Entscheidungsstichwort (Thema)
Anfechtung eines auf eine “bedingte Klageerhebung„ ergangenes Urteil
Leitsatz (amtlich)
1. Wird eine Klage "bedingt erhoben" und von der Bewilligung von Prozesskostenhilfe abhängig gemacht, so liegt lediglich ein Prozesskostenhilfegesuch vor.
2. In diesem Fall ist die Klage erst nach der Bewilligung von Prozesskostenhilfe zuzustellen. Wird die Klage schon zuvor zugestellt, wird dadurch eine Rechtshängigkeit der Streitsache nicht herbeigeführt.
3. Ein Urteil, das trotz fehlender Rechtshängigkeit ergeht, kann mit den normalen Rechtsbehelfen angegriffen werden. Es ist in der Berufungsinstanz aufzuheben. Hinsichtlich der Kosten ist nach § 21 GKG zu verfahren.
Normenkette
GKG § 21; ZPO § 114
Verfahrensgang
ArbG Bocholt (Entscheidung vom 09.06.2011; Aktenzeichen 3 Ca 2375/10) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bocholt vom 09.06.2011 - 3 Ca 2375/10 - aufgehoben.
Die gerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens und die durch das erstinstanzliche Urteil ausgelösten Kosten werden nicht erhoben.
Die durch das Berufungsverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten des Klägers trägt die Beklagte.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 1.068,50 € festgesetzt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz darüber, ob das erstinstanzliche Urteil aufzuheben ist.
Der Kläger ist seit dem Jahr 2000 bei einer Spedition beschäftigt, die seit Oktober 2007 unter "H1 N1" firmiert. Zwischen den Parteien ist nunmehr unstreitig, dass die Beklagte nicht Arbeitgeberin des Klägers ist.
Der Kläger hat mit dem Schriftsatz vom 10.12.2010, der am 15.12.2010 beim Arbeitsgericht eingegangen ist, folgende Sachanträge angekündigt:
"1. Es wird festgestellt, dass der Kläger gegen die Beklagte einen Urlaubsanspruch von 24 Tagen hat,
2. Es wird festgestellt, dass die Arbeitszeit des Klägers 48 Stunden wöchentlich beträgt, auf bis zu 60 Stunden verlängert werden kann, wenn innerhalb von vier Kalendermonaten oder 16 Wochen im Durchschnitt 48 Stunden wöchentlich nicht überschritten werden."
Der Kläger hat mit der Klageschrift ferner Prozesskostenhilfe beantragt und in Aussicht gestellt, dass eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse umgehend nachgereicht wird. Weiter heißt es in der Klageschrift auf Seite 3 (nach den Anträgen und vor der Begründung): "Klargestellt wird, dass die Klage bedingt erhoben wird und von der Gewährung von Prozesskostenhilfe abhängig gemacht wird." Der Kläger hat am 31.12.2010 eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse beim Arbeitsgericht eingereicht.
Mit dem Schriftsatz vom 06.01.2011 hat der Kläger die Beklagte auf Zahlung von 6.685,00 € brutto in Anspruch genommen. Zur Begründung hat der Kläger vorgetragen, er habe Überstunden in einer Größenordnung von 660,5 Stunden geleistet. Auf Seite 2 des Schriftsatzes vom 06.091.2011 heißt es: "Es wird darum gebeten, auch für diese erweiterte Klage Prozesskostenhilfe zu bewilligen." Mit dem Schriftsatz vom 17.01.2011, der dem Kläger im Gütetermin vom 18.01.2011 überreicht worden ist, hat die Beklagte eingewandt, zwischen den Parteien bestehe kein Beschäftigungsverhältnis.
Mit dem Beschluss des Arbeitsgerichts vom 15.03.2011 ist der Antrag des Klägers auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für die im Schriftsatz vom 10.12.2010 angekündigten Anträge zurückgewiesen worden. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde des Klägers hat das Landesarbeitsgericht mit dem Beschluss vom 19.05.2011 zurückgewiesen. Eine Beschlussfassung über die Gewährung von Prozesskostenhilfe für den im Schriftsatz vom 06.01.2011 angekündigten Antrag ist nicht erfolgt.
Im Kammertermin vom 09.06.2011 hat der Vorsitzende Anträge stellen lassen. Der Klägervertreter hat die schriftsätzlich angekündigten Anträge gestellt und darauf hingewiesen, dass auf Seite 3 der Klageschrift klargestellt worden sei, die Klage werde bedingt erhoben und von der Gewährung von Prozesskostenhilfe abhängig gemacht. Die Beklagte hat die Klageabweisung beantragt.
Mit dem Urteil vom 09.06.2011 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, die Klage sei offensichtlich mutwillig, da die Beklagte nicht Arbeitgeberin sei. Für die in der Klageschrift angekündigten Anträge bestehe kein Feststellungsinteresse. Hinsichtlich der Klageerweiterung fehle es zum einen an der Passivlegitimation der Beklagten, zum anderen ergebe sich aus den Abrechnungen, dass die Arbeitsstunden mit dem Grundlohn bezahlt worden seien. Der Kläger habe nicht deutlich genug gekennzeichnet, dass die Klage nur unter dem Vorbehalt der Bewilligung von Prozesskostenhilfe gestellt werden solle. Auf diese Frage komme es aber nicht an, da zum einen die Klageerweiterung unbedingt erhoben worden sei und im Übrigen der Kläger die Klageanträge im Kammertermin gestellt habe.
Gegen das erstinstanzliche Urteil, das dem Kläger am 04.07.2011 zugestellt worden ist, hat er mit einem...