Entscheidungsstichwort (Thema)
Subjektiv ernsthafte Bewerbung. Abbruch der laufenden Stellenausschreibung. Diskriminierung bei fehlender Stellenbesetzung. Diskriminierungsmerkmal sehr gutes Deutsch und Englisch. Diskriminierungsmerkmal Reisebereitschaft. Diskriminierungsmerkmal dynamisches Team
Leitsatz (amtlich)
1) Eine Benachteiligung i.S.d. §§ 7 Abs. 1, 3 Abs. 1 u. Abs. 2 AGG liegt nicht vor, wenn sich der Arbeitgeber noch während einer laufenden Stellenausschreibung entschließt, eine Stellenbesetzung nicht vorzunehmen und demzufolge keinen Bewerber/keine Bewerberin zum Vorstellungsgespräch einlädt und einstellt.
2) Zur Frage der Benachteiligung gem. § 3 Abs. 2 AGG durch die Anforderungsmerkmale "sehr gutes Deutsch", "Reisebereitschaft" und "dynamisches Team".
Normenkette
AGG § 7 Abs. 1, § 3 Abs. 2, 1, §§ 1, 22; Charta der Grundrechte der Europäischen Union Art. 21-22
Verfahrensgang
ArbG Bocholt (Entscheidung vom 11.04.2013; Aktenzeichen 3 Ca 1560/12) |
Tenor
- Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bocholt vom 11.04.2013 - 3 Ca 1560/12 - wird zurückgewiesen.
- Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
- Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um einen Anspruch der Klägerin auf Zahlung einer Entschädigung wegen Diskriminierung.
Die Klägerin ist 1961 in X/Russland geboren worden. In der Zeit von 1978 bis 1984 absolvierte sie am M Institut für Luftfahrtgerätebau ein Studium mit der Fachrichtung Informatik. Während dieses Studiums erwarb sie die Qualifikation als sachbearbeitende Übersetzerin für die englische Sprache (Bl. 19 d.A.). Ausweislich der Bescheinigung des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Schleswig-Holstein vom 15.02.1999 ist dieses Studium, welches mit der Qualifikation einer Systemtechnik-Ingenieurin abgeschlossen wurde, einem in der Bundesrepublik Deutschland durch Diplomprüfung abgeschlossenen Studium der Fachrichtung Informatik als gleichwertig anerkannt worden. Wegen der vorbezeichneten Bescheinigung wird auf die Kopie Bl. 11 d.A. Bezug genommen.
Nach Abschluss des Studiums war die Klägerin zunächst bis 1998 als Systemprogrammiererin in Moskau tätig, bevor sie in die Bundesrepublik Deutschland übersiedelte. Von Beginn des Jahres 2000 bis zum 31.03.2003 arbeitete die Klägerin u.a. im Bereich der Software-Entwicklung. Seit dem 01.04.2003 ist sie arbeitslos. Wegen der Einzelheiten der beruflichen Tätigkeiten wird auf den Lebenslauf Bl. 10 d.A. Bezug genommen.
Bereits im Jahre 1998 bestand die Klägerin die deutsche Sprachprüfung für den Hochschulzugang ausländischer Studierender an der Fernuniversität-Gesamthochschule in Hagen (Bl. 17 d.A.); im Rahmen der Einbürgerung der Klägerin hatte sie einen Deutschsprachtest zu absolvieren, der unter dem 30.04.2001 "gute Deutschkenntnisse" bescheinigte.
In der Zeit vom 16.07.2012 bis 10.08.2012 nahm die Klägerin beim Institut für Berufliche Bildung AG mit Sitz in I an einer Qualifizierungsmaßnahme "Java Web-Programmierung" und "Java Web-Programmierung - Fortgeschrittene Techniken" im Umfang von jeweils 80 Stunden teil. Die hierüber erteilten Zertifikate weisen als Ergebnis einen "sehr guten Erfolg" aus. Auf die Kopien Bl. 22 ff. d.A. wird Bezug genommen.
Die Beklagte mit Sitz in H ist ein Software-Service-Unternehmen, welches seine Kunden primär direkt an deren Standort mit unterschiedlichen Beratungsleistungen im IT-Bereich unterstützt. Sie verfügt über Standorte in B, C1, H, I, J, T, X1 und X2. Die Beklagte vereinbart mit ihren Kunden Werk- oder Dienstleistungsverträge, im Einzelfall auch Arbeitnehmerüberlassungsverträge. Insgesamt beschäftigt sie derzeit etwa 100 Beschäftigte, wovon etwa 10 Personen freiberuflich für die Beklagte tätig sind.
Unter dem 13.08.2012 veröffentlichte die Beklagte eine Stellenanzeige, die im Wesentlichen folgenden Inhalt hatte:
"Java Developer (m/w) für den Standort I
Globel Player? Oder Familiäres Umfeld? Warum nicht Beides! Wir bieten unseren Mitarbeitern anspruchsvolle Projekte bei namhaften Unternehmen in direkter Nähe zu unseren Standorten (...). ...
Beim Kunden überzeugen wir mit maßgeschneiderten IT-Lösungen aus unseren vier Kompetenzbereichen:
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Ihre Aufgaben
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Erhebung von Anforderungen beim Kunden sowie Durchführung von Machbarkeitsstudien und Aufwandsschätzungen
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Konzeptionierung und Implementierung von Softwarekomponenten in Java und Oracle
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Erstellung und Pflege der Konzept- und Spezifikationsdokumente
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Durchführung der Technischen Tests und der Abnahmen
Was Sie mitbringen
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Teamorientierung, überzeugendes Auftreten, Reisebereitschaft und Beratungskompetenz
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Sehr gute Deutsch- und Englischkenntnisse in Wort und Schrift
Was Sie bei uns erwartet
Wegen der Einzelheiten der Stellenanzeige wird auf die Kopie Bl. 5 d.A. Bezug genommen.
Am 14.08.2012 bewarb sich die Klägerin bei der Beklagten auf die ausgeschriebene Stelle unter Benutzung...