Entscheidungsstichwort (Thema)
Sachgruppenbezogener Günstigkeitsvergleich
Leitsatz (amtlich)
Ein beim D4 beschäftigter Arbeitnehmer, mit dem arbeitsvertraglich die Geltung des BAT und der diesen ergänzenden und ändernden Tarifverträge vereinbart worden ist, behält seinen Anspruch auf Urlaubsgeld und Sonderzuwendung entsprechend den Tarifverträgen über ein Urlaubsgeld für Angestellte bzw. eine Zuwendung für Angestellte, auch wenn später aufgrund von Tarifbindung der D4-Reformtarifvertrag zur Anwendung kommt. Dies ergibt sich aus einem sachgruppenbezogenen Günstigkeitsvergleich.
Normenkette
BGB § 150 Abs. 1, §§ 133, 157; Bundesangestelltentarifvertrag vom 23.02.1061 Fassung Euro-TV 2001-10-30 § 48 Abs. 1; TVG § 4 Abs. 3, 1
Verfahrensgang
ArbG Münster (Urteil vom 20.03.2009; Aktenzeichen 2 Ca 498/08) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Münster vom 20.03.2009 – 2 Ca 498/08 – abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 931,45 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag von 340,93 EUR seit dem 10.03.2008, aus einem Betrag von 334,87 EUR seit dem 11.05.2009 und aus einem Betrag von 255,65 EUR seit dem 07.08.2009 zu zahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um Ansprüche des Klägers auf Urlaubsgeld sowie restliche Jahressonderzahlung.
Der am 06.03.1955 geborene Kläger ist seit dem 01.09.1988 bei der Beklagten als Programmierer tätig. Das Arbeitsverhältnis richtet sich nach dem schriftlichen Arbeitsvertrag vom 28.11.1988 (Bl. 4 d.A.). Die auf den BAT verweisende Bestimmung des § 2 hat den folgenden Wortlaut:
„Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) vom 23. Februar 1961 und den diesen ergänzenden oder ändernden Tarifverträgen, soweit nicht einzelvertraglich etwas anderes geregelt wurde.”
Aufgrund der Nichtfortführung des BAT entschloss sich die Beklagte im Jahre 2006 zu einer Änderung des Systems, durch das die Arbeitsbedingungen bei ihr geregelt wurden. Am 21.10.2006 vereinbarte sie mit der Gewerkschaft DHV – Deutscher Handels- und Industrieangestellten-Verband im CGB einen Tarifvertrag. Außerdem führte sie Tarifverhandlungen mit der Gewerkschaft ver.di. Am 04.01.2007 räumte die Beklagte mit einem auch an den Kläger gerichteten Serienbrief (Bl. 236 d.A.) ihren Beschäftigten ein Wahlrecht zwischen dem Verbleib im BAT, dem DHV – Haustarifvertrag und dem D4-Reformtarifvertrag ein. Zu diesem Zeitpunkt lag eine Schlichtungsempfehlung des Landesschlichters vor, den die Beklagte anzunehmen beabsichtigte. Das Schreiben schließt damit ab, dass die Beklagte davon ausgehe, dass der bisherige Arbeitsvertrag gemäß den BAT-Regeln weiter Bestand habe, wenn der beigefügte Änderungsvertrag nicht unterschrieben werde. Eine solche Unterschrift gab der Kläger nicht ab.
Der Kläger, der Vorsitzender des Betriebsrates in M1 ist, ist Mitglied der Gewerkschaft ver.di. Diese schloss am 18.01.2007 mit der Beklagten den empfohlen Vertrag ab, in dem im Wesentlichen die Anwendung des sogenannten „D4-Reformtarifvertrags” vom 22.12.2006 vereinbart wurde. § 3 enthält darüber hinaus ergänzende und abweichende Regelungen. Unter Nr. 1 a ist bestimmt:
„Für die Überleitung der am 31.12.2006 schon und am 01.01.2007 weiter beim Arbeitgeber beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gelten die Bestimmungen des 27. Änderungstarifvertrages, Teil B, Überleitung der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des D4 in die Entgeltgruppen und Regelungen des Übergangsrechts (TVÜ-D4), mit der abweichenden Bestimmung, dass bei der individuellen Überleitung an die Stelle der Bezugnahme auf den D4-Tarifvertrag a.F. (D4-TV a.F.) die Bezugnahme auf den Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) bzw. die Bezugnahme auf den Manteltarifvertrag für Arbeiter der Länder (MT-L) oder den Manteltarifvertrag für Arbeiter des Bundes und der Länder (MT-Arb) tritt. Maßgebend ist das jeweilige Tarifrecht, welches durch arbeitsvertragliche Inbezugnahme oder Verweisungsklausel oder Anlehnungsregelungen vor Abschluss dieses Tarifvertrages auf das jeweilige Arbeitsverhältnis angewandt wurde.”
Außerdem sieht § 3 Nr. 2 eine Einmalzahlung für das Jahr 2006 in Höhe von 400,– EUR vor, die mit der Abrechnung für den Monat April 2007 ausgezahlt werden sollte. Unter der Überschrift „Vertrauensschutz/Besitzstandswahrung” heißt es schließlich in § 4:
„Soweit für einzelne Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, Auszubildende und Praktikantinnen/Praktikanten, die unter den Geltungsbereich dieses Tarifvertrages fallen, für sie günstigere Regelungen aus Vereinbarungen arbeitsvertraglicher Art mit dem Arbeitgeber gelten, als in diesem Tarifvertrag vereinbart, behalten sie alle Ansprüche, die sich aus diesen Vereinbarungen ergeben. Der Abschluss dieses Tarifvertrages ist keine Rechtsgrundlage für den Wegfall oder die Einschränkung oder die Kündigung ...