Entscheidungsstichwort (Thema)

Lohnwucher, wucherähnliches Geschäft, (Verkehrs-)Üblichkeit des Tariflohns. verwerfliche Gesinnung. Feststellung der üblichen Vergütung der Beschäftigten in einem bestimmten Wirtschaftszweig

 

Leitsatz (amtlich)

Die Entgelttarifverträge für die Beschäftigten im Betonsteingewerbe NW enthalten nicht die für die gewerblich Beschäftigten in diesem Wirtschaftszweig übliche Vergütung.

 

Normenkette

BGB § 138 Abs. 1, § 611 Abs. 1, § 612 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Herford (Entscheidung vom 29.06.2012; Aktenzeichen 1 Ca 811/10)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Herford vom 29.06.2012 - 1 Ca 811/10 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Vergütungshöhe.

Der Kläger, Jahrgang 1962, war in der Zeit vom 01.02.2007 bis zum 30.09.2009 bei der Beklagten als Betriebsleiter tätig. Er ist Mitglied der IG Bau.

Die Beklagte beschäftigt in ihrem Betrieb 60 Arbeitnehmer. Es werden Betonteile in Form vom Winkelstützen produziert. Die Beklagte ist nicht tarifgebunden.

Grundlage des Arbeitsverhältnisses der Parteien war der schriftliche Anstellungsvertrag vom 01.02.2007, der unter seiner Ziffer 1 im 7. Absatz ein Stundenentgelt von 14,00 € vorsah. Für die weiteren Einzelheiten der vertraglichen Vereinbarung wird auf Bl. 68 bis 70 d.A. verwiesen. Darüber hinaus wird verwiesen auf den Inhalt der schriftlichen Stellenbeschreibung zum Arbeitsplatz des Klägers vom 06.07.2008 (Bl. 95 f. d.A.), vom Kläger ausdrücklich zum Gegenstand der Klagebegründung gemacht.

Mit Schreiben vom 11.06.2010 verlangte der Kläger von der Beklagten die Zahlung weiteren Arbeitsentgelts. Es heißt in dem Schreiben auszugsweise.

"Sein Stundenlohn betrug 14 € brutto. Nach dem Entgeltrahmentarifvertrag für das Betonsteingewerbe in NRW, dieser TV trifft räumlich und sachlich auf Ihr Unternehmen zu, war unser Mitglied in E.13.3 mit einem Stundenlohn von 26,36 € brutto einzugruppieren. Der Stundenlohn lag damit zuletzt unter 44,8 % unter dem Tarifgehalt. Nach einschlägiger Rechtsprechung ist dies sittenwidrig."

Das erfolglos gebliebene Geltendmachungsschreiben umfasst einen von der Beklagten geforderten Entgeltbetrag von insgesamt 65.366,42 € brutto. Für die weiteren Einzelheiten des Schreibens vom 11.06.2010 wird verwiesen auf Bl. 15 bis 17 d.A..

Mit seiner am 12.07.2010 eingereichten Zahlungsklage hat der Kläger seine Entgeltansprüche weiterverfolgt.

Der Kläger hat gemeint, die in dem Entgelt-Rahmentarifvertrag für das Betonsteingewerbe NW geregelte Vergütung sei die "übliche Vergütung" für seine Tätigkeit in der Wirtschaftsregion. Der Betrieb der Beklagten unterfalle dem fachlichen Geltungsgereich des Betonsteingewerbes und auch örtlich dem Tarifvertrag für das nordrhein-westfälische Betonsteingewerbe.

Aufgrund der Allgemeinverbindlicherklärung der Tarifverträge über eine "überbetriebliche Zusatzversorgung" und über das "Verfahren der überbetrieblichen Zusatzversorgung" erfasse - schlussgefolgert - auch der nicht allgemeinverbindliche "Entgelt-Rahmentarifvertrag für die Beschäftigten in der Beton- und Fertigteilindustrie und im Betonsteinhandwerk (Betonsteingewerbe) in Nordrhein-Westfalen" vom 10.06.2003 mehr als 50 % der in Nordrhein-Westfalen beschäftigten Arbeitnehmer dieser Branche. Er sehe vor diesem Hintergrund ein "auffälliges Missverhältnis" zwischen seiner Leistung und dem an ihn gezahlten Entgelt (zur Berechnung im Einzelnen: Schriftsatz vom 01.02.2011, Bl. 130 ff. d.A.).

Hilfsweise hat sich der Kläger für den eingeklagten Entgeltanspruch auf § 307 BGB berufen; die vertragliche Entgeltabrede benachteilige ihn unangemessen.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 65.366,42 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab der Zustellung der Klage zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat behauptet, der Tariflohn nach den Entgelttarifverträgen für die Beschäftigten im Betonsteingewerbe Nordrhein-Westfalen sei nicht die "übliche Vergütung" in der Wirtschaftsregion für die von dem Kläger erbrachte Tätigkeit. Sie hat bestritten, dass mehr als 50 % der Arbeitnehmer des zu betrachtenden Wirtschaftsgebiets tarifgebunden seien oder die organisierten Arbeitgeber dieses Gebiets mehr als 50 % der Arbeitnehmer beschäftigten. Konkret seien ihr keinerlei Wettbewerber bekannt, die Tariflöhne zahlten.

Zudem liege ein auffälliges Missverhältnis der arbeitsvertraglichen Hauptleistungspflichten nicht vor. Denn dem Kläger stehe keine Vergütung nach der Entgeltgruppe 13.3 zu; er könne allenfalls Tariflohn nach der Gruppe 8 beanspruchen. Insbesondere habe der Kläger keine aufsichtsführende Tätigkeit in einem besonders vielseitigen und schwierigen Bereich verrichtet.

Mit Urteil vom 29.06.2011 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Es hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

Die Beklagte schulde dem Kläger nicht gemäß § 612 Abs. 2 BGB die übliche Vergütung, die h...

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