Entscheidungsstichwort (Thema)

Kündigung des Arbeitsverhältnisses bei Alkoholabhängigkeit des Arbeitnehmers nach Rückfall

 

Leitsatz (amtlich)

Bei Therapiefähigkeit und Therapiebereitschaft des alkoholerkrankten Arbeitnehmers indiziert ein alkoholbedingter Rückfall nach einer erfolgreichen Entwöhnungskur allein noch nicht die für eine soziale Rechtfertigung einer ordentlichen Kündigung des Arbeitgebers notwendige negative Prognose, bei dem gekündigten Arbeitnehmer sei auch in Zukunft mit alkoholbedingter Arbeitsunfähigkeit oder Leistungseinschränkungen zu rechnen.

 

Normenkette

KSchG § 1 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Herford (Entscheidung vom 18.10.2000; Aktenzeichen 2 Ca 722/00)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 18.10.2000 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Herford abgeändert:

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die mit Schreiben der Beklagten vom 08.05.2000 dem Kläger gegenüber ausgesprochene und am 23.05.2000 zugegangene ordentliche Kündigung nicht aufgelöst worden ist.

Der Antrag der Beklagten auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien, zwischen denen seit dem 02.02.1981 ein Arbeitsverhältnis mit einer Beschäftigung des 49jährigen, verheirateten Klägers als Tischler gegen einen Monatslohn von 5.600,00 DM brutto besteht, streiten um die soziale Rechtfertigung einer dem Kläger gegenüber mit Schreiben vom 08.05.2000 zum 30.11.2000 wegen Alkoholerkrankung mit Rückfall ausgesprochenen und ihm am 22.05.2000 zugegangenen ordentlichen Kündigung der Beklagten.

Der Kläger, der seit Jahren alkoholabhängig ist und seit dem 28.01.1992 dem Freundeskreis Suchtkrankenhilfe in B2xxx-Spradow angehört, unterzog sich während der Zeit von Ende Januar 1999 bis zum 18.04.1999 einer 2 ½ Monate dauernden, stationären Behandlung wegen seiner Alkoholerkrankung. Nachdem der Kläger bis Mitte April 2000 den Alkoholgenuss mied, wurde er in der zweiten Aprilhälfte für seine Umgebung wieder auffällig, so dass die Beklagte am 02.05.2000 die Anhörung des Betriebsrats zwecks Ausspruch der Kündigung einleitete. Seit dem 03.05.2000 hat der Kläger die Suchtberatung des diakonischen Werkes im K6xxxxxxxxxx H3xxxxx e.V. in Anspruch genommen, die ihn für therapiefähig und auch für therapiebereit hält. Der Freundeskreis Suchtkrankenhilfe ist aufgrund der Langzeittherapien und Entgiftungen des Klägers auch von seiner Therapiefähigkeit überzeugt. Zur Beurteilung der Therapiebereitschaft vermochte sich die Selbsthilfegruppe, um vertrauenswürdig zu bleiben, nicht zu äußern, bringt allerdings in ihrer Bescheinigung vom 21.08.2000 zum Ausdruck, dass es beim Kläger aufgrund der positiven Fortschritte in der Therapie voraussichtlich zu keinen alkoholbedingten Ausfällen kommen werde.

Von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 ZPO Abstand und auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe des am 18.10.2000 verkündeten Urteils des Arbeitsgerichts Herford sowie wegen des Ergebnisses der in erster Instanz durchgeführten Beweisaufnahme auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung von demselben Tage Bezug genommen.

Im übrigen wird wegen einiger Verdeutlichungen, Ergänzungen und Bekräftigungen des beiderseitigen Parteivorbringens sowie des Setzens anderer Akzente gegenüber dem Vortrag in erster Instanz auf den vorgetragenen Inhalt der in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze der Parteien und wegen der von ihnen gestellten Anträge auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 24.07.2001 verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

Die nach dem vom Arbeitsgericht festgesetzten Streitwert und der entsprechenden Beschwer statthafte, form- und fristgerecht eingelegte sowie rechtzeitig auch ordnungsgemäß begründete Berufung des Klägers hat Erfolg und führt zur entsprechenden Abänderung der angefochtenen Entscheidung.

Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist nicht durch die dem Kläger gegenüber mit Schreiben vom 08.05.2000 ausgesprochene ordentliche Kündigung der Beklagten aufgelöst worden.

Die Kündigung erweist sich nicht als sozial gerechtfertigt.

Gemäß § 1 Abs. 2 KSchG ist die Kündigung gegenüber einem Arbeitnehmer unter anderem dann lediglich sozial gerechtfertigt, wenn sie durch Gründe, die in der Person des Arbeitnehmers liegen, bedingt ist. Als in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe kommen insbesondere objektive persönliche Umstände in Betracht, die seine vertraglich vorgesehene Tätigkeit beeinträchtigen können (Adomeit in AR-Blattei Kündigung VII Z II 2 a; Hueck-von Hoyningen-Huene, KSchG § 1 Anm. 176). Dazu kann auch die durch Krankheit bedingte Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers zählen, wenn seine Verwendbarkeit für die vereinbarte Tätigkeit erheblich herabgesetzt wird, was auch bei Alkoholabhängigkeit der Fall sein kann (BAG in AP Nr. 18 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit). Dies erfordert die Überprüfung der Sozialwidrigkeit der Kündigung in drei Stufen. Eine ordentliche Kündigung aus Gr...

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