Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch eines Arbeitnehmers auf Beihilfe zur kieferorthopädischen Behandlung seiner Ehefrau
Leitsatz (redaktionell)
1. Haben die Parteien des Arbeitsverhältnisses die Anwendung der BVO NRW uneingeschränkt vereinbart, so sind die zur Beihilfe im Beamtenverhältnis entwickelten Grundsätze auf das Arbeitsverhältnis anwendbar.
2. § 4 Abs. 2a BVO NRW, wonach bei Personen, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, kieferorthopädische Leistungen nur dann beihilfefähig sind, wenn eine schwere Kieferanomalie vorliegt, die eine kombinierte kieferchirurgische und kieferorthopädische Behandlung erfordert, verstößt nicht gegen die in Art. 33 GG verankerte beamtenrechtliche Fürsorgepflicht. Denn diese erfordert nicht den Ausgleich jeglicher krankheitsbedingter Aufwendung und auch nicht deren Erstattung in jeweils vollem Umfang.
Normenkette
Beihilfeverordnung des Landes NRW § 4 Abs. 2a
Verfahrensgang
ArbG Bielefeld (Entscheidung vom 19.08.2014; Aktenzeichen 1 Ca 2551/13) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 19.08.2014 - 1 Ca 2551/13 - wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Verpflichtung des Beklagten, Beihilfeleistungen für die Behandlung der Ehefrau des Klägers zu erbringen.
Der 1952 geborene Kläger ist seit dem 02.05.1981 bei dem Beklagten als Psychotherapeut beschäftigt. Er ist beihilfeberechtigt. Die Beihilfe ist grundsätzlich auch für medizinische Behandlungen seiner Ehefrau N zu leisten.
Diese erlitt mit 16 Jahren einen Autounfall und zog sich eine Schädelfraktur zu, die operiert werden musste.
Im Jahre 2000 begann sie eine Behandlung bei dem Facharzt für Kieferorthopädie Dr. S. Dieser diagnostizierte eine craniomandibuläre Dysfunktion. Unter dem 02.06.2013 erstellte er einen Heil- und Kostenplan (Bl. 6 bis 17 d.A), den Frau N der Beihilfestelle mit Schreiben vom 11.06.2013 zur Prüfung überreichte.
Mit Schreiben vom 09.08.2013 (Bl. 18, 19 d.A.) lehnte diese eine Kostenübernahme ab und führte aus:
Laut Stellungnahme des Amtsarztes der Stadt M vom 18.06.2013 kann eine kieferorthopädische Erwachsenenbehandlung laut BVO nur bei schweren Kieferanomalien, die zusätzlich eine chirurgische Maßnahme erfordern, unter Beihilfegesichtspunkten geltend gemacht werden - es gibt hier keinen Entscheidungsspielraum.
Wie auch in anderen Fällen bei CMD-Patienten mit ausgeprägten Symptomen, können Schienentherapien der Position 7000 ff., die Position 8000 ff. (funktionsanalytische und therapeutische Maßnahmen), diagnostische Positionen 6000 - 6020 GOZ sowie Beratungshonorare und solche zur Modellherstellung, berücksichtigt werden, die hier zweifellos notwendig sind.
Mit seiner am 17.09.2013 bei dem Arbeitsgericht Bielefeld eingegangenen Klage begehrt der Kläger die Verurteilung des Beklagten, ihm Beihilfe für seine Ehefrau auf der Grundlage des vorgelegten Heil- und Kostenplanes zu gewähren.
Er hat unter Hinweis auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes Baden-Württemberg vom 15.03.2012 - 2 S 2904/11 - vorgetragen:
Die kieferorthopädische Behandlung sei als Schmerztherapie und zur Vermeidung weiterer Schäden durch akute Anfälle von Bewusstlosigkeit und starkem Kopfdruck, welche als epilepsieartige Anfälle gedeutet würden, medizinisch geboten. Es handle sich um eine sekundäre Anomalie, die seine Ehefrau erst im Erwachsenenalter erworben habe.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 09.08.2013 - Az.: 100-3159 - aufzuheben und ihm Beihilfe hinsichtlich der geltend gemachten kieferorthopädischen Aufwendungen auf den Antrag vom 11.06.2013 für seine Frau N zu gewähren.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat auf § 4 Abs. 2 a der Beihilfeverordnung NW (BVO NW) hingewiesen und ausgeführt, dass nach der Verordnungsregelung Aufwendungen für kieferorthopädische Leistung grundsätzlich nur beihilfefähig seien, wenn die behandelte Person bei Behandlungsbeginn das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet habe. Die Altersbegrenzung gelte ausnahmsweise nicht bei schweren Kieferanomalien, die eine kombinierte kieferchirurgische und kieferorthopädische Behandlung erforderten. Bei der Ehefrau des Klägers liege zum einen keine schwere Kieferanomalie vor, zum anderen sei eine kieferchirurgische Behandlung nicht geboten.
Die Beihilfevorschrift verstoße nicht gegen höherrangiges Recht, wie das Oberverwaltungsgericht Münster in seinen Beschlüssen vom 01.02.2010 und 30.05.2012 klargestellt habe.
Mit Urteil vom 19.08.2014 hat das Arbeitsgericht Bielefeld die Klage abgewiesen.
Es hat ausgeführt:
Der unbezifferte Leistungsantrag sei zulässig. Die Klage sei jedoch unbegründet.
Da der Beklagte die Richtigkeit des vorgelegten Heil- und Kostenplanes nicht in Abrede gestellt habe, sei davon auszugehen, die Ehefrau des Klägers leide an einer craniomandibulären Dysfunktion.
Die Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 a BVO NW seien nicht erfüllt.
Frau N sei deutlich älter ...