Entscheidungsstichwort (Thema)
wirksame außerordentliche Kündigung eines freigestellten Betriebsratsmitglieds. falsche Angaben zur Arbeitszeit. Verdachtskündigung. Zulässigkeit der Überwachung durch Detektei. Beweisverwertungsverbot. Persönlichkeitsrecht. ordnungsgemäße Anhörung des Arbeitnehmers. ordnungsgemäße Betriebsratsanhärung. Mitteilung der Gegendarstellung des Arbeitnehmers an Betriebsrat. ordnungsgemäßer Betriebsratsbeschluss. Ersatzmitglied. ordnungsgemäße Ladung. Interessenkollision
Leitsatz (redaktionell)
Der schwerwiegende Verdacht gegen ein freigestelltes Betriebsratsmitglied, dass dieses in Arbeitsstundennachweisen Wegezeiten als Betriebsratstätigkeiten angegeben und damit Betriebsratstätigkeit vorgetäuscht hat, rechtfertigt die außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses.
Normenkette
KSchG § 15; BGB § 626; BetrVG §§ 102-103; GG Art. 2 Abs. 1, Art. 14
Verfahrensgang
ArbG Herne (Urteil vom 27.07.2010; Aktenzeichen 3 Ca 3123/09) |
Nachgehend
BAG (Aktenzeichen 10 AZN 1335/11) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Herne vom 27.07.2010 – 3 Ca 3123/09 – wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung und um die Weiterbeschäftigung des Klägers.
Der am 21.01.1969 geborene Kläger ist verheiratet und einem Kind gegenüber zum Unterhalt verpflichtet. Seit dem 13.06.1991 ist er bei der Beklagten in deren Niederlassung in H1, in der ca. 850 Arbeitnehmer tätig sind, in Teilzeit mit einer Wochenarbeitszeit von 20 Stunden zu einem monatlichen Bruttoverdienst von zuletzt ca. 2.000,00 EUR beschäftigt.
Neben seiner Tätigkeit bei der Beklagten betreibt der Kläger in selbständiger Tätigkeit eine Kampfschule.
Bei der im Jahre 2002 stattfindenden Betriebsratswahl wurde der Kläger erstmals in den aus 13 Personen bestehenden Betriebsrat gewählt. Seit 2006 ist er freigestelltes Betriebsratsmitglied.
Bei Antritt seines Amtes als freigestelltes Betriebsratsmitglied wurde dem Kläger eine Richtlinie für die freigestellten Betriebsratsmitglieder (Bl. 265 f. d. A.) übergeben. Nach Ziffer 2 dieser Richtlinie sind alle Arbeitszeiten dem Arbeitgeber monatlich als Arbeitsstundennachweis (Stundenzettel) vorzulegen. In Ziffer 6 dieser Richtlinie ist folgendes vereinbart:
„Der freigestellte Mitarbeiter P2 H2 ist für die Tagesoperationen und das Preload zuständig.
Die beiden freigestellten Mitglieder J1 K2-F2 und D2 H3 sind jeweils für die Abend- und Nachtoperationen zuständig. Die Zeiträume der Anwesenheit sind im Wechsel und in Absprache der Beiden untereinander festzulegen.
Es sollte gewährleistet sein, dass die Belegschaft im Gebäude zu allen Operationszeiten einen freigestellten Mitarbeiter des Betriebsrates antrifft.”
Ab Juni 2009 legte der Kläger Arbeitsstundennachweise (Bl. 44, 45 d. A.) vor, die der Gehaltsabrechnung dienten. Diese Arbeitsstundennachweise wurden zuvor von seinem Vorgesetzten, dem HUB-Manager S4, gegengezeichnet. Ob zuvor auch Stempelkarten abgegeben werden mussten, ist zwischen den Parteien streitig.
Im Sommer 2009 wurde die Personalleitung der Beklagten darauf aufmerksam gemacht, dass der Kläger nur selten im Betrieb anzutreffen war. Hieraus ergaben sich Zweifel, ob der Kläger tatsächlich in dem Umfang Betriebsratsarbeit leistete, wie er in den vom ihm ausgefüllten Arbeitszeitnachweisen angegeben hatte. Hierauf erfasste der Werkschutz der Beklagten in der zweiten Augusthälfte 2009 stichprobenartig, wann der Kläger den Betrieb in H1 betrat und wieder verließ. Auf die stichprobenartigen Aufzeichnungen des Werkschutzes (Bl. 46 d. A.) wird Bezug genommen.
Da die Ein- und Ausgangszeiten in den Aufzeichnungen des Werkschutzes (Bl. 46 d. A.) nicht mit dem vom Kläger vorgelegten Arbeitsstundennachweis für August 2009 (Bl. 47 d. A.) übereinstimmten, entschloss sich die Beklagte, den Kläger durch eine Detektei überwachen zu lassen. Diese Überwachung fand daraufhin in der Zeit vom 14. bis 30.09.2009 statt. Die Beobachtungen der Detektei für den Zeitraum vom 14. bis 30.09.2009, denen ein schriftlicher Bericht der Detektei zugrunde lag, fasste die Beklagte in einer Aufstellung (Bl. 53, 54 d. A.) zusammen.
Der Arbeitsstundennachweis des Klägers für September 2009 (Bl. 48 d. A.) ging dem Personalleiter der Beklagten, Herrn B1, am 05.10.2009 zu. Ein daraufhin angestellter Vergleich dieses Arbeitsstundennachweises mit den Beobachtungen der Detektei ergab, dass der Kläger vielfach Betriebsratstätigkeiten für Zeiten angegeben hatte, in denen er nach Auffassung der Beklagten Privatarbeiten verrichtet hatte.
Die Beklagte beabsichtigte daraufhin, mit dem Kläger ein Gespräch hierüber zu führen, und unterrichtete hierüber mit E-Mail vom 09.10.2009 (Bl. 49 d. A.) den Betriebsratsvorsitzenden O1. Auf die Anfrage der Beklagten teilte der Betriebsratsvorsitzende dem Personalleiter noch mit E-Mail vom 09.10.2009 (Bl. 50 d. A.) mit, dass weder im Betriebsrat noch im Betriebsausschuss Beschlüsse gef...