Entscheidungsstichwort (Thema)
Automatische Empfangsbestätigung über den Eingang eines elektronischen Dokuments bei Gericht. Hohe Sorgfaltsanforderungen an die Prozessbevollmächtigten bei Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs. Strenge Fristen- und Postausgangskontrolle im Rechtsanwaltsbüro
Leitsatz (redaktionell)
1. Nach § 46c Abs. 5 Satz 1 ArbGG ist ein elektronisches Dokument eingegangen, sobald es auf der für den Empfang bestimmten Einrichtung des Gerichts gespeichert ist. Ist dies der Fall, wird dem Absender nach § 46c Abs. 5 Satz 2 ArbGG eine automatisierte Bestätigung über den Zeitpunkt des Eingangs erteilt. Eine entsprechende, automatisch generierte Bestätigung, dass die am 28. Dezember 2018 elektronisch versandte Nachricht beim Landesarbeitsgericht eingegangen ist, wurde vom EGVP nicht generiert und ist dem Beklagtenvertreter dementsprechend auch nicht zugegangen.
2. Bei Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs (wie auch bei Übersendungen per Telefax) werden die an den Prozessbevollmächtigten zu stellenden Sorgfaltsanforderungen nicht gewahrt, wenn dieser nicht für eine wirksame Ausgangskontrolle des auf diesem Übertragungsweg versandten Schriftsatzes sorgt (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 27.08.2007, 2 A 10492/07 juris Rn 22). Für den erfolgreichen Abschluss des auf elektronischem Wege erfolgenden Schriftverkehrs sind dementsprechend Erhalt und ordnungsgemäße Kontrolle der Eingangsbestätigung unabdingbar (Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 03. Januar 2018 - L 17 U 298/17 -, Rn. 12, juris).
3. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der die Berufungskammer folgt, hat ein Rechtsanwalt durch organisatorische Vorkehrungen sicherzustellen, dass ein fristgebundener Schriftsatz rechtzeitig gefertigt und innerhalb der laufenden Frist beim zuständigen Gericht eingeht. Hierzu hat er grundsätzlich sein Möglichstes zu tun, um Fehlerquellen bei der Eintragung und Behandlung von Rechtsmittelfristen auszuschließen. Dies setzt zum einen voraus, dass die im Fristenkalender vermerkten Fristen erst dann gestrichen oder anderweitig als erledigt gekennzeichnet werden, wenn die fristwahrende Maßnahme tatsächlich durchgeführt, der Schriftsatz also gefertigt und abgesandt oder zumindest postfertig gemacht, die weitere Beförderung der ausgehenden Post also organisatorisch zuverlässig vorbereitet worden ist. Ferner gehört hierzu die Anordnung des Rechtsanwalts, dass die Erledigung von fristgebundenen Sachen am Abend eines jeden Arbeitstages anhand des Fristenkalenders durch eine dazu beauftragte Bürokraft überprüft wird. Eine solche zusätzliche Kontrolle ist bereits deswegen notwendig, weil selbst bei sachgerechten Organisationsabläufen individuelle Bearbeitungsfehler auftreten können, die es nach Möglichkeit aufzufinden und zu beheben gilt (Bundesgerichtshof, Beschluss vom 04. November 2014 - VIII ZB 38/14 - NJW 2015, 253, m. w. N).Der Rechtsanwalt hat also die Ausgangskontrolle von fristgebundenen Schriftsätzen so zu organisieren, dass sie einen gestuften Schutz gegen Fristversäumungen bietet. Bei der allabendlichen Kontrolle fristgebundener Sachen ist eine nochmalige, selbständige Prüfung erforderlich (Bundesgerichtshof, Beschluss vom 07. Januar 2015 - IV ZB 14/14 - Juris; Bundesgerichtshof, Beschluss vom 04. November 2014 - VIII ZB 38/14 -; jeweils m. w. N.).
Normenkette
ArbGG § 46c Abs. 5; ZPO § 85 Abs. 2, § 233
Verfahrensgang
ArbG Münster (Entscheidung vom 19.11.2018; Aktenzeichen 4 Ca 1036/18) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Münster vom 19.11.2018 - 4 Ca 1036/18 - wird unter Zurückweisung des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand auf ihre Kosten als unzulässig verworfen.
Die Revisionsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I.
Die Parteien streiten über Zahlungsansprüche.
Mit Urteil vom 19. November 2018 hat das Arbeitsgericht die Beklagte verurteilt, an den Kläger 1.954,45 € brutto sowie weitere 1.000,00 € brutto zu zahlen. Das Urteil wurde der Beklagten am 05. Dezember 2018 zugestellt.
Am 08. Januar 2019 ging im EGVP des Landesarbeitsgerichts eine aus einem besonderen elektronischen Anwaltspostfach (beA) auf elektronischem Weg übermittelte Berufungsschrift ein. Nachdem das Landesarbeitsgericht den Bevollmächtigten der Beklagten darauf hingewiesen hat, dass die Berufung verspätet sei, teilte dieser mit Schriftsatz vom 26. Januar 2019 mit, die Berufungsschrift sei bereits am 28. Dezember 2018 per beA an das Landesarbeitsgericht gesendet worden. Gleichzeitig hat er für den Fall, dass die Berufungsschrift nicht frist- und formgerecht übermittelt worden sein sollte, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.
Zum Nachweis dafür, dass die Berufungsschrift am 28. Dezember 2018 versendet wurde, hat er eine Übermittlungsdatei vorgelegt, wonach die Berufung am 28. Dezember 2018 um 10:34 Uhr an das Landesarbeitsgericht gesendet wurde. Die in der Übermittlungsdatei enthaltenen Rubriken "Empfangen" und "Zugegangen" weisen keine Einträge auf.
Auf Nac...