Die Revision wird nicht zugelassen
Entscheidungsstichwort (Thema)
Wichtiger Grund zur fristlosen Kündigung
Leitsatz (redaktionell)
Das Vernichten zahlreicher unbearbeiteter Bußgeldakten durch den zuständigen Sachbearbeiter rechtfertigt die außerordentliche Kündigung seines Arbeitsverhältnisses, ohne dass es einer vorherigen Abmahnung bedarf.
Eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines schwerbehinderten Arbeitnehmers ist bereits dann möglich, wenn das Integrationsamt dem Arbeitgeber die Entscheidung bekannt gemacht hat. Auf die Zustellung des Bescheides kommt es nicht an (BAG, Urteil vom 12.08.1999 – 2 AZR 748/98).
Normenkette
BGB § 626; BAT § 54 Abs. 1; SGB IX § 91
Verfahrensgang
ArbG Hagen (Westfalen) (Urteil vom 16.11.2004; Aktenzeichen 1 Ca 2125/04) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hagen vom 16.11.2004 – 1 Ca 2125/04 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer Kündigung.
Der am 29.10.1959 geborene und verheiratete Kläger, der drei Kindern zum Unterhalt verpflichtet ist, war seit dem 01.05.1987 bei der Beklagten als Verwaltungsfachangestellter beschäftigt. Er ist schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung von 100. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) Anwendung. Der Kläger erhielt zuletzt eine Vergütung nach Vergütungsgruppe V c der Vergütungsordnung zum BAT. Diese betrug zuletzt im Monat durchschnittlich 3.300,00 EUR brutto.
Die Beklagte beschäftigt ständig weit mehr als 5 Arbeitnehmer. Bei ihr ist ein Personalrat gewählt.
Der Kläger war seit 1998 als Sachbearbeiter in der Bußgeldstelle des Amtes für öffentliche Sicherheit, Verkehr und Personenstandswesen der Beklagten tätig. Nach der Tätigkeitsbeschreibung war seine Aufgabe dort die ganzheitliche Bearbeitung von Ordnungswidrigkeiten für den Bereich ruhender Verkehr und Geschwindigkeitsanzeigen. Im Arbeitsbereich des Klägers gingen Anzeigen der Autobahnpolizei, aus der Einrichtung stationärer Geschwindigkeitsüberwachungsanlagen, des Polizeipräsidiums Hagen sowie aus der Überwachung des ruhenden Verkehrs durch Politessen ein. Zur Bearbeitung der Ordnungswidrigkeiten steht ein EDV-Programm namens WinOWiG zur Verfügung. Dabei werden die Anzeigen aus den Bereichen Autobahnpolizei, stationäre Geschwindigkeitsüberwachungsanlagen sowie Überwachung des ruhenden Verkehrs direkt in die Datenverarbeitung eingespielt mit der Folge, dass der Kläger die weitere Bearbeitung zu übernehmen hatte. Anzeigen der Polizeiinspektion Hagen werden dagegen in Papierform an die Bußgeldstelle der Beklagten abgegeben. Ein Mitarbeiter der Beklagten trägt dabei die eingehenden Anzeigen in eine Liste nach Eingangsdatum und Namen ein. Anschließend verteilt er diese Anzeigen, die nach Darstellung des Klägers in der Regel aus lose zusammengefügten Papieren bestehen, nach einem Buchstabenschlüssel an die einzelnen Sachbearbeiter. Der Kläger hatte dabei die Anzeigen mit dem Buchstaben W, R und Y zu bearbeiten.
Da Ordnungswidrigkeiten innerhalb von drei Monaten ab Tattag verjähren, sind die Sachbearbeiter gehalten, die in Papierform eingehenden Anzeigen zeitnah in das EDV-System einzugeben, da erst dann eine weitere Bearbeitung stattfinden kann. Bezogen auf die Verjährungsfristen erfolgt eine Kontrolle der Sachbearbeiter bei den sogenannten Direktüberspielungen durch einen automatischen Ausdruck von Verjährungslisten im EDV-Programm. Diese Liste enthält automatisiert alle Fälle, in denen innerhalb der nächsten 4 Wochen Verjährung eintreten wird. Im Bereich der von der Polizeiinspektion Hagen eingehenden Anzeigen erfolgt die Kontrolle in der Form, dass anhand der in der Registratur geführten Eingangsliste stichprobenartig geprüft wird, ob diese Fälle auch tatsächlich durch die Sachbearbeiter in das Programm eingegeben worden sind. Soweit die Sachbearbeiter beabsichtigen, ein Verfahren einzustellen, müssen diese Fälle jedenfalls zur Kontrolle der Teamleitung vorgelegt werden. Streitig ist zwischen den Parteien, ob Einstellungen selbständig vorgenommen werden dürfen oder dies zur Aufgabe der Teamleitung gehört.
Mit Schreiben vom 08.10.2003 fand im Sachgebiet, in welchem der Kläger beschäftigt war, eine Befragung der Mitarbeiter nach Arbeitsrückständen statt. Die Anfrage vom 08.10.2003 hat folgenden Wortlaut:
„Meldung von Rückständen
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
die letzte Abfrage liegt nun ca. 18 Monate zurück. Verglichen mit damals, hat sich die Situation extrem entspannt.
Trotzdem oder gerade deswegen sollten wir eine Zwischenbilanz ziehen.
Falls Arbeitsrückstände vorliegen, bitte ich daher mal wieder um Abgabe einer entsprechenden schriftlichen Meldung bis zum 30.10.03 – Fehlanzeige ist erforderlich.
Ich bitte bei der Meldung auf folgende Einzelheiten einzugehen:
- Art und Umfang der Rückstände
- Worin liegen die Rückstände begründet?
- Welche Maßnahmen sind selbst getroffen worden, um diesen entgegenzuwirken?
- Warum haben diese Maßnahmen bisher nicht (ode...