Entscheidungsstichwort (Thema)
Prozesskostenhilfe. Beiordnung. Erforderlichkeit. Hinweispflichten
Leitsatz (amtlich)
1. Das Arbeitsgericht ist verpflichtet, vor einer Entscheidung, mit der es Prozesskostenhilfe zurückweist, auf Mängel der Klagebegründung, die eine Erfolgsaussicht in Frage stellen oder eine Mutwilligkeit der Klageerhebung begründen zu können, zeitnah hinzuweisen, statt zunächst einen Antrag bis zur Beendigung der Instanz unbearbeitet zu lassen und erst dann nach Erinnerung an eine Entscheidung durch die Prozesskostenhilfe begehrende Partei kurz vor bzw. nach Instanzbeendigung das Prozesskostenhilfegesuch aus diesem Grund abzulehnen.
2. Gleiches gilt für etwaige Mängel bei der Darlegung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (so auch LAG Hamm, 8. November 2001, 4 Ta 708/01, LAG-Report 2002, S. 89)
3. Wird der Partei Prozesskostenhilfe bewilligt, ist im arbeitsgerichtlichen Verfahren gemäß § 11 a Abs. 3 ArbGG, § 121 Abs. 2 Alt. 2 ZPO ein Rechtsanwalt beizuordnen, wenn die Gegenseite anwaltlich vertreten ist. Eine Prüfung der Erforderlichkeit der Beiordnung findet nicht statt. § 11 a Abs. 2 ArbGG findet keine Anwendung im Prozesskostenhilfebewilligungsverfahren.
4. Bei einer rückwirkenden Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist nach den Grundsätzen des „stecken gebliebenen” Prozesskostenhilfegesuchs eine rückwirkende Beiordnung dann vorzunehmen, wenn sich der Bewilligungszeitraum mit dem Zeitraum der anwaltlichen Vertretung der Gegenseite deckt. Dies gilt im Falle einer Mandatsniederlegung auf der Gegenseite oder der Beendigung der Instanz auch dann, wenn bei sachgerechter Behandlung des Antrags durch das Arbeitsgericht gemäß Leitsatz 1 und 2 ein bewilligungsfähiges Prozesskostenhilfegesuch zuvor hätte vorliegen können.
Normenkette
ArbGG § 1a Abs. 2; ZPO § 121 Abs. 2 Alt. 2; GG Art. 103 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Bocholt (Beschluss vom 03.01.2008; Aktenzeichen 3 Ca 1600/07) |
ArbG Bocholt (Beschluss vom 18.12.2007; Aktenzeichen 3 Ca 1600/07) |
Tenor
Der Klägerin zu 1) wird Wiedereinsetzung wegen der Versäumung der Beschwerdefrist gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Bocholt vom 3. Januar 2008 (3 Ca 1600/07 PKH I) gewährt.
Auf die sofortige Beschwerde der Kläger werden die Beschlüsse des Arbeitsgerichts Bocholt vom 18. Dezember 2007 (3 Ca 1600/07 PKH II) und vom 3. Januar 2008 (3 Ca 1600/07 PKH I) aufgehoben.
Den Klägern wird für den ersten Rechtszug Prozesskostenhilfe jeweils in vollem Umfang mit Wirkung vom 25. September 2007 bewilligt.
Zur Wahrnehmung ihrer Rechte in diesem Rechtszug wird ihnen Rechtsanwalt M1 aus A1 beigeordnet.
Die Bewilligung erfolgt mit der Maßgabe, dass die Kläger keinen eigenen Beitrag zu den Kosten der Prozessführung zu leisten haben.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Kläger, Eheleute, erhoben unter dem 31. August 2007 Klage auf Herausgabe von Arbeitspapieren sowie nur der Kläger zu 2) auf Herausgabe diverser Gegenstände und beantragten zugleich die Bewilligung von Prozesskostenhilfe, der sie eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse beifügten. Zur Begründung trugen sie vor, dass die Beklagte das Arbeitsverhältnis beider Kläger mündlich gekündigt habe, die Kläger jedoch zwischenzeitlich eine Anschlussbeschäftigung gefunden hätten. Die Beklagte habe sich jedoch geweigert, die in den Klageanträgen genannten Arbeitspapiere herauszugeben. Außergerichtliche Versuche der Kläger seien fehlgeschlagen. Darüber hinaus befänden sich bei der Beklagten noch persönliche im Eigentum des Klägers zu 2) stehende Gegenstände. Außergerichtlich habe die Beklagte über ihren Anwalt mitteilen lassen, dass die Herausgabe erst nach Erfüllung eines Schadensersatzanspruches in Höhe von 500,– Euro erfolgen werde. Die Beklagte war ab dem 14. September 2007 anwaltlich vertreten, die Mandatsniederlegung erfolgte am 21. Dezember 2007. Das Verfahren endete durch ein Versäumnisurteil vom 10. Januar 2008.
Nachdem der Prozessbevollmächtigte der Kläger mit Schriftsatz vom 13. Dezember 2007 um Bescheidung des Prozesskostenhilfeantrages gebeten hatte, entschied das Arbeitsgericht zunächst durch Beschluss vom 18. Dezember 2007 mit dem Aktenzeichen (3 Ca 1600/07 PKH II), dass „die Gewährung von Prozesskostenhilfe abgelehnt” wird. Zur Begründung führte es aus, der Kläger habe nicht dargelegt, wann „der” die Beklagte zur Herausgabe der Arbeitspapiere aufgefordert haben wolle, was bei einem nicht wirksam gekündigten Arbeitsverhältnis auch eher unüblich sei. Im Übrigen habe der Kläger nicht dargetan, wann und wo er welche Gegenstände heraus verlangt habe, so dass eine Klage trotz des Anwalts auf der Gegenseite mutwillig gewesen sei. Selbst wenn die Herausgabe am Betriebssitz verlangt worden wäre, hätte es der Beiordnung eines Rechtsanwalts nicht bedurft, weil die Antragstellung mühelos schriftlich oder über die Rechtsantragsstelle möglich gewesen wäre. Vorgerichtlich habe die Beklagte jedenfalls keinen Rechtsanwalt eingeschaltet.
Der Beschluss vom 18. Dezember 200...