Entscheidungsstichwort (Thema)
Rücknahme der Berufung durch einen von mehreren Prozessbevollmächtigten (BAG 18.11.2009 5 AZR 41/09). Berufungsrücknahme durch einen von mehreren Prozessbevollmächtigten
Leitsatz (amtlich)
Nimmt einer von zwei Prozessbevollmächtigten, die unabhängig voneinander Berufung eingelegt haben, die Berufung beschränkungslos zurück, bewirkt dies regelmäßig den Verlust des Rechtsmittels. Der Widerruf der Bestellung eines Prozessbevollmächtigten muss dem Gericht gegenüber in eindeutiger Form angezeigt werden. Allein die Bestellung eines weiteren/anderen Prozessbevollmächtigten reicht für sich allein nicht.
Normenkette
ZPO § § 81 ff., § 87
Verfahrensgang
ArbG Herford (Entscheidung vom 29.06.2011; Aktenzeichen 1 Ca 819/10) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Herford vom 29.06.2011 - 1 Ca 819/10 - wird auf seine Kosten als unzulässig verworfen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Zahlung weiterer Vergütung, die über die arbeitsvertragliche Vereinbarung hinausgeht.
Der Kläger war bei der Beklagten in der Zeit vom 01.04.2007 bis zum 30.04.2011 als Bauingenieur beschäftigt.
Der Kläger ist Mitglied IG BAU. Grundlage seines Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten war der schriftliche Arbeitsvertrag vom 30.03.2007 (Bl. 71 bis 74 d.A. für die Einzelheiten), in dem die Parteien unter Ziff. 3.3 ein monatliches Bruttoentgelt in Höhe von 2.300,00 € zzgl. Urlaubsgeld und vermögenswirksamer Leistungen vereinbart hatten.
Mit Schreiben vom 01.06.2010 beanspruchte der Kläger von der Beklagten weiteres Entgelt in einer Höhe von insgesamt 65.315,00 € brutto. In dem Geltendmachungsschreiben heißt es auszugsweise:
"(der Kläger) ist bei Ihnen als Bauingenieur beschäftigt. Sein monatliches Einkommen beträgt zurzeit 2000,00 € brutto. Nach dem Entgeltrahmentarifvertrag für das Betonsteingewerbe in NRW, dieser TV trifft räumlich und sachlich auf Ihr Unternehmen zu, wäre unser Mitglied in E.13.3 mit einer Vergütung von derzeit 4396 € brutto einzugruppieren. Das bezogene Gehalt liegt damit jetzt um 32 % unter dem Tarifgehalt. Nach einschlägiger Rechtsprechung ist dies sittenwidrig."
Für die weiteren Einzelheiten des Schreibens wird auf Bl. 14 f. d.A. verwiesen.
Mit seiner am 12.07.2010 eingegangenen Klage verfolgt der Kläger den Entgeltanspruch weiter. Er hat gemeint, die in dem Tarifvertrag Betonsteingewerbe geregelte Vergütung sei die "übliche Vergütung für die von ihm erbrachte Tätigkeit in der Wirtschaftsregion".
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 65.315,00 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab der Zustellung der Klage zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgetragen, der Tariflohn nach den Entgelttarifverträgen für die Beschäftigten im Betonsteingewerbe NRW sei nicht die "übliche Vergütung" für die von dem Kläger erbrachte Tätigkeit in der Wirtschaftsregion. Sie hat bestritten, dass mehr als 50 % der Arbeitnehmer des zu betrachtende Wirtschaftsgebietes tarifgebunden seien oder die organisierten Arbeitgeber dieses Gebietes mehr als 50 % der Arbeitnehmer beschäftigten.
Von der weiteren Darstellung des Tatbestands des erstinstanzlichen Urteils wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen.
Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 29.06.2011 die Klage abgewiesen mit der wesentlichen Begründung, die "übliche Vergütung" im Betonsteingewerbe jedenfalls in NRW entspreche nicht dem Tariflohn, sondern liege unterhalb des Tariflohns. Deshalb schuldet die Beklagte dem Kläger nicht gemäß § 612 Abs. 2 BGB die "übliche Vergütung", die hier der Tariflohn sein soll.
Gegen das dem Kläger am 05.08.2011 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat zunächst Rechtsanwalt S1, Rechtsanwälte R2 S1 und T1 K1, B1 S2 (im Folgenden: RAe S1) sich gemeldet und, beim Landesarbeitsgericht am 19.08.2011 eingehend, für den Kläger Berufung eingelegt. In der Berufungsschrift (Bl. 249 f. d.A.) heißt es u.a.:
"Die Berufung wird eingelegt zunächst zur Fristwahrung.
Angesichts des ungewöhnlichen Umfanges sowohl des Tatsachenvortrages als auch der Rechtsfragen und des Wechsels der Prozessbevollmächtigten des Klägers/Berufungsklägers, beantrage ich,
die Frist zur Begründung der Berufung zu verlängern auf den 15.10.2011.
Da wegen des Wechsels des Prozessbevollmächtigten in der II. Instanz, der Notwendigkeit der Akteneinsicht und der Prüfung der Rechtsfragen nicht nur die Fristverlängerung zur Begründung der Berufung als angemessen angesehen wird, sondern darüber hinaus nach der Überprüfung dieser umfangreichen Sache entschieden werden kann, ob die Berufung durchgeführt wird, wird die Beklagte gebeten, sich vorerst in der Sache nicht zu melden bis zu dem Zeitpunkt, zu welchem klargestellt ist, dass die Berufung durchgeführt wird."
Durch Beschluss vom 24.08.2011(Bl. 255 d.A.) wurde die Berufungsbegründungsfrist bis zum 17.10.2011 verlängert.
Unter dem 29.08.2011, beim Landesarbeitsgericht eingegangen am 30.08.2011, hat ...