Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Ablösung der Bezugnahme auf BAT-Regelungen durch einen HausTV. Günstigkeitsprinzip. Einvernehmliche Vertragsänderung
Leitsatz (amtlich)
1. Vereinbaren die Arbeitsvertragsparteien die Anwendung eines Tarifwerks, an das der Arbeitgeber nicht gemäß § 3 Abs. 1 TVG gebunden ist, und tritt später ein Tarifvertrag in Kraft, an den beide Arbeitsvertragsparteien kraft beiderseitiger Verbandszugehörigkeit nach § 3 Abs. 1 TVG gebunden sind, ist für die Lösung der Rechtsquellenkonkurrenz das Günstigkeitsprinzip maßgeblich. Das Spezialitäts- bzw. Ablösungsprinzip sind mangels Vorliegens einer Rechtsquellenkonkurrenz auf derselben Rangstufe nicht anwendbar, weil keine Konkurrenz von normativ geltenden Tarifverträgen vorliegt, sondern das Verhältnis einer einzelvertraglichen Regelung zu einem normativ wirkenden Tarifvertrag zu lösen ist.
2. Verweist eine sogenannte kleine dynamische Verweisungsklausel in einem Formulararbeitsvertrag auf ein Tarifwerk, an das der Arbeitgeber nicht gemäß § 3 Abs. 1 TVG gebunden ist, kann er nicht dahingehend ausgelegt werden, dass sie im Fall des Abschlusses eines Haustarifvertrages durch den Arbeitgeber auf die Regelung des Haustarifvertrages verweist. Dies gilt insbesondere dann, wenn in der einzelvertraglichen Verweisungsklausel auf einen Verbandtarifvertrag auf die Verbandstarifverträge des öffentlichen Dienstes verwiesen wird und der Arbeitgeber und ein dem öffentlichen Dienst nicht angehörender Arbeitgeber einen Haustarifvertrag abschließt.
3. Wird in einem Formulararbeitsvertrag vereinbart, dass der BAT und die diesen ergänzenden oder ändernden Tarifverträge auf das Arbeitsverhältnis Anwendung finden, wird bei einem nicht tarifgebundenen Arbeitgeber dieses Tarifwerk nicht im Wege der Tarifsukzession von dem Tarifwerk des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst (TVöD) ersetzt.
Normenkette
TVG § 3 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Münster (Urteil vom 13.10.2008; Aktenzeichen 4 Ca 669/08) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Münster vom 13.10.2008 – 4 Ca 699/08 – abgeändert.
1. Die Beklagte verurteilt, an den Kläger
- Urlaubsgeld für das Jahr 2007 i. H. v. 255,65 EUR brutto nebst Zinsen i. H. v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.08.2007 zu zahlen;
- eine Sonderzuwendung für das Jahr 2007 i. H. v. 1.062,66 EUR brutto nebst Zinsen i. H. v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2007 zu zahlen;
- Urlaubsgeld für das Jahr 2008 i. H. v. 255,65 EUR brutto nebst Zinsen i. H. v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.08.2008 zu zahlen;
- eine Sonderzuwendung für das Jahr 2008 i. H. v. 1.066,80 EUR brutto nebst Zinsen i. H. v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2008 zu zahlen;
- Urlaubsgeld für das Jahr 2009 i. H. v. 255,65 EUR brutto nebst Zinsen i. H. v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.08.2009 zu zahlen.
2. Es wird festgestellt,
- dass der Kläger im Jahr 2007 einen Tag Zusatzurlaub erworben hat;
- dass dem Kläger für die Arbeitszeit zwischen 20.00 Uhr und 06.00 Uhr Nachtarbeitszuschläge nach § 35 Abs. 1 e) i. V. m. § 15 Abs. 3 BAT zustehen;
- dem Kläger für Arbeit an Sonntag Sonntagszuschläge nach § 35 Abs. 1 b) i. V. m. § 15 Abs. 8 BAT zustehen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.
Die Revision wird für die Beklagte zuglassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um Zahlungsansprüche sowie Arbeitsbedingungen des Klägers nach dem In-Kraft-Treten eines Haustarifvertrages.
Der am 15.01.1950 geborene Kläger ist seit dem 15.09.1983 als Entnahmearzt im Institut der Beklagten in M1 auf der Basis des schriftlichen Arbeitsvertrages von 21.09.1983 beschäftigt. Der schriftliche Arbeitsvertrag vom 21.09.1983 (Bl. 6 d.A.) enthält u.a. folgende Regelung:
„§ 2
Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) vom 23.02.1961 und den diesen ergänzenden oder ändernden Tarifverträgen.”
Die Beklagte betreibt in der Rechtsform einer gemeinnützigen Gesellschaft mit beschränkter Haftung den Blutspendedienst des D5 in Nordrhein-Westfalen mit den Betriebsstätten in R1-B2, H5 und M1. Sie war in der Vergangenheit nicht tarifgebunden, nahm aber regelmäßig in den mit ihren Arbeitnehmern abgeschlossenen Arbeitsverträgen mit teilweise unterschiedlichen Einschränkungen Bezug auf Tarifverträge des öffentlichen Dienstes, insbesondere den Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT).
Nachdem der BAT durch den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) abgelöst wurde, schloss die Beklagte am 31.10.2006 (mit der DHV – Deutscher Handels- und Industrieangestellten-Verband – jetziger Name: DHV – Die Berufsgewerkschaft) einen Haustarifvertrag (im Folgenden: DHV-HausTV). In der Folgezeit zu Tarifverhandlungen zwischen der Beklagten und der Gewerkschaft ver.di wegen des Abschlusses eines weiteren Haustarifvertrages, deren Mitglied der Kläger ist.
Mit Aushang vom 18.12.2006 (Bl. 219 ...