Entscheidungsstichwort (Thema)
Hilfsaufrechnung in der Berufungsinstanz. Einreichung von die private Nutzung des Dienstfahrzeugs umfassenden Tankquittungen als Grund für eine außerordentliche Kündigung. Kostenerstattung für Dienstfahrzeug auch zur privaten Nutzung. Sachdienliche Hilfsaufrechnung
Leitsatz (amtlich)
Regelt ein Arbeitsvertrag einschränkungslos, dass dem Arbeitnehmer ein Dienstfahrzeug auch zur privaten Nutzung überlassen ist, umfasst dies sämtliche Kosten, die im Zusammenhang mit der Nutzung des Dienstfahrzeugs angefallen sind, damit also auch die im Urlaub des Arbeitnehmers aufgewandten Kosten für die Betankung des Fahrzeugs.
Es ist nicht sachdienlich i. S. d. § 533 Nr. 1 ZPO, wird in der Berufungsverhandlung die Hilfsaufrechnung mit einer Forderung erklärt, die Gegenstand einer anderweiten gerichtlichen Auseinandersetzung der Parteien ist. Es fehlt an der Prozesswirtschaftlichkeit, weil nicht ein weiteres Verfahren vermieden, sondern ein neues produziert wird.
Leitsatz (redaktionell)
2. Eine außerordentliche Kündigung lässt sich deshalb nicht auf einen Versuch betrügerischen Verhaltens stützen, den der Arbeitnehmer dadurch begangen haben soll, dass er Tankquittungen zur Erstattung einreicht.
Normenkette
BGB § 626 Abs. 1; ZPO § 533 Nr. 1
Verfahrensgang
ArbG Siegen (Entscheidung vom 12.08.2011; Aktenzeichen 3 Ca 565/11 O) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Siegen vom 12.08.2011 - 3 Ca 565/11 O - wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen
Tatbestand
Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz um die Rechtswirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung der Beklagten vom 14.04.2011 und um Vergütungsansprüche des Klägers für den Monat April 2011 in Höhe von 6.006,44 € (brutto).
Der 1942 geborene Kläger ist auf der Basis eines Arbeitsvertrages vom 09.06.2008 seit dem 01.07.2008 als "Leiter technische Entwicklung/Konstruktion" bei der Beklagten beschäftigt. Der Kläger war zuvor Inhaber des Unternehmens der jetzigen Beklagten. Er veräußerte auf der Basis eines Kauf- und Übertragungsvertrages vom 09.06.2008 (im Folgenden: Kaufvertrag) die Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die Vorräte, den Kundenstamms sowie sonstige immaterielle Werte an die jetzige Beklagte.
Dem Kläger war ein Dienstwagen der Marke Ford, Typ S-Max, zur dienstlichen und privaten Nutzung überlassen. Der Arbeitsvertrag, wegen dessen weiteren Inhalts auf Blatt 4 bis 6 der Gerichtsakte Bezug genommen wird, enthält - soweit für das Streitverfahren von Bedeutung - folgende Regelungen:
"(…)
§ 5
Dienstwagen
Der Angestellte erhält für die Dauer des Anstellungsverhältnisses einen Firmenwagen der oberen Mittelklasse, der auch zu privaten Zwecken benutzt werden darf. Die auf die private Nutzung entfallende Steuer trägt der Arbeitnehmer.
§ 6
Spesenregelung
Bei Dienstreisen werden folgende Spesen ersetzt: Hotelkosten incl. Übernachtung und Frühstück, Flugkosten, Mietwagen der gehobenen Mittelklasse, dienstliche veranlasste Tankquittungen, Telefonkosten sowie sonstige Bewirtungskosten, die dem Geschäftszweck dienen.
(…)"
§ 2 des Arbeitsvertrages legt fest, dass das Arbeitsverhältnis innerhalb der ersten fünf Jahre nur außerordentlich aus wichtigem Grund gekündigt werden könne.
Der Kläger reichte im Monat März 2011 vier Tankquittungen mit einem Gesamtwert von 376,66 € bei der Beklagten ein und bat um Erstattung der verauslagten Beträge. Im Monat März 2011 nutzte der Kläger das ihm überlassene Fahrzeug ganz überwiegend zu privaten Zwecken. So befand sich der Kläger im Urlaub auf Ameland und betankte sein Fahrzeug unmittelbar vor Reiseantritt. In der 2. Hälfte des Monats März 2011 war der Kläger arbeitsunfähig erkrankt. Er reichte einen Tankbeleg über 88,01 € zum Ausgleich durch die Beklagte ein, der das Datum des 29.03.2011 trug.
Mit Schreiben vom 07.04.2011 konfrontierte die Beklagte den Kläger mit dem Vorwurf, es bestünden konkrete Verdachtsmomente dafür, dass der Kläger das Fahrzeug im Monat März 2011 überwiegend zu privaten Zwecken genutzt und gleichwohl die angefallenen Tankbelege im vollem Umfang eingereicht hätte. Die Beklagte gab dem Kläger in diesem Schreiben Gelegenheit, sich im Rahmen eines für den 12.04.2011 anberaumten Gesprächs zu den Vorwürfen zu äußern. Das Gespräch nahm der Kläger nicht wahr. Die Beklagte kündigte mit einem dem Kläger am 16.04.2011 zugegangenen Schreiben vom 14.04.2011 das Arbeitsverhältnis fristlos.
Der Kläger hat behauptet, zwischen den Parteien sei bei Abschluss des Arbeitsvertrages vereinbart worden, dass sämtliche Kosten des Dienstwagens von der Beklagten getragen würden. Dazu hat er die Auffassung vertreten, dies käme auch hinreichend deutlich in den arbeitsvertraglichen Regelungen zum Ausdruck. So habe er die Regelung in § 5 des Arbeitsvertrages dahingehend verstanden, dass die auf die private Nutzung des Fahrzeugs entfallende Steuer von ihm zu tragen sei, während sämtliche im Zusammenhang mit der Nutzung des Dienstfahrzeugs anfallenden Kosten von der Be...