Entscheidungsstichwort (Thema)
Unterschriftenaktion als Kündigungsgrund. Konkreter Vortrag zur Zusammensetzung des Entgelts. Auslösungsantrag bei vorsätzlich falschen Sachvortrag. Entscheidungserheblichkeit des Sachvortrags bei Auflösungsantrag
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Unterschriftenaktion, mit der der Wunsch auf Wiedereinführung einer 35-Stunden-Woche zum Ausdruck gebracht wird, ist auch in Betrieben mit Betriebsrat vom Erörterungs- und Beschwerderecht des Arbeitnehmers nach §§ 82 Abs. 1, 84 Abs. 1 BetrVG gedeckt. Ein Arbeitnehmer, der eine solche Unterschriftenaktion initiiert, begeht auch dann keine Vertragspflichtverletzung, wenn er während der Arbeitszeit Arbeitskollegen zum Zweck der Unterschriftsleistung anspricht, solange dies einen gewissen zeitlichen Rahmen nicht überschreitet, die Arbeitsleistung nicht darunter leidet und der Arbeitsablauf nichts ins Stocken gerät.
2. Besteht Arbeitsentgelt aus festen und variablen Bestandteilen sowie aus verschiedenen einmal jährlich fällig werdenden Sonderzahlungen, muss der Arbeitnehmer, der einen Anspruch auf Zahlung von Annahmeverzugslohn für einen bestimmten Monat geltend macht, jedenfalls im Bestreitensfall zwischen diesen Vergütungskomponenten unterscheiden und dazu konkret vortragen. Anderenfalls ist sein Sachvortrag der Höhe nach unschlüssig. Die Bildung eines auf das Kalenderjahr bezogenen Durchschnittswerts steht nicht in Einklang mit dem Lohnausfallprinzip.
3. Der Arbeitgeber kann einen Auflösungsantrag nach § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG darauf stützen, dass der Arbeitnehmer im Prozess vorsätzlich falsch vorgetragen hat. Für den Erfolg des Auflösungsantrags kommt es allein darauf an, ob eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht zu erwarten ist. Ob der falsche Sachvortrag entscheidungserheblich war, ist demgegenüber unerheblich.
Normenkette
BGB §§ 626, 293; BetrVG § 84 Abs. 1; KSchG § 9 Abs. 1; BGB § 615 S. 1; BetrVG § 82 Abs. 1; BGB §§ 294-296
Verfahrensgang
ArbG Arnsberg (Entscheidung vom 28.01.2014; Aktenzeichen 2 Ca 1062/13 O) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Arnsberg vom 28.01.2014 - 2 Ca 1062/13 O - unter teilweiser Zurückweisung der weitergehenden Berufung abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 15.10.2013 beendet wurde.
Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 17.10.2013 beendet wurde.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Das zwischen den Parteien begründete Arbeitsverhältnis wird zum 30.04.2014 gegen Zahlung einer Abfindung in Höhe von 35.000 € aufgelöst.
Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger ein Arbeitszeugnis zu erteilen, das sich auf Art und Dauer sowie Führung und Leistung erstreckt.
- Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
- Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über den Bestand ihres Arbeitsverhältnisses, über Zahlungsansprüche sowie über die Erteilung eines Arbeitszeugnisses.
Der am 12.01.1967 geborene Kläger, der zwei Kindern gegenüber zum Unterhalt verpflichtet ist, ist seit dem 01.08.1997 bei der Beklagten auf Grundlage eines ursprünglich befristeten Arbeitsvertrags vom 22.07.1997, hinsichtlich dessen Einzelheiten auf ABl. 8, 11 und 12 verwiesen wird, beschäftigt. Zu einem nicht genau vorgetragenen Zeitpunkt wurde ihm die Funktion eines Schichtleiters im Bereich “Imprägnierung„ übertragen. Er erhielt zuletzt einen Monatsfestlohn in Höhe von 2.177,98 Euro, eine freiwillige Zulage von 378,35 Euro sowie eine Funktionszulage in Höhe von 309,26 Euro. Hinzu kamen Vergütungen und Zuschläge für Mehrarbeit, Wochenend- und Schichtzulagen sowie verschiedene Einmalzahlungen. Wegen des erzielten Arbeitsentgelts in den Monaten Oktober 2012 bis September 2013 wird auf die von der Beklagten vorgelegte tabellarische Übersicht auf ABl. 174 verwiesen. Bei Einstellung des Klägers galt im Betrieb der Beklagten eine Arbeitszeit von 35 Wochenstunden. Durch vertragliche Vereinbarung vom 13.06./08.07.2005 verabredeten die Parteien mit Wirkung zum 01.09.2005 eine Erhöhung um 3 Wochenstunden ohne Lohnausgleich.
Die Beklagte ist ein Unternehmen der holzverarbeitenden Industrie. Sie beschäftigt ca. 55 Arbeitnehmer und ist Mitglied im tarifschließenden Arbeitgeberverband, allerdings ohne Tarifbindung.
Die Beklagte hat eine Betriebsordnung erlassen, in der es u.a. heißt:
“4.1.20 Probleme und Konflikte
In unserem Unternehmen setzen wir uns für eine offene Kommunikation in allen Situationen des Arbeitsalltags ein. Wir rufen alle Mitarbeiter auf, Probleme offen anzusprechen.
Im Betrieb auftretende Meinungsverschiedenheiten sollen in vertrauensvoller Zusammenarbeit möglichst innerhalb des Unternehmens beigelegt werden. Mitarbeiter, die sich durch Anordnungen des Vorgesetzten oder durch das Verhalten dessen benachteiligt oder von anderen Mitarbeitern ...