Entscheidungsstichwort (Thema)

Weiterbeschäftigung eines Jugend- und Auszubildendenvertreters in einem Arbeitsverhältnis. Weiterbeschäftigungsverlangen. Dreimonatsfrist. Parallelverfahren zu 10 TaBV 109/10

 

Leitsatz (redaktionell)

1. § 78a BetrVG begründet keinen Anspruch auf Beschäftigung.

2. Ein Weiterbeschäftigungsverlangen nach § 78a Abs. 2 S. 1 BetrVG muss innerhalb der letzten drei Monate vor Beendigung des Ausbildungsverhältnisses schriftlich geltend gemacht werden.

 

Normenkette

BetrVG § 78a

 

Verfahrensgang

ArbG Gelsenkirchen (Urteil vom 17.11.2010; Aktenzeichen 3 Ca 1439/10)

 

Nachgehend

BAG (Aktenzeichen 7 AZR 457/11)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Gelsenkirchen vom 17.11.2010 – 3 Ca 1439/10 – wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Weiterbeschäftigung des Klägers in einem Arbeitsverhältnis.

Die Beklagte betreibt ein Unternehmen für technische Dienstleistungen zur Errichtung und Instandhaltung von Industrieanlagen.

In ihrem Betrieb sind ein Betriebsrat und eine Jugend- und Auszubildendenvertretung gebildet.

Der am 01.01.1990 geborene Kläger befand sich ab dem 01.09.2007 bei der Beklagten aufgrund eines schriftlichen Berufsausbildungsvertrages in einer Ausbildung zum Gerüstbauer. Während der Berufsausbildung hatte er zuletzt einen monatlichen Bruttoverdienst von 1.060,– EUR.

Im Jahre 2008 wurde der Kläger in die Jugend- und Auszubildendenvertetung gewählt.

Einem schriftlichen Bericht des Bauleiters der Beklagten vom 24.10.2008 (Bl. 76 d. A.) ist zu entnehmen, dass der Kläger in der Vergangenheit mehrfach verspätet am Arbeitsplatz erschien sowie unentschuldigt fehlte.

Mit Schreiben vom 10.11.2008 (Bl. 69 d. A.) erteilte die Beklagte dem Kläger eine Abmahnung wegen Unpünktlichkeiten vom 01.08.2008, 06.08.2008, 20.08.2008 und 15.10.2008 sowie wegen verspäteter Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung.

Eine weitere Abmahnung erhielt der Kläger am 24.02.2009 (Bl. 71 d. A.) wegen unentschuldigten Fehlens am 04.02.2009 sowie 05. und 06.02.2009 in der Berufsschule; eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung habe er erst am 09.02.2009 vorgelegt.

Mit Schreiben vom 24.02.2009 (Bl. 73 d. A.) erteilte die Beklagte dem Kläger darüber hinaus eine weitere Abmahnung wegen Unpünktlichkeiten vom 05.01.2009, 13.01.2009 und 22.01.2009 sowie wegen vorzeitigen Ausstempels am 14.01.2009.

Durch Schreiben der Sozialkasse des Gerüstbaugewerbes vom 29.09.2009 (Bl. 75 d. A.) wurde die Beklagte darüber informiert, dass der Kläger im Blockunterricht vom 23.09.2009 bis zum 25.09.2009 unentschuldigt gefehlt habe.

Mit Schreiben vom 29.01.2010 (Bl. 15 d. A.) teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie ihm im Anschluss an seine Ausbildung mit Bestehen der Abschlussprüfung im Hinblick auf die in der Vergangenheit erteilten Abmahnungen kein Arbeitsverhältnis anbieten werde.

Mit Schreiben vom 23.02.2010 (Bl. 13 d. A.) wandte sich die IG Bauen-Agrar-Umwelt für den Kläger an die Beklagte und bat diese unter anderem mit der Begründung, dass seit Februar 2009 keine weiteren Abmahnungen ausgesprochen worden seien, ihre Entscheidung zu überdenken. In diesem Schreiben heißt es weiter:

„… Gem. § 78 a Betriebsverfassungsgesetz beantragen wir daher schon jetzt rein vorsorglich die Weiterbeschäftigung des Herrn I1 nach erfolgreichem Bestehen der Gesellenprüfung auf unbestimmte Zeit. …”

Daraufhin teilte die Beklagte dem Bevollmächtigten des Klägers mit Schreiben vom 08.03.2010 (Bl. 11 d. A.) mit, dass sie den Kläger im Anschluss an die berufliche Ausbildung weiterbeschäftigen werde. Gleichzeitig behielt sie sich vor, gemäß § 78 a Abs. 4 BetrVG die Auflösung des Arbeitsverhältnisses zu beantragen, sollten bis zum Ende der Ausbildung erneute Verstöße gegen die Pflichten aus dem Ausbildungsverhältnis erfolgen.

Der Kläger erhielt unter dem 09.03.2010 ein gleichlautendes Schreiben (Bl. 12 d. A.)

Mit Schreiben vom 08.03.2010 und 14.06.2010 (Bl. 77, 78 d. A.) teilte die Sozialkasse des Gerüstbaugewerbes der Beklagten mit, dass der Kläger am 03.03.2010, am 04.03.2010 und am 08.06.2010 bis zu drei Stunden im Rahmen der schulischen Ausbildung teils unentschuldigt verspätet gewesen sei.

In der Woche vom 28.06. bis zum 02.07.2010 erschien der Kläger nicht zur Arbeit auf der Baustelle in S1. Die Beklagte wurde vom Kläger über seine Abwesenheit nicht in Kenntnis gesetzt. Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung wurde erst am 05.07.2010 vorgelegt.

Am 12.07.2010 absolvierte der Kläger die mündliche Abschlussprüfung und bestand diese.

Ob zwischen der Beklagten und dem Kläger für den 13.07.2010 Urlaub vereinbart gewesen ist oder ob der Kläger an diesem Tag ebenfalls der Arbeit unentschuldigt ferngeblieben ist, ist zwischen den Beteiligten streitig.

Mit Schreiben vom 14.07.2010 (Bl. 20 d. A.) erneuerte die IG Bauen-Agrar-Umwelt das Verlangen Klägers auf Übernahme in ein Arbeitsverhältnis.

Mit dem am 16.07.2010 beim Arbeitsgericht Gelsenkirchen eingeleiteten Beschlussverfahren – 3 BV 17/...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?