Entscheidungsstichwort (Thema)
Gratifikation. Sonderzahlung. Rückzahlungsklausel. Inhaltskontrolle. Auslegung. Rückzahlungsverpflichtung bei vom Arbeitnehmer verschuldeter Vertragsbeendigung
Leitsatz (amtlich)
Zur Auslegung und Inhaltskontrolle einer arbeitsvertraglichen Rückzahlungsklausel
Die in einem Formular-Arbeitsvertrag enthaltene Klausel, nach welcher der Arbeitnehmer die im Vorjahr erhaltene Sonderzahlung u.a. zurückzuzahlen hat, wenn er aus dem Arbeitsverhältnis „aus eigenem Verschulden” ausscheidet, setzt erkennbar einen Kausalzusammenhang zwischen Vertragsbeendigung und Eigenverschulden und damit voraus, dass die vom Arbeitgeber genannten Kündigungsgründe der gerichtlichen Überprüfung standgehalten hätten. In dieser Auslegung kann die Klausel weder als intransparent angesehen werden, noch liegt eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers vor. Ob eine Rückzahlungsklausel der Inhaltskontrolle standhalten würde, welche ausdrücklich von der Kündigungsrelevanz des Eigenverschuldens absieht, erscheint zweifelhaft, war aber nicht zu entscheiden.
Normenkette
BGB §§ 307, 611
Verfahrensgang
ArbG Gelsenkirchen (Urteil vom 03.09.2008; Aktenzeichen 2 Ca 1068/08) |
Nachgehend
BAG (Aktenzeichen 10 AZR 324/09) |
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Gelsenkirchen vom 03.09.2008 – 2 Ca 1068/08 – wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Mit ihrer Klage nimmt die Klägerin den Beklagten als früheren Arbeitnehmer nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch fristlose Kündigung auf Rückzahlung einer gewährten Sonderzahlung für das Jahr 2007 in Anspruch: Hierzu verweist sie auf die im Arbeitsvertrag enthaltene Klausel, nach welcher das im November gezahlte 13. Monatsentgelt zurückzuzahlen ist, wenn „der Mitarbeiter bis einschließlich 31.03. des Folgejahres aus eigenem Verschulden oder auf eigenen Wunsch” ausscheidet, und behauptet in der Sache, der Beklagte habe in seiner Funktion als Service-Leiter in dem von der Klägerin betriebenen Seniorenstift in erheblicher Weise gegen seine Vertragspflichten verstoßen, indem er u.a. in seiner Kellnerbörse neben vereinnahmten Beträgen auch privates Geld aufbewahrt und so Anlass zu Zweifeln an seiner Redlichkeit begründet habe. Darüber hinaus treffe den Kläger der Vorwurf einer Unterschlagung, da er vereinnahmte Beträge nicht korrekt abgeführt habe. Für die Richtigkeit der erhobenen Vorwürfe spreche im Übrigen bereits der Umstand, dass der Kläger seine gegen die fristlose Kündigung vom 04.01.2008 gerichtete Klage zurückgenommen und einer Einstellung des Strafverfahrens gegen Zahlung einer Geldbuße zugestimmt habe.
Demgegenüber weist der Beklagte weist die erhobenen Vorwürfe als unberechtigt zurück und vertritt in rechtlicher Hinsicht den Standpunkt, die im Arbeitsvertrag enthaltene Klausel sei intransparent, zu weit gefasst und damit unwirksam. Nachdem er zeitnah eine neue Beschäftigung gefunden und damit das Interesse an der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses verloren habe, könne aus der Hinnahme der Kündigung kein Anhaltspunkt für die Berechtigung der erhoben Vorwürfe hergeleitet werden. Entsprechendes gelte für die Zahlung der Geldbuße, mit welcher es ihm darum gegangen sei, die Angelegenheit zügig zum Abschluss zu bringen.
Durch Urteil vom 03.09.2008 (Bl. 57 ff. d.A.), auf welches wegen des weiteren erstinstanzlich vorgetragenen Sachverhalts und des Klageantrages Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht den Beklagten antragsgemäß verurteilt, an die Klägerin 1.455,44 EUR – dies ist der dem Beklagten zugeflossene Nettobetrag – nebst Zinsen zurückzuzahlen. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt worden, gegen die Wirksamkeit der vereinbarten Rückzahlungsklausel bestünden keine Bedenken. Wie die Auslegung der Klausel ergebe, seien hiermit alle Fallgestaltungen erfasst, bei welchen der Grund für das Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis in der Sphäre des Arbeitnehmers liege. Da die Rechtsprechung eine Rückzahlungsverpflichtung selbst im Falle der betriebsbedingten Kündigung billige, könne auch die hier verwendete Klausel nicht beanstandet werden, ohne dass es darauf ankomme, ob die erhobenen Vorwürfe der Überprüfung in einem Kündigungsschutzverfahren standhielten. In der Sache stelle schon die Tatsache, dass der Beklagte durch die gemeinsame Aufbewahrung vereinnahmter Gelder, Trinkgelder und privaten Geldes in seiner Kellnerbörse den Eindruck unkorrekten Verhaltens erweckt habe, ein eigenes Verschulden im Sinne der vereinbarten Rückzahlungsklausel dar.
Mit seiner rechtzeitig eingelegten und begründeten Berufung hält der Beklagte an seiner Auffassung fest, die verwendete Vertragsklausel halte einer Inhaltskontrolle nach § 307 BGB nicht stand. Selbst wenn die Klausel in der vom Arbeitsgericht vorgenommenen Auslegung als ausreichend transparent angesehen werde – was nach wie vor bezweifelt werden müsse – stelle es jedenfalls eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers dar, wenn jedwede sch...