Entscheidungsstichwort (Thema)
Gratifikation. Betriebliche Übung. Freiwilligkeitsvorbehalt. Verhinderung einer betrieblichen Übung durch Freiwilligkeitsvorbehalt. Transparenz
Leitsatz (amtlich)
Arbeitsvertraglicher Freiwilligkeitsvorbehalt zur Verhinderung einer betrieblichen Übung bei Gratifikationsleistung
- Entgegen im Schrifttum erhobener Bedenken kann die Entstehung einer betrieblichen Übung durch einen salvatorischen Freiwilligkeitsvorbehalt im Arbeitsvertrag verhindert werden. Einer jeweiligen Erneuerung des Vorbehalts anlässlich der Zahlung bedarf es nicht.
- Eine arbeitsvertragliche Klausel, nach welcher die Zahlung eines Weihnachtsgeldes „von z. Zt. 55 % der Monatsvergütung” unter Ausschluss von Rechtsansprüchen für die Zukunft erfolgt, ist trotz Erwähnung von Berechnungsgrundlagen und Kürzungsregeln bei Fehlzeiten ausreichend transparent, da letztere erkennbar allein für den Fall zur Geltung kommen, dass sich der Arbeitgeber zur Leistung entschließt und so allein eine Selbstbindung hinsichtlich der Gleichbehandlung der Beschäftigten begründet.
Normenkette
BGB §§ 611, 307
Verfahrensgang
ArbG Iserlohn (Urteil vom 07.06.2011; Aktenzeichen 2 Ca 174/11) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Iserlohn vom 07.06.2011 – 2 Ca 174/11 – wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Mit seiner Klage macht der Kläger, welcher seit dem Jahre 1997 im Betrieb der Beklagten beschäftigt ist, einen Anspruch auf Zahlung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld für die Jahre 2009 und 2010 geltend.
Diesen Anspruch stützt der Kläger auf die Grundsätze der betrieblichen Übung, welche sich daraus ergebe, dass die Beklagte unstreitig jedenfalls seit dem Jahre 2004 ein Weihnachtsgeld in Höhe von 55 % und ein Urlaubsgeld in Höhe von 50 % des Urlaubsentgelts zur Auszahlung gebracht hat. Soweit die Beklagte dem Zahlungsbegehren entgegenhält, der Arbeitsvertrag vom 01.01.2006 (Bl. 59 ff. der Akte) nebst Zusatzvereinbarung vom 01.10.2006 (Bl. 69 der Akte) schließe einen Rechtsanspruch auf Zahlung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld aus, hält der Kläger die entsprechende Vertragsklausel für unwirksam und führt aus, durch einen pauschalen Vorbehalt könne die Entstehung einer betrieblichen Übung als konkludente Vertragsänderung nicht vorab verhindert werden.
Die in § 4 des Arbeitsvertrages enthaltene Regelung lautet wie folgt:
§ 4 Vergütung
Die Arbeitsvergütung beträgt 12,84 EUR brutto.
Überstundenzuschläge werden wie folgt vergütet: …
Die Zahlung des Urlaubs- und Weihnachtsgeldes von zurzeit 55 % der Monatsvergütung erfolgt freiwillig und ohne Begründung eines Rechtsanspruchs für die Zukunft. Die Weihnachtsgeldzahlung mindert sich im Verhältnis zu den Fehltagen im Kalenderjahr, sie entfällt bei weniger als 20 Arbeitstagen.
Das Weihnachtsgeld beträgt:
bei einer Betriebszugehörigkeit von mind. 6 Monaten 25 %
bei einer Betriebszugehörigkeit von mind. 1 Jahr 35 %
…
bei einer Betriebszugehörigkeit von mind. 3 Jahr 55 %
des jeweiligen Durchschnittsverdienstes
Die Zusatzvereinbarung vom 01.10.2006 enthält folgende Regelung:
Der § 4 Vergütung wird wie folgt geändert:
- Die Vereinbarung zur Grundvergütung bleibt unverändert.
- Sämtliche Überstundenzuschläge zum Grundlohn entfallen. …
- Die Vereinbarung zur Zahlung von Weihnachtsgeld und Urlaubsgeld bleibt unverändert.
- Diese Vereinbarung wird gültig ab der Abrechnung für den Monat Oktober 2006 …
- Ergänzungen oder Veränderungen dieser Zusatzvereinbarung bedürfen der Schriftform ….
Durch Urteil vom 07.06.2011 (Bl. 32 ff. der Akte), auf welches wegen des weiteren erstinstanzlichen Parteivorbringens und der Fassung der Klageanträge Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht die Ansprüche auf Zahlung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld für die Jahre 2009 und 2010 abgewiesen. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt worden, weder nach dem Arbeitsvertrag noch nach den Regeln der betrieblichen Übung stehe dem Kläger der verfolgte Anspruch zu. Wie der Arbeitsvertrag klar und unmissverständlich erkennen lasse, handele es sich bei der Weihnachts- und Urlaubsgeldzahlung um eine freiwillige Leistung ohne Rechtsanspruch für die Zukunft. Unter diesen Umständen habe der Kläger nicht darauf vertrauen können, dass die Beklagte sich durch die jeweilige jährliche Leistung auch zu zukünftigen Leistungen verpflichten wolle. In dem vereinbarten Freiwilligkeitsvorbehalt liege auch keine unangemessene Benachteiligung. Zweifelsfrei könne der Arbeitgeber im Zusammenhang mit der jeweiligen Zahlung Rechtsansprüche für die Zukunft ausschließen. Dann müsse dies erst recht auch vorab im Arbeitsvertrag möglich sein.
Mit seiner rechtzeitig eingelegten und begründeten Berufung tritt der Kläger dem Standpunkt des arbeitsgerichtlichen Urteils entgegen, trotz der erfolgten Zahlungen in den Jahren 2004 bis 2008 sei aufgrund des arbeitsvertraglichen Freiwilligkeitsvorbehalts eine betriebliche Übung nicht entstanden.
Zum einen sei der in § 4 des Arbeitsvertrages enthaltene Freiwilligkeitsvorbehalt nicht...