Entscheidungsstichwort (Thema)
Überstunde. Zuschlag. tatsächliche Arbeitsleistung. regelmäßige Arbeitszeit
Leitsatz (amtlich)
Bei der Gewährung von Zuschlägen für geleistete überstunden nach § 10 Abs. 2 ETV kommt es nicht darauf an, ob während der regelmäßigen Arbeitszeit im Bezugszeitraum auch tatsächlich gearbeitet worden ist.
Normenkette
Tarifvertrag für die Bediensteten der nichtbundeseigenen Eisenbahn und von Kraftverkehrsbetrieben § 10
Verfahrensgang
ArbG Iserlohn (Urteil vom 23.11.2006; Aktenzeichen 4 (3) Ca 2030/06) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Iserlohn vom 23.11.2006 – 4 (3) Ca 2030/06 – wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Zahlung von Überstundenzuschlägen.
Die Klägerin ist seit dem Jahr 1998 als Angestellte im Betriebs- und Verkehrsdienst für die Beklagte tätig. Auf das Arbeitsverhältnis findet unter anderem der Tarifvertrag für die Bediensteten der nichtbundeseigenen Eisenbahnen und von Kraftverkehrsbetrieben vom 15.12.1966 (im folgenden kurz: ETV) Anwendung.
Die Beklagte erstellte der Klägerin für die erste Hälfte des Jahres 2006 bei einem tarifvertraglich vorgegebenen Ausgleichszeitraum von zwei aufeinanderfolgenden Kalendermonaten folgende Stundennachweise:
Januar/ Februar 2006: |
388,21 Gesamtstunden bei 325 Sollstunden |
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(davon 203,45 Std. wegen bezahlter Freistellungen); |
März/ April 2006: |
391,54 Gesamtstunden bei 339 Sollstunden |
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(davon 93,36 Std. wegen bezahlter Freistellungen); |
Mai/ Juni 2006: |
391,53 Gesamtstunden bei 345 Sollstunden |
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(davon 62,24 Std. wegen bezahlter Freistellungen). |
Für die insgesamt 162,28 Überstunden begehrt die Klägerin die Zahlung von Zuschlägen in Höhe von 5,04 EUR brutto pro Stunde (= unstreitig 30% ihres Basistabellenwerts in Höhe von 16,80 EUR).
Sie hat die Auffassung vertreten, nach den einschlägigen tarifvertraglichen Bestimmungen schulde die Beklagte ihr in jedem Fall der Ableistung von Überstunden auch die entsprechenden Zuschläge.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 817,89 EUR brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 318,58 EUR brutto seit dem 01.03.2006, aus 264,80 EUR brutto seit dem 01.05.2006 und aus 234,51 EUR brutto seit dem 01.07.2006 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat gemeint, die Zuschlagspflichtigkeit bestehe nur dann, wenn sowohl die Soll- wie auch die Überstunden durch tatsächliche Arbeitsleistungen erbracht worden seien. Deshalb sei hier ein Anspruch wegen der der Klägerin gewährten bezahlten Freistellungen (Urlaub oder Krankheit) nicht gegeben.
Das Arbeitsgericht hat der Klage durch Urteil vom 23.11.2006 stattgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, aus § 10 Abs. 2 ETV ergebe sich die Notwendigkeit, dass Überstunden tatsächlich geleistet worden seien; Entsprechendes gelte aber nicht für die Stunden im Rahmen der regelmäßigen Arbeitszeit. Anderenfalls hätten die Tarifvertragsparteien das Verb „geleistet” auch darauf beziehen müssen.
Gegen dieses der Beklagten am 15.12.2006 zugestellte Urteil hat sie am 04.01.2007 Berufung eingelegt und diese am 31.01.2007 begründet.
Sie ist der Ansicht, zu Recht habe sie bei der Feststellung von Überstunden und entsprechender Zuschläge die u.a. wegen Urlaubs und Krankheit angefallenen Freistellungszeiten unberücksichtigt gelassen, weil diese im Sinne des § 10 ETV nicht „geleistet” worden seien. Durch den Zuschlag solle nämlich nur einer tatsächlichen Mehrbelastung Rechnung getragen werden.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Iserlohn vom 23.11.2006 – 4 (3) Ca 2030/06 – abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie meint, § 10 ETV setze nicht voraus, dass auch die Stunden, die der regelmäßigen Arbeitszeit entsprächen, tatsächlich geleistet werden müssten.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben.
Die Klägerin kann von der Beklagten die Zahlung eines 30-prozentigen Zuschlags für die im Zeitraum von Januar bis Juni 2006 angefallenen insgesamt 162,28 Überstunden in rechnerisch unstreitiger Höhe von 817,98 EUR brutto (nebst Zinsen) verlangen.
Dies ergibt die Auslegung der auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anwendbaren einschlägigen Bestimmungen des ETV.
Nach ständiger, zutreffender Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (zuletzt z. B. BAG, Urteil vom 06.12.2006 – 4 AZR 711/05 –, Rdnr. 14; NZA-RR 2004, 31; AP TVG § 1 Auslegung Nr. 135) folgt die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Auszugehen ist zunächst vom Tarifwortlaut. Zu erforschen ist der maßgebliche Sinn der Erklärung, ohne am Buchstaben zu haften. Dabei sind der wirkliche Wille der Tarifvertra...