Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Ablösung der Bezugnahme auf BAT-Regelungen durch einen HausTV. Günstigkeitsprinzip. Einvernehmliche Vertragsänderung
Leitsatz (amtlich)
1. Vereinbaren die Arbeitsvertragsparteien die Anwendung eines Tarifwerks, an das der Arbeitgeber nicht gemäß § 3 Abs. 1 TVG gebunden ist, und tritt später ein Tarifvertrag in Kraft, an den beide Arbeitsvertragsparteien kraft beiderseitiger Verbandszugehörigkeit nach § 3 Abs. 1 TVG gebunden sind, ist für die Lösung der Rechtsquellenkonkurrenz das Günstigkeitsprinzip maßgeblich. Das Spezialitäts- bzw. Ablösungsprinzip sind mangels Vorliegens einer Rechtsquellenkonkurrenz auf derselben Rangstufe nicht anwendbar, weil keine Konkurrenz von normativ geltenden Tarifverträgen vorliegt, sondern das Verhältnis einer einzelvertraglichen Regelung zu einem normativ wirkenden Tarifvertrag zu lösen ist.
2. Verweist eine sogenannte kleine dynamische Verweisungsklausel in einem Formulararbeitsvertrag auf ein Tarifwerk, an das der Arbeitgeber nicht gemäß § 3 Abs. 1 TVG gebunden ist, kann er nicht dahingehend ausgelegt werden, dass sie im Fall des Abschlusses eines Haustarifvertrages durch den Arbeitgeber auf die Regelung des Haustarifvertrages verweist. Dies gilt insbesondere dann, wenn in der einzelvertraglichen Verweisungsklausel auf einen Verbandtarifvertrag auf die Verbandstarifverträge des öffentlichen Dienstes verwiesen wird und der Arbeitgeber und ein dem öffentlichen Dienst nicht angehörender Arbeitgeber einen Haustarifvertrag abschließt.
3. Wird in einem Formulararbeitsvertrag vereinbart, dass der BAT und die diesen ergänzenden oder ändernden Tarifverträge auf das Arbeitsverhältnis Anwendung finden, wird bei einem nicht tarifgebundenen Arbeitgeber dieses Tarifwerk nicht im Wege der Tarifsukzession von dem Tarifwerk des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst (TVöD) ersetzt.
Normenkette
TVG § 3 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Münster (Urteil vom 13.10.2008; Aktenzeichen 4 Ca 895/08) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Münster vom 13.10.2008 – 4 Ca 895/08 – teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
- Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Urlaubsgeld i. H. v. brutto 255,65 EUR nebst Verzugszinsen i. H. v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 26.04.2008 zu zahlen.
- Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger ab 2008 jährliches Urlaubsgeld i. H. v. 255,65 EUR brutto zu zahlen.
- Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 978,12 EUR brutto nebst fünf Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 26.04.2008 zu zahlen.
- Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger 1,16 Urlaubstage zu gewähren.
- Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten der ersten Instanz werden dem Kläger zu 10 % und der Beklagten zu 90 % auferlegt.
Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger zu 4 % und die Beklagte zu 96 %.
Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Zahlungsansprüche sowie einen Zusatzurlaubsanspruch des Klägers.
Der am 04.10.1947 geborene Kläger ist seit dem 01.02.2002 bei der Beklagten als Entnahmearzt im Entnahmedienst bei einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden zu einem monatlichen Bruttogehalt von zuletzt 4417,89 EUR auf der Basis des schriftlichen Arbeitsvertrages von 02.01.2003 beschäftigt. Der schriftliche Arbeitsvertrag vom 02.01.2003 (Bl. 33 d.A.) enthält u.a. folgende Regelung:
„§ 2
Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) vom 23.02.1961 (mit Ausnahme der §§ 1, 2, 3, 6, 11, 23, 23 b, 25, 26 a, 69 und 73 BAT) und den diesen ergänzenden oder ändernden Tarifverträgen.”
Die Beklagte betreibt in der Rechtsform einer gemeinnützigen Gesellschaft mit beschränkter Haftung den Blutspendedienst des D5 in Nordrhein-Westfalen mit den Betriebsstätten in R2-B4, H1 und M1. Sie war in der Vergangenheit nicht tarifgebunden, nahm aber regelmäßig in den mit ihren Arbeitnehmern abgeschlossenen Arbeitsverträgen mit teilweise unterschiedlichen Einschränkungen Bezug auf Tarifverträge des öffentlichen Dienstes, insbesondere den Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT). Der Kläger ist Mitglied der Gewerkschaft ver.di.
Nachdem der BAT durch den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) abgelöst wurde, schloss die Beklagte am 31.10.2006 (mit der DHV – Deutscher Handels- und Industrieangestellten-Verband – jetziger Name: DHV-Die Berufsgewerkschaft) einen Haustarifvertrag (im Folgenden: DHV-HausTV). In der Folgezeit zu Tarifverhandlungen zwischen der Beklagten und der Gewerkschaft ver.di wegen des Abschlusses eines weiteren Haustarifvertrages.
Im Rahmen der Tarifauseinandersetzung machte die Beklagte unter dem 20.10.2006 eine Tarifmitteilung, die u.a. folgenden Wortlaut hat:
„…
seit Ende letzten Jahres befinden wir uns in den Verhandlungen über den Abschluss eines Haustarifvertrages für den D5 Blutspendedienst West. Wie Sie wissen, sin...