Nachdem der Betriebsrat auch dieser Einstellung nicht zugestimmt hatte, erweiterte die Arbeitgeberin das Beschlussverfahren und beantragte zusätzlich die Feststellung, dass die Zustimmung des Betriebsrats zur Einstellung von Herrn T1 als erteilt gilt, hilfsweise die vom Betriebsrat verweigerte Zustimmung zur Einstellung des Herrn T1 zu ersetzen.

Mit Antrag vom 03.08.2009 hatte der Betriebsrat unter anderem beantragt...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge